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Kriminalisierte KlimaprotesteAmnesty kritisiert Paragraf 129

Der Protest von Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen wird in Deutschland kriminalisiert. Amnesty International fordert deshalb eine Reform des Paragrafen 129 im Strafgesetzbuch.

Friedlicher Protest: Die Letzte Generation demonstriert, die Polizei steht bereit Foto: Daniel Vogl/dpa

Berlin epd | Amnesty International beklagt eine zunehmende Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit in Deutschland. Der Strafvorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung werde genutzt, um gegen friedliche Proteste vorzugehen, kritisierte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag in Berlin. Davon seien unter anderem Klima-Aktivist:innen der Letzten Generation betroffen.

Vor diesem Hintergrund fordert Amnesty eine Reform des entsprechenden Paragrafen 129 des Strafgesetzbuchs. Damit solle sichergestellt werden, dass dieser nicht gegen friedliche Protestierende angewandt werde.

Die derzeitige Auslegung des Paragrafen sei aus menschenrechtlicher Sicht problematisch. Bereits ein anfänglicher Verdacht erlaube es den Ermittlungsbehörden, einschneidende Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen oder Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen. Diese seien überdies nicht auf die Tatverdächtigen von einzelnen, konkreten Straftaten beschränkt, sondern könnten ihr gesamtes Umfeld betreffen.

Das habe nicht nur Konsequenzen für die Betroffenen, sondern wirke abschreckend auf ganze Bewegungen. Derzeit ermittelten etwa die Staatsanwaltschaften München und Neuruppin in Brandenburg gegen Ak­ti­vis­t:in­nen der „Letzten Generation“.

Assoziation mit organisierter Kriminalität

Nach einer Razzia bei Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Gruppe im Jahr 2022 wird dort weiterhin gegen fünf Beschuldigte ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, Attacken auf Anlagen der Ölraffinerie PCK in Schwedt im Nordosten Brandenburg verübt zu haben. Außerdem geht es um Aktionen am Flughafen BER und im Museum Barberini in Potsdam.

Die Ermittlungen sorgten „für eine Assoziation von friedlichem Klimaprotest mit organisierter Kriminalität und schrecken Menschen davon ab, von ihrem Recht auf Protest und Meinungskundgabe Gebrauch zu machen“, teilte die Letzte Generation damals mit.

„Die Kriminalisierung von friedlichem Protest ist ein Angriff auf die freie Zivilgesellschaft“, so auch die Amnesty-Expertin für Völkerrecht, Beate Streicher. Unbequemer Protest dürfe nicht rechtlich eingeschränkt werden. Aktivisten würden so eingeschüchtert und möglicherweise davon abgehalten, sich politisch zu engagieren.

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6 Kommentare

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  • Nicht die Ermittlungen sorgen fuer „für eine Assoziation von friedlichem Klimaprotest mit organisierter Kriminalität", sondern die begangenen Straftaten, zB die Gefaehrdung des Flugverkehrs am BER.

  • > Die Kriminalisierung von friedlichem Protest ist ein Angriff auf die freie Zivilgesellschaft

    > Attacken auf Anlagen der Ölraffinerie PCK in Schwedt im Nordosten Brandenburg verübt zu haben. Außerdem geht es um Aktionen am Flughafen BER und im Museum Barberini in Potsdam.

    Was denn nun? Oder geht es schlichtweg mal wieder darum, dass der Zweck die Mittel heiligt? Die genannten Beispiele (und das ist ja nur ein Auszug) zeigen doch zu 100%, dass es eben nicht friedlicher Protest ist.

  • Der §219 ist sicher als Vorsorgestrafvorschrift eingeführt worden.



    So läßt er sich doch noch umfangreicher einsetzen. So. zB. gegen Hausbesetzer, gegen Streikende, die ein großes oder auch kleines Unternehmen an der Produktion behindern.



    Es lassen sich noch mehrere Beispiele anführen....



    Diese Regierung hat schon einmal vorgesorgt, falls die sozialen Auseinandersetzung sich in unserem Land zuspitzen. Sollte die AfD mal eine Mehrheit bekommen, selbst in einer Landesregierung, wäre das Feld schon durch unsere "Demokraten" bereitet gegen Organisationen und ihr Umfeld vorzugehen....



    Auch hat die damalige Regierung auch anderen NGO`s die Gemeinnützigkeit aberkannt, mit der Wirkung, dass diese sich nur schwer finanzieren können und dies bereits andere NGO`s aus dem politischen Raum zurückgezogen haben (siehe FR von heute)... Bedenkliche Zeiten für die demokratischen Grundrechte!

  • Freiheitsberaubung, die Störung des Flugverkehrs und die Beschädigung von Kulturgütern sind kein friedlicher Protest. Hier wurde zurecht ermittelt.

    Die Mittel sind auch bei einer Thematik, die man ansonsten unterstützen würde, zu beachten. Wir haben bereits gesehen, dass es aus jeder politischen Richtung ausgenutzt werden kann.

  • Vielen Dank, Amnesty. Einzelne strafbare Handlungen können weiterhin verfolgt werden, aber es ist absurd, wenn jede Person, die mit der LG assoziiert ist oder Kontakt hält, ausspioniert werden kann.

  • Nicht die Sammelbewegung Letzte Generation haben zur Einordnung geführt, sondern die ORGANISIERTEN Straftaten. Unter vollem Bewusstsein, dass Straftatbestände erfüllt sind.

    Schon um die Justiz nicht unnötig zu belasten ist § 129 hier sinnvoll.