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Schwarz-rote WohnungspolitikNichts als Politiksimulation

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Teuer ankaufen und Vergesellschaftungen ideologisch ausschließen: Berlins Senat stellt Phrasen und Scheinerfolge vor echte Mietenpolitik.

Mieterfeinde: Senatschef Kai Wegner (CDU) und Bausenator Christian Gaebler (SPD) Foto: Britta Pedersen/dpa

D as dümmste Argument gegen die Vergesellschaftung von Wohnraum ist gleichfalls das beliebteste der herrschenden politischen Klasse Berlins: „Durch Enteignung entsteht keine einzige neue Wohnung.“ Dass die Wegners und Gaeblers nicht müde werden, diesen intellektuellen Tiefflug auf Dauerschleife abzuspulen, liegt auch daran, dass er ihnen viel zu wenig um die Ohren fliegt.

Das Nicht-Argument wird medial weitgehend akzeptiert; kaum jemand, der das eigentliche Ziel der Vergesellschaftung betont, Mieten vom – finanzmarktgetriebenen – Profitdruck zu befreien. Der Verweis auf den Neubau ist eben keine Antwort auf die Nöte, denen Mie­te­r:in­nen jetzt schon ausgesetzt sind. Stattdessen ist die rhetorische Finte eine Absage an eine mietpreisbegrenzende Sozialpolitik, auf die längst auch die Mittelschicht angewiesen wäre.

Von den üblichen aktivistischen Kräften und der Linken abgesehen, blieb dann auch die Kritik der Kom­men­ta­to­r:in­nen aus, als der Regierende Bürgermeister Wegner diese Woche mal eben jeden Vergesellschaftungsplänen und damit der Demokratie in dieser Stadt eine Absage erteilte. Die Begründung war die altbekannte. Stattdessen verkündeten die Senatsvertreter ganz beseelt den Kauf von 4.500 Wohnungen durch die Howoge – ausgerechnet vom Haupt-Vergesellschaftungskandidaten Vonovia.

Selbst Springers Mann für rechte Attacke, Gunnar Schupelius, fiel in seiner B.Z.-Kolumne auf: Der Kauf von Wohnungen schafft keine einzige neue Wohnung. Nun ging es Schupelius nicht darum, die Senats-Doppelmoral offenzulegen, sondern um seinen grundsätzlichen neoliberal-staatsfeindlichen Standpunkt. Richtig wäre hingegen die Kritik: Der Senat kauft Wohnungen zum Marktpreis, für die bei einer Vergesellschaftung nur etwa ein Drittel der Summe fällig würde.

Dazu kommt: Indem CDU und SPD kürzlich erst die Vorgaben für eine mietenbegrenzende Sozialpolitik für die Wohnungsbaugesellschaften mit einer neuer Kooperationsvereinbarung aufgeweicht haben, bedeutet der Eigentümerwechsel eben keine deutliche Besserstellung der Mieter:innen. Denen ist letztlich egal, wer die Mieten maximal erhöht.

Sinnloses Rahmengesetz

Offen zutage liegt nun auch endgültig, wie der Senat die Stadtgesellschaft mit seinen – nicht ernsthaft verfolgten – Plänen für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz an der Nase herumführt. Erdacht, um Zeit zu gewinnen und sich der Enteignungsfrage nicht stellen zu müssen, ist nach Wegners abermaliger, endgültiger Absage deutlich: Das Gesetz soll, anders als suggeriert, nicht als Vorarbeit für eine Vergesellschaftung dienen. Es ist pure Politiksimulation.

Dass es auch auf Vergesellschaftungen in anderen Bereichen anwendbar sein sollte, wie stets betont, kann auch niemand mehr behaupten: Denn für alle relevanten Bereiche der Daseinsvorsorge, für Strom- und Gasnetz, Fernwärme oder Wasserbetriebe, ist die Vergesellschaftung längst eingeleitet oder vollzogen. Auf Nachfrage wusste Wegner auch nicht zu erklären, wozu sein Rahmengesetz nötig sein sollte.

Die Woche hat damit einmal mehr Klarheit gebracht: Dieser Senat interessiert sich nicht für die Nöte von Berlins Mieter:innen. Seine behauptete, aber konzeptlose Fokussierung auf Neubau schafft weder mehr – bezahlbaren – Neubau, noch kann seine Ankaufpolitik im kleinen Stil den immer schwindelerregenderen Mietanstieg der Stadt bremsen. Der Mangel an Konzepten und politischem Willen wird durch Wortphrasen und Erfolgssimulation ersetzt.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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8 Kommentare

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  • Der Autor schreibt: "Richtig wäre hingegen die Kritik: Der Senat kauft Wohnungen zum Marktpreis, für die bei einer Vergesellschaftung nur etwa ein Drittel der Summe fällig würde."

    Die Höhe der im Falle einer "Vergesellschaftung" fälligen Entschädigungssumme ist völlig unklar und umstritten, wird hier aber als Fakt hingestellt. Sie könnte im Fall der Fälle wesentlich höher liegen.

    Aus meiner Sicht muss die Zivilgesellschaft die DW Enteignen sehr genau im Auge behalten und ggfs. Widerspruch erheben, wenn rechtlich unklare Wertungen als Fakten verkauft werden. Ich habe den Eindruck, dass es vielen Protagonist*innen der Initiative vor allem darum, geht, das Projekt auf Biegen und Brechen durchzubekommen. Um konkrete Wirksamkeit zum Schutze der Mieter geht es hier meines Erachtens schon länger nicht mehr; Kritik wird nicht mehr rezipiert.

