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Online-OrganspenderegisterKeine falsche Skepsis

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Es gibt berechtigte Bedenken gegen das neue Organspenderegister. Dennoch ist es notwendig, denn die Zahl der Spen­de­r:in­nen ist erschreckend niedrig.

Den Papierausweis kann man auch wie bisher bei sich tragen Foto: Paul von Stroheim/imago

D ie Emotionen kochen mal wieder hoch. Diesmal treffen sie das Organspenderegister, in dem man seit Montag melden kann, ob man nach dem Tod seine Organe spenden möchte. Aha, jetzt werde ich also gezwungen, meine Leber, meine Niere, mein Herz jemandem zu geben, den ich gar nicht kenne. Das jedenfalls glauben manche. Was, wenn ich das gar nicht will? Und überhaupt: Sind meine Daten im Onlineportal vor dem Zugriff Unberechtigter sicher?

Ängste wie diese sind durchaus berechtigt. Vieles, was digital verfügbar ist, lässt sich missbrauchen. Auch die Sorge über einen zu schnellen Eingriff sollte häufiger besprochen werden. Denn bei Transplantationen kommt es auf wenige Stunden an. Dauert die Suche nach dem Beleg für die Zustimmung zu einer Organspende zu lange, kann eine Transplantation hinfällig sein, weil das zu spendende Organ bereits abgestorben ist.

Allen Sorgen zum Trotz: Das Register ist sinnvoll, es kann Leben retten. 8.496 Menschen stehen der Stiftung Organspende zufolge in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan, die meisten von ihnen benötigen eine Niere. 2022 gab es in der gesamten Republik 869 postmortale Organspender:innen, 2.695 Personen wurde durch eine Transplantation geholfen. Jeden Tag sterben zwei bis drei Menschen, weil sie kein Organ bekommen. Auf eine Million Ein­woh­ne­r:in­nen kommen nur 10,3 Spen­de­r:in­nen.

Es braucht mehr Spen­de­r:in­nen. Trotzdem wird niemand gezwungen, nach dem Tod Teile seines Körpers weiterzugeben. Ein Nein zur Organspende, egal ob im neuen Register, im Spenderausweis oder als Hinterbliebenenerklärung dokumentiert, hat nach wie vor Bestand – und wird genauso ernst genommen wie das Ja.

Auch der Datenschutz bleibt gewahrt – soweit das möglich ist. Auf die Daten können nur die spendende Person und das berechtigte Klinikpersonal zugreifen. Wem das zu unsicher ist, der kann seine Zustimmung – oder seine Ablehnung – auch wie bisher in dem Papierausweis bei sich tragen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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26 Kommentare

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  • Als Österreicherin verstehe ich die Angst der Deutschen vor der Widerspruchsregel so gar nicht.

    Bei uns gilt diese seit Jahrzehnten und wir haben keine diesbezüglichen Probleme mit Grundrechten, Menschenwürde etc bzw diese Probleme gelöst.

    Warum dieser Widerstand gegen eine grundvernüftige Regelung! Weil die heiligen Organe lieber verfaulen sollen, als Todkranken das Leben retten?

  • Für Datenbanken und anderen IT-Systeme gilt dasselbe wie für physische Gebäude: Die Frage ist nicht, ob sie sicher sind, sondern wie lange es dauert, bis jemand es schafft einzubrechen.

    Ich kann zwar zunehmend mehr Aufwand treiben, um Datenbank oder Gebäude sicherer zu machen, aber wenn es Einbrechern lohnend genug erscheint, werden sie irgendwann einen Weg finden, reinzukommen.

    Daher folge ich der Empfehlung der DSGVO, so datensparsam wie möglich zu sein und werde meine Daten dort nicht hinterlegen, obwohl ich schon lange einen Organspendeausweis mit mir rumtrage und das weiterhin tue.

    Anstelle der Datenbank sollte die Politik lieber mehr Werbung für Organspende machen und darauf hinweisen, wie wichtig es ist, den Ausweis immer dabei zu haben.

  • Häufig hört maus, daß nicht die Spendebereitschaft zu niedrig sei, sonder die Bereitschaft zu Organentnahme, die nicht überall gleich gut organisiert ist und zudem schlecht entlohnt wird.

    Auch fehlt meiner Ansicht etwas Ehrlichkeit. Die Propagation der Organspende durch das Gesundheitssystem hat in erster Linie monetäre Gründe. Eine Nierentransplantation z.B. kostet einen Bruchteil der Dialysekosten.

