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Modell für das neue Stadion mit drei Hochhäusern. Die mit 116 Metern die höchsten in Kroatien sein würden Foto: rijeka.hr

Baupläne in KroatienDubai an der Adria

Die kroatische Hafenstadt Rijeka will eine Arena und Hochhäuser bauen. Anderen Städten könnte das als Vorbild dienen. Doch es gibt Widerstand.

Von Thomas Maier aus Aus Rijeka

L oredana Varljen hat von ihrem Haus am Hang einen wunderbaren Blick auf die Kvarner Bucht und das Fußballstadion von HNK Rijeka. Steil abschüssig liegt es nur etwa 50 Höhenmeter tiefer – direkt an der Adria. Nicht nur die Fans des kroatischen Spitzenklubs zählen die Arena deshalb zu den schönstgelegenen der Welt. Schon der Urgroßvater von Varljens Mann hat vor über 100 Jahren dort gekickt. Zusammen mit einer Bürgerinitiative kämpft die Familie jetzt gegen ein gigantisches Ausbauprojekt an der Stelle, das aus ihrer Sicht nicht nur ein Stadtviertel zerstören würde, sondern auch die kroatische Küste.

Der Fußballplatz wurde 1912 in einem alten Steinbruch angelegt, den legendären Felsen von Kantrida, die das Stadion bis heute flankieren. Im vergangenen Jahrhundert wurde es mehrfach vergrößert und dann wieder verkleinert, um auf dem schmalen Areal mit Plätzen für zuletzt gut 10.000 Zuschauer den strengen Auflagen des europäischen Fußballverbands Uefa zu genügen.

Vor neun Jahren zog der Verein dann doch in ein neugebautes Stadion um, das etwa 200 Meter höher in den Hügeln von Rijeka im Ortsteil Rujevica liegt. Finanziert hat das alles Klub-Präsident und HNK-Eigentümer Damir Mišković. Für ihn ist es aber eine Interimslösung: Der im Ölgeschäft reich gewordene Unternehmer träumt schon lange von einem Neubau des Kantrida-Stadions. Das ist derzeit verwaist, drumherum gruppieren sich aber Sportplätze und Sporthallen, die die Stadt für die örtlichen Vereine eingerichtet hat.

Ein erster Versuch von Mišković, die in Kroatien sehr aktiven Chinesen für den Neubau zu gewinnen, scheiterte. Jetzt glaubt er jedoch an den großen Wurf: Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres präsentierte er Pläne für ein futuristisches „multifunktionales“ Stadion mit geschwungenen Dächern und 14.000 Plätzen, das er mit einem Konsortium aus Unternehmen und internationalen Finanzfonds bauen will.

Teures Bauen

Das Projekt auf städtischem Grund hat aber seinen Preis: Miškovićs Pläne sehen neben einem Hotel noch drei Hochhäuser mit Luxusapartments vor, direkt neben dem Stadion am Strand von Kantrida. Mit für kroatische Verhältnisse schwindelerregenden Wohnungspreisen von geschätzt bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter soll die Arena finanziert werden. Die Baukosten werden von den Beteiligten mit rund 150 Millionen Euro angegeben. Doch allein die dafür benötigte neue Infrastruktur wie Straßen – nur zwei kleine steile Straßen führen runter zu Stadion und Strand – dürfte ein Mehrfaches verschlingen.

Das alte Stadion Kantrida: Einen Platz in der ersten Reihe hat es sich schon gesichert Foto: EIBNER/EXPA/Imago/Jürgen Feichtner

Mit der „Rückkehr nach Kantrida“ hat Mišković geschickt nostalgische Gefühle in der Fußballstadt Rijeka angesprochen – und hat Hoffnung auf große Zeiten geweckt. Rijeka, das bisher nur in der Europa League vertreten war, soll einmal in der Champions League spielen. Während Kroatiens Nationalmannschaft dank ihrer im Ausland tätigen Starkicker zu den Besten der Welt zählt, kann die kleine einheimische Liga nicht mithalten.

Der Unternehmer präsentiert sich zugleich als urbaner Visionär: Das Vorzeigeprojekt soll Rijeka, das in den vergangenen drei Jahrzehnten um ein gutes Drittel auf nunmehr rund 100.000 Einwohner geschrumpft ist, den dringend nötigen Strukturwandel als Industrie- und Hafenstadt bringen. Mišković stellt sein Ensemble aus Hochhäusern – das größte würde mit 116 Metern das höchste in ganz Kroatien sein – kühn in eine Reihe mit Barcelona, Dubai oder Miami.