    • @LBH:

      So ist es. Auch der dwenteignen ist, entgegen der öffentlichen Verlautbarungen, durchaus bewusst dass ihre Vorstellungen in ein Gesetz gegossen kaum Chancen beim BVerfG haben. Wie aber in Berlin seit KlausdieMausWowereit Mode versucht man es trotzdem, in der Erwartung, dass irgendwas schon hängenbleiben wird und auf dem Weg dahim beim "Gegner" maximaler Schaden verursacht wird. Den würde hier allerdings nicht dwenteignen begleichen müssen, sondern der Steuerzahler...

  • "Phrasen und Scheinerfolge vor echte Mietenpolitik"

    Merkwürdige Ansicht. Die gekauften Wohungen sind ohne jeden Zweifel sicher in der Hand Berlins. Eine Vergesellschaftung mag dagegen rechtlich möglich sein, die hierfür zu zahlende Gegenlesitung ist jedoch vollkommen unklar und hätte am Ende eine jahrelange Rechtsunsicherheit zur Folge. Da dies nicht so einfach zu klären ist wie beim Mietendeckel (eine mündliche Verhandlung hatte nicht stattgefunden) können die Folgen einer Vergesllschaftung von niemandem vorher gesagt werden.

    Nicht auszudenken, dass eine Vergesellschaftung dann vom Verfassungsgericht anerkannt wird, der Preis dagegen nicht und dann alles wegen der Schuldenbremse scheitert. Dann doch lieber den Spatz in der Hand.

  • "Der Senat kauft Wohnungen zum Marktpreis, für die bei einer Vergesellschaftung nur etwa ein Drittel der Summe fällig würde." Das ist lediglich die Vorstellung der DWE. Ob das in der Realität so umsetzbar wäre, darüber würden erstmal jahrelange Gerichtsverfahren entscheiden. Es gab in der Geschichte der BRD noch keine Enteignung bei der unter Marktwert entschädigt wurde. Der Standard ist Marktwert + erschlossenes Ausgleichsgrundstück in vergleichbarer Lage.

  • Der intellektuelle Tiefflug besteht doch wohl eher darin, von einem "finanzmarktgetriebenen Profitdruck" zu schwadronieren... Immerhin machten alle Großunternehmen im letzten Jahr große Verluste.



    Die extremen Baupreise und Kosten der (Pflicht-)Sanierungen und Instandhaltung sind harte Fakten, die auch ein staatlicher Akteur nicht negieren kann. Leicht daran zu erkennen, dass auch die Genossenschaften nicht bauen und stattdessen die Miete erhöhen.



    Nicht die Ablehnung der Vergesellschaftung ist ideologisch...

    • @Samvim:

      die großen verluste der großunternehmen auf dem dt. wohnungsmarkt resultieren daraus, dass sie in riskantem maße schuldenfinanziert wirtschaften und ihr börsenwert von der bewertung von ratingagenturen abhängig ist. die haben die beurteilungen natürlich runtergeschraubt, als die nullzinspolitik beendet und der leitzins erhöht worden ist. einfach mal schlau machen z.b. über die adler-group u.a.

      die konzerne, die hier enteignet haben, haben auch vor dem zinsanstieg und baukostenanstieg kaum gebaut, sondern sind, allen voran vonovia, bestandsverwalter. sanieren tun sie auch nicht, jedenfalls nicht, wenn sie die kosten nicht auf ihre mieter*innen umlegen können. das ist das inzwischen wirklich allseits bekannte geschäftsmodell.

      die ablehnung der vergesellschaftung großer börsennotierter wohnungskonzerne ist schlicht und ergreifend undemokratisch, weil sie die ergebnisse des klar gewonnenen volksentscheids komplett ignoriert.

      • @Pflasterstrand:

        Eine Nichtumsetzung des Volksentscheides ist nicht undemokratisch, den dieser ist rechtlich nicht bindend. Zumal bei diesem überhaupt kein Preis festgesetzt worden ist, über den es zu einer Entscheidung kommen könnte.

        Es stand der Iniative vollkommen frei, einen bindenden Gesetzestext zur Abstimmung zu stellen. Das kann sie jederzeit nachholen. Dann besteht die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung.

      • @Pflasterstrand:

        Mehrheitsentscheidungen sind nicht zwingend klug oder richtig. Und natürlich müssen die Mieter die Sanierungen bezahlen, sie benutzen die Wohnungen ja.



        Selbst wenn die Vergesellschaftung voll im Sinne der dwenteignen umgesetzt und durch das BVerfG für verfassungskonform erklärt werden würde (was sehr sehr unwahrscheinlich ist - es winkt an dieser Stelle der Mietendeckel aus 2021...) wäre die Wirkung auf die Miethöhe gleich null, wenn nicht gar verschärfend: Denn weniger als zehn Prozent der Wohnungen wären betroffen, die hohen Kosten immernoch existent und niemand der noch bei Sinnen ist würde in Zukunft in Berlin Wohnraum schaffen.



        Btw: Ein Großteil der Aktien der Wohnungsunternehmen liegt im sog. Streubesitz, also bei Kleinaktionären. Wenn sie eine private Altersvorsorge, Riesterrente, Betriebsrente etc. oder auch ETF oä. besitzen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass damit auch sie vergesellschaftet werden...