    • @0 Substanz:

      Die Lösungen sind vielfältig, auch "Xenotransplantation"



      /



      www.sueddeutsche.d...1-240322-99-424106



      /



      Letzten Samstag im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in Boston:



      "Erstmals weltweit ist Medizinern zufolge einem Menschen erfolgreich eine Schweineniere als Ersatzorgan eingesetzt worden. Der an einer lebensgefährlichen Nierenkrankheit leidende Mann habe das genetisch veränderte Organ am Samstag eingepflanzt bekommen, teilte das Massachusetts General Hospital in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts mit. Die Operation habe vier Stunden gedauert, der Patient erhole sich gut und werde wohl bald entlassen werden können."



      Ist ja "sehr beruhigend", hatten wir schon als Analogie.



      /



      "TRANSPLANTATION



      Spenderorgane aus dem Schwein



      Schöne neue Welt? Gene-Editing-Technologien haben der Xenotransplantation zu neuem Schwung verholfen."



      www.spektrum.de/ne...em-schwein/1390458



      Aus 2015

  • Bei Organspendern könne sich der Staat mit 5000 Euro an den Beerdigungskosten beteiligen, als kleinen Anreiz.

    • @Stoffel:

      Staatlicher Organhandel?

  • Dass die Organspenderquote hier so niedrig ist, ist ein Verdienst der konservativen Schwatten.



    Es lohnt sich mal etwas rumzuklicken und sich die Geschichte des Transplantationsgesetzes insbesondere der Einwilligungsregelung anzuschauen.

    Denn wie üblich haben die Schwatten nichts gegen die irrationalen Ängste getan Organe könnten entnommen werden obwohl der Spender noch nicht wirklich tot ist.



    Ganz im Gegenteil. Sie haben damals durch nebulöse Andeutungen und gestreute Vermutungen diese Angst noch forciert.

    • @Bolzkopf:

      Die "Schwatten" wollten unter Spahn eine allgemeine Organspendepflicht einführen nach Österreichischem Vorbild. Die Fortschrittsparteien Grüne, SPD und Linke haben das verhindert.

  • Lauterbach hat mit seinem dummen Verweis bei der Pressekonferenz, dass das das Register aus seiner Sicht auch als eine "Vorbereitung" auf eine Widerspruchslösung gesehen werden soll, der Sache keinen guten Dienst erwiesen, da er damit ja genau die Befürchtungen in der Bevölkerung bestätigt hat, sich nicht für die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung, und in diesem Fall nicht mal um die Mehrheitsmeinung des Bundestags zu interessieren.

    Was in seiner Lösung leider fehlt, ist eine klare Beschreibung, wie denn bei einer Widerspruchslösung sichergestellt sein soll, dass Menschen, die heute nicht mal Blut spenden dürfen, weil sie krank sind, oder einfach zur falschen Zeit in England waren (ja, auch dann wird man wegen dem Creutzfeld-Jakob-Risiko gesperrt) nicht als unfreiwillige Organspender eingesetzt werden.

    • @Torben2018:

      Man wird bei jeder Spende, jedweder Art, im Vorfeld gefragt (Fragebogen), ob man irgendwelche Erkrankungen mit sich rumschleppt. Wenn ich meine Krebs OP nicht Freiwillig angegeben hätte, würde ich wahrscheinlich heute noch Blut spenden.



      Dieses System basiert also hauptsächlich auf Freiwilligkeit. Ich denke, dass es dann auch eine Art „Onlinefragebogen" bei der Organspende geben wird und nicht, wie bisher im ominösen Ausweis, im groben nur ja oder nein angekreuzt wurde. Naja, 'n kleiner Fortschritt. Wie gesagt, alles Freiwillig.

  • Was es braucht ist eine Nichtspenderliste. Jeder ist erstmal Organspender. Es geht schliesslich um das geborene Leben. Die Berechtigung seine Organe nicht zum Schutz von geborenem Leben herzugeben, muss nach einer Pflichtberatung von einer Ethikkommission gewährt werden.

    Jeder auf der Nichtspenderliste verliert automatisch das Recht Organempfänger zu werden.

    • @The61YearOldHippy:

      Vermutlich wird dieser Vorschlag es vor Ethikkommissionen schwer haben.

      Eine angemessene Bonuspunktzahl bei der Organvergabe für Organspender ist eventuell leichter zu rechtfertigen.

  • Es wäre sicher hilfreich, wenn es mehr Transparenz im Blick auf die Verteilung der Organe an die Empfänger geben würde. Ich erinnere mich, dass ein reicher adliger Greis aus Regensburg in einer Woche zwei Spenderherzen erhalten hat. Es hat ihm nichts gebracht, er ist trotzdem gestorben und meine Spendenbereitschaft war damit beendet.

  • Der Einsatzbereich von Eurotransplant ist transnational, das erweitert den Radius und erleichtert die Suche nach passenden EmpfängerInnen.