Der sozialdemokratische Bürgermeister Marko Filipović sieht eine Chance, ein vernachlässigtes Viertel und damit auch die ganze Stadt international aufzuwerten. Auch die nationalkonservative Regierung in Zagreb ist voller Lob für die Pläne.

Aufstrebende Industriestadt

Die Bürgerinitiative spricht dagegen von einem „größenwahnsinnigen“ Projekt. „Es zerstört unseren Stadtteil und die Küstenlandschaft“, sagt Ljiljana Došen, eine Mitstreiterin von Varljen. Mit seinen alten Villen, seinen Stränden und kleinen Fischerhäfen, den Alleen und dem üppigen Grün ist Kantrida ein ganz besonderes Biotop. Zum Kiez gehören auch einige auf den Hügeln verstreute Hochhausblocks, die in den 1970er Jahren unter Tito für die Arbeiter und ihre Familien gebaut wurden, die in die damals aufstrebende Industriestadt Rijeka strömten.

Der Stadtrat hat bereits erste Änderungen des Stadtentwicklungsplans GUP (Generalni Urbanistički Plan) beschlossen. Statt Sport und Erholung soll an der Küste von Kantrida, das fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt, auch eine „gemischte“ Nutzung möglich sein. Einst war Kantrida der angesagteste Strand in Rijeka, bis in der Nachkriegszeit unter Titos forcierter Industrialisierung die Verschmutzung durch die nah gelegene Großwerft „3. Mai“ das Baden unmöglich machte.

Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens gingen auch Rijekas große Industrieunternehmen bankrott. Da es in Kantrida aber inzwischen Kanalisation gibt und die Hafenindustrie an Bedeutung verloren hat, haben die Einwohner auch ohne Hilfe der Stadt Küste und Strand für sich zurückerobert.

Varljen und Došen organisieren mit ihrer Initiative Workshops für Kinder, für die am Strand ein kleiner Bücherstand eingerichtet wurde, oder Kochkurse für Erwachsene. Im Sommer sind an der Promenade abends Filme zu sehen. Ein Kneipier betreibt dort eine Strandbar, die inzwischen in Rijeka Kultcharakter hat.

Grün-liberale Partei dagegen

Im Stadtrat von Rijeka hat lediglich die grün-liberale Partei Možemo (Wir können), die in der Hauptstadt Zagreb immerhin den Bürgermeister stellt, gegen die Änderungen des GUP gestimmt. Für Nebojša Zelič, einer der beiden Stadträte, geht es aber nicht nur um Kantrida. „Der Bau von drei Hochhäusern direkt am Strand ist ein Präzedenzfall für ganz Kroatien“, sagt er. Auch unter Architekten mehren sich die Stimmen, die einen Dammbruch bei der Bebauung der Küste befürchten. Die kroatische Architektenkammer hat deshalb frühzeitig einen Wettbewerb für Architektur und Stadtplanung gefordert.

Der Investorendruck auf die für ihre Schönheit gerühmte kroatische Küste hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Mit dem Anschluss an die Eurozone im vergangenen Jahr will die Regierung Investitionen im wichtigen Tourismussektor vorantreiben. Dieser erwirtschaftet rund 20 Prozent des Bruttosozialprodukts – weltweit ein Spitzenwert. Der Euro hat aber in Kroatien die Inflation, die durch den Krieg in der Ukraine ohnehin hoch war, weiter beschleunigt. Die Preise sind zum Leidwesen der einheimischen Bevölkerung und der Touristen explodiert. Doch dem Bauboom an der Kvarner Bucht oder entlang der dalmatinischen Küste tut das keinen Abbruch.

Immobilien sind in Kroatien für Einheimische eine beliebte Wertanlage und vor allem für ausländische Investoren auch Spekulationsobjekt, da das Land keine Grundsteuer kennt. Trotz vieler illegaler Bauten ist die Küste jedoch anders als etwa in Spanien von massiver Verschandelung verschont geblieben, da in Kroatien das Meer öffentlich zugänglich sein muss – diese alte Errungenschaft des sozialistischen Jugoslawiens hat weiter Bestand.

