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Vorschläge des Bürgerrats ErnährungBundestag streitet über Schulessen

Die Empfehlungen des Bürgerrats „Ernährung im Wandel“ sorgen für Diskussionen im Parlament. Ob die Vorschläge verwirklicht werden, ist unklar.

Für manche Kinder schon Realität: Mittagessen in einer Schulkantine in Nordrhein-Westfalen Foto: Ralf Rottmann/Funke Foto Services/imago

Montpellier taz | Eine „elementare Gerechtigkeit“ ist es für SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. Das kostenlose Mittagsessen für alle Kita-Kinder und Schü­le­r:in­nen stehe nun „im Aufgabenheft“ des Bundestags, sagte Grünen-Politikerin Renate Künast. In der Parlamentsdebatte am Donnerstag unterstützten damit beide eine zentrale Forderung des Bürgerrats „Ernährung im Wandel“.

Um die Jahreswende hatte dieses Gremium erstmals offiziell beim Parlament getagt. Die 160 teilnehmenden Bür­ge­r:in­nen waren aus den bundesweiten Melderegistern ausgelost worden. Ihr Bürgergutachten ist nicht bindend für den Bundestag, muss von den Abgeordneten aber debattiert werden. Das Gremium hatte unter anderem ein möglichst verpflichtendes staatliches Label für Lebensmittel zu den Aspekten Klimaschutz, Tierwohl und Gesundheit sowie die Abschaffung der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse empfohlen.

Für die Debatte standen knapp anderthalb Stunden im Plenum zur Verfügung. Der Forderung nach dem kostenlosen Schulmittagessen schloss sich auch Amira Mohamed Ali an, die Co-Vorsitzende des Bündnisses Sarah Wagenknecht. Sie wies daraufhin, dass die jüngeren Schulkinder in Berlin bereits davon profitierten, als Errungenschaft der früheren rot-rot-grünen Stadtregierung.

FDP dagegen

Die Gratiskost in Berlin sei keine gute Idee, sagte dagegen Clemens Hocker von der FDP. Viele der kostenlosen Essen würden einfach weggeworfen, weil die Kinder sie nicht in Anspruch nähmen. Im Übrigen sei es ungerecht, dass Kinderlose und Bür­ge­r:in­nen mit niedrigen Einkommen via Steuern die Ernährung der Kinder wohlhabender Eltern mitfinanzierten. Auch Petra Nicolaisen (CDU) kritisierte den Vorschlag: Die Kosten würden die Kommunen überfordern.

Neben den Empfehlungen des Bürgerrats diskutierten die Abgeordneten auch die Grundsatzfrage: Sind solche ausgelosten Gremien nötig? Ja, argumentierte Grünen-Abgeordneter Leon Eckert, Bürgerräte würden dem verbreiteten Eindruck entgegenwirken, die politische Elite koppele sich von der Bevölkerung ab.

Zudem bildeten ausgeloste, annähernd repräsentativ besetzte Beratungsgremien die vielfältigen Meinungen der Bür­ge­r:in­nen besser ab als andere Beteiligungsformen. Philipp Amthor von der CDU kritisierte dagegen eine „Aushöhlung des Parlamentarismus“. Der Bundestag sei der „beste Bürgerrat“