    /



    "2022 gab es in der gesamten Republik 869 postmortale Organspender:innen. Das heißt, nur 869 lebende Menschen haben ein neues Organ bekommen."



    Dazu als Quelle



    www.aerzteblatt.de...in-Nachbarlaendern



    „Deutschland importiert viel mehr Organe aus dem Ausland, als es einbringt“, sagte Anthuber. Allein bei der Niere wären es etwa 200 Organe mehr pro Jahr, die Deutschland über Eurotransplant importiere im Vergleich zu Spendernieren aus Deutschland. Zum Organimport gebe es jedoch keine guten Analysen, räumt er ein. „



    Für manche als "Einstieg" in das Thema geeignet ist vielleicht die Registrierung als KnochenmarkspenderIn, das ist Lebendspende durch eine Übertragung von Blutstammzellen, ähnlich einer Blutspende, die eigentlich auch eine "Art Transplantation" ist. So kann mensch lebend Leben retten bei Blutkrebserkrankungen.



    Dazu:



    www.dkms.de/



    /



    Informationen zur Organspende sind im Netz vielfältig abrufbar, auch zu den Leben als EmpfängerIn, unabhängig von Dialyse oder außerhalb von Intensivstationen.

  • „2022 gab es in der gesamten Republik 869 postmortale Organspender:innen. Das heißt, nur 869 lebende Menschen haben ein neues Organ bekommen.“

    Dieses 1:1-Verhältnis von spendender und empfangender Person möchte ich gerne in Frage stellen. Irgendwo war ich dazu heute schon auf genaue Zahlen gestoßen aber kann leider die Quelle nicht finden.

    • @N. S. P.:

      Keine Ahnung woher Sie das Zitat haben, so steht's im Artikel:

      "2022 gab es in der gesamten Republik 869 postmortale Organspender:innen, 2.695 Personen wurde durch eine Transplantation geholfen."

  • Für eine Organspende muss immer erstmal jemand sterben. In der Regel sind das wohl Unfalltote, weil bei Menschen, die an Krankheiten sterben, die Organe wohl eher nicht geeignet sind.



    Frage: Gibt es überhaupt genug Tote, die als Spender geeignet sind? Ist der Begrenzungen Faktor wirklich die fehlende Einwilligung? Und müssten wir nicht eigentlich alles tun, um die Zahl solcher Todesfälle zu verringern?

  • Und warum verkündet Herr Lauterbach dann, dass man den Papierzettel weiter spazieren tragen soll?



    Gilt das online Register nun doch NUR MIT zusätzlichem Zettel??



    Das wäre ein Stück aus dem Tollhaus mit wieherndem Amtsschimmel davor.

    • @So,so:

      Vielleicht einfach nur: doppelt hält besser?

    • @So,so:

      Gehen Sie doch mal auf die Webseite des Registers. Da ist alles sehr gut beschrieben.



      Dann braucht man hier auch nicht zu fabulieren.

  • Die Spendenbereitschaft über ein solches Onlineregister hochzutreiben, bedeutet, ein soziales Problem technisch lösen zu wollen. Das mag kurzfristig in gewissen Umfang funktionieren, ist aber keine Lösung. Dass die Spendenbereitschaft seit Jahren trotz immer wieder laufender Spendenkampagnen zurückgeht, hat ja keine technische Ursachen, sondern vermutlich politisch-ökonomische. Sprich, die Vereinzelung und Entsolidarisierung von Menschen im fortgeschrittenen Kapitalismus.



    Der Papierausweis dürfte zudem weit sicherer sein als das Onlineregister. Bei der Anzahl an Firmen und Ämtern, deren Systeme gehackt werden, dürfte es klar sein, dass es Sicherheit im Netz so nicht gibt. Zumal es in jeder Klinik ja mehrere Menschen gibt, die von mehreren Rechnern aus auf so eine Liste zugreifen können. Da bietet sich mehr als genügend Angriffsfläche.



    Aber was ist denn zu erwarten außer instrumentellem Denken?

  • Wie naiv zu glauben, dass durch eine Onlinespenderliste die Spenderanzahl nach oben gehen wird. Seltsame Logik.



    Vermutlich ist die "Papierliste" chaotisch genung und nicht praktikabel genug, um schnell genung reagieren zu können.



    Aber das sind eben zwei verschiedene Dinge - Schnelligkeit und Menge.

    • @Sonnenhaus:

      und bisher gibt es weder eine „papierliste" noch ein „papieregister", sondern nur spenderausweise. das heißt, das, wenn man spenden will, ständig seinen organspenderausweis bei sich haben muss.

      bisschen mehr mit dem thema befassen, bevor man schwurbelt.

    • @Sonnenhaus:

      Genau dies ist in andern Ländern damit passiert. Das hat damit rein gar nichts mit Naivität zu tun.