Die Regierung in Zagreb dachte zwar im vergangenen Jahr über verbesserte Konzessionen für Hotels an den Stränden nach. Die Pläne wurden jedoch aufgegeben, nachdem Možemo mit Petitionen Stimmen dagegen sammelte. Auch in Kantrida sollen die neue Promenade und der Strand offen bleiben, versichert Rijekas Bürgermeister. Bei drei Hochhäusern und einem Hotel dürfte dies aber schwierig werden.

Nur noch dem Tourismus dienen

Als Industriestadt ist das jahrzehntelang italienisch geprägte Rijeka kein erklärtes Ziel für Touristen gewesen. Doch deren Zahl ist zuletzt deutlich gestiegen, zugleich sind die Immobilienpreise in die Höhe geschossen. Die riesigen verödeten Industriebrachen eröffnen Investoren neue Chancen in Rijeka, das 2020 Kulturhauptstadt Europas war.

Stadtrat Zelič möchte verhindern, dass Rijeka ein ähnliches Schicksal erleidet wie die südlicher gelegenen dalmatinischen Städte Dubrovnik, Split und Zadar, wo die Altstadtviertel nur noch dem Tourismus dienen. „Schon jetzt ist es auch in Rijeka für eine Familie kaum noch möglich, eine günstige Wohnung zu mieten oder zu kaufen“, sagt Zelič, der eine weitere Umwandlung von alten und neuen Wohnungen in Touristenunterkünfte an der Küste verhindern will.

Das Preisniveau in den kroatischen Ferienorten ist inzwischen oft höher als in Spanien oder Italien. Viele Kroaten können sich das Leben an der Küste kaum noch leisten. Da es an qualifizierten Arbeitsplätzen im Land ohnehin mangelt, wandern die jungen und oft gut ausgebildeten Menschen aus. Rund zehn Prozent (400.000) haben Kroatien, das inzwischen weniger als vier Millionen Einwohner hat, im vergangenen Jahrzehnt verlassen.

Der Bauboom an der Küste und die „Apartmentisierung“ haben gravierende Folgen für Infrastruktur und Umwelt: Im nur wenige Kilometer von Kantrida entfernten ehemaligen Seebad Opatija an der kroatischen „Riviera“ kann die überlastete kleine Küstenstraße die planungslose Baupolitik an den malerischen Hängen des Učka-Gebirges längst nicht mehr verkraften. Wegen der fortschreitenden Versiegelung hat Opatija in diesem Winter nach heftigen Regenfällen große Überflutungen erlebt.

Heliumballon in 116 Meter

Weil die Kommunen wenig Geld für Infrastruktur und kluge Stadtentwicklung haben, unterwerfen sie sich dem Willen privater Investoren. „Rijeka ist verzweifelt“, beschreibt Davor Mišković von der Nichtregierungsorganisation Drugo More (Das andere Meer) die Stimmung in seiner Heimatstadt, die aus der Strukturkrise nicht herausfindet.

Noch hat Loredana Varljen Hoffnung, dass das Kantrida-Projekt verhindert werden kann. Die Bürgerinitiative sammelt im 5.000 Einwohner großen Stadtteil unverdrossen weiter Unterschriften gegen den Bau der drei Hochhäuser. Am Silvesterabend hat die Gruppe ein für alle sichtbares Zeichen gesetzt. Ein Heliumballon schwebte auf genau 116 Meter hoch, um zu zeigen, wie mächtig der größte Wolkenkratzer tatsächlich werden soll. Denn HNK-Eigentümer Mišković und das von ihm beauftragte Architektenbüro haben in den Visualisierungen das Projekt „geschönt“ – oder einfach manipuliert. Statt der geplanten 35 Stockwerke sind auf den Bildern nur 14 zu sehen.

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2 Kommentare

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  • Etwas neu an die Küste zu bauen ist sowieso keine gute Idee, wenn man etwas in die Zukunft blickt. Da setzt man Naturräume, Fußwege und Radwege hin, die auch mal eine Überschwemmung abkönnen.



    Und bloß keine Kreuzfahrtterminals, Touristenlofts, ... Wer mehr Menschen unterbringen möchte, muss das Auto raushalten, kompakte und kluge Architektur belohnen, die Flächeneffizienz also wieder erhöhen. An die Küste klotzen aber nicht.

    • @Janix:

      Wenn der ganze Beton dann grün gestrichen wird und man ein paar Bäume draufmalt, ist doch alles gut - bisher hat doch Augenwischerei in Sachen Umwelt auch gereicht.