Deutsche Autobauer auf Pekinger Messe: Das wird ein Marathon

Bei der E-Mobilität sind die Chinesen der Konkurrenz davongefahren. Können die deutschen Platzhirsche bei der Automesse in Peking mithalten?

Ein Mann reinigt ein Auto auf der Messe Auto China 2024 in Peking

Der Preiskampf auf dem Automarkt in China ist brutal: Nur Marktführer BYD verdient wirklich Foto: Tingshu Wang/reuters

BERLIN taz | Wenn Automanager vom berüchtigten „China-Speed“ schwärmen, dann kommt einem sofort der 54-jährige Lei Jun in den Sinn. Vor gerade mal drei Jahren gab der Xiaomi-Gründer bekannt, nun auch ins E-Auto-Geschäft einsteigen zu wollen. „In den letzten 10 Jahren haben wir sehr gute Handys gemacht. Ich bin mir sicher, dass wir auch sehr gute Autos produzieren werden“, sagte Lei.

Am Donnerstagmorgen steht er mit breitem Lächeln auf der Bühne seines Messestandes, umzingelt von Influencern, Journalisten und Krawattenträgern. Lei Jun hat mit dem brandneuen SU7 den wohl größten Hype der Branche kreiert; eine futuristisch designte Limousine, die umgerechnet 30.000 Euro kostet. Nun verkündet Lei stolz, dass bereits mehr als 75.000 Vorbestellungen bei Xiaomi eingegangen seien und über 5.000 Fahrzeuge ausgeliefert wurden.

Damit hat er die Stoßrichtung für die am Donnerstag eröffnete Auto­show in der chinesischen Hauptstadt vorgegeben. Als wichtigste Branchenmesse im größten Automarkt der Welt gilt die Veranstaltung als Gradmesser für die Mobilität der Zukunft. Wie kein anderes Land der Welt hat Chinas Staatsführung früh mit einer flächendeckenden Industriepolitik den Grundstein für die Elektrowende gesetzt. Nun stellen in der Hauptstadt 1.500 – meist chinesische – Konzerne ihre neuesten Errungenschaften vor, allein 120 neue Fahrzeugmodelle werden in den nächsten Tagen präsentiert.

Volkswagen legte mit dem ID.Code immerhin ein Konzeptauto vor, das ästhetisch und technologisch die Richtung für künftige E-Modelle in China vorgeben soll – mit integriertem Saugroboter für den Boden des Innenraums. „Dass die großen Fische die kleinen Fische auffressen, gehört der Vergangenheit an. In China gibt es das Sprichwort, dass es die schnellen Fische sind, die die langsamen auffressen“, sagt Ralf Brandstätter.

VW-Verbrennergeschäft läuft solide

Der VW-China-Chef hat an diesem wolkenverhangenen Vormittag in das Pekinger Phoenix Center geladen, ein Gebäude wie eine Möbius-Schleife. Inmitten des futuristischen Settings versucht der Braunschweiger Manager nun, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, wie er die Aufholjagd zur chinesischen Konkurrenz gewinnen kann. Denn während die Wolfsburger zwar ein solide laufendes Verbrennergeschäft am Laufen haben, sind sie im Bereich der E-Autos nur noch einer unter vielen Anbietern: Unter fünf Prozent liegt ihr Marktanteil in China.

Zumindest habe man genug Rücklagen für einen langatmigen Marathonlauf, sagt VW-Chef Oliver Blume. „Es ist wie beim Sport: Wenn man gute Konkurrenten hat, muss man besser werden. Das treibt die Industrie an.“ Für die Aufholjagd setzt der Konzern praktisch alles auf die China-Karte: Die Entscheidungen werden zunehmend autonom in der Volksrepublik getroffen, die Forschung vor Ort lokalisiert und gemeinsam mit chinesischen Partnern wird die Software- und Batterieproduktion vorangetrieben.

Gleichzeitig machen sich die deutschen Autobauer keine Illusionen, dass die nächsten Jahre nicht hart werden: Bis 2026 befinde man sich in einer „Stabilisierungsphase“, der große Angriff werde erst im Jahr 2030 erfolgen. Dann nämlich werde Volkswagen 30 neue batteriebetriebene Modelle auf dem chinesischen Markt lancieren.

Die Spitzenposition lässt sich BYD wohl nicht mehr nehmen. Unter riesigem Medieninteresse hat der Autobauer mit Sitz in Shen­zhen am Donnerstag seine neusten Modelle präsentiert; darunter auch ein Elektroauto für unter 10.000 Euro. Da die Chinesen von der Batterieproduktion bis hin zu den exportierenden Containerschiffen alles selber kontrollieren, kann ihnen preislich niemand so schnell das Wasser reichen. „Build Your Dreams“ ist der vielleicht einzige chinesische Elektrobauer, der derzeit wirklich profitabel ist. Bei den meisten Konkurrenten ist das boomende Geschäft weiterhin eine Wette auf die Zukunft: Der Markt wurde durch die massive Subventionspolitik der chinesischen Regierung derart aufgeheizt, dass sich in den letzten Jahren ein beispielloser Preiskrieg entfacht hat.

Chinesische Autobauer exportieren vor allem in die EU

Umso stärker ist derzeit der Anreiz für chinesische Unternehmen, ihre Überkapazitäten in die führenden Industrienationen zu exportieren – vor allem in die Europäische Union. Allerdings untersucht die EU-Kommission derzeit die mutmaßlich wettbewerbsverzerrende Subventionspolitik der Chinesen.

In den riesigen Hallen des „China International Exhibition Center“ scheint der drohende Handelskrieg mit Europa noch weit weg. Euphorisch laufen Tausende In­flu­en­ce­r:in­nen mit riesigen Smartphonestativen durch die Gänge. Am Donnerstagmorgen sind jedoch viele Besucher der Autoshow zu spät gekommen. Wer mit einem Pkw angereist ist, blieb auf dem Weg zum Messegelände am nordöstlichen Stadtrand in einem kilometerlangen Stau stecken. Pünktlich kamen nur diejenigen an, die die U-Bahn wählten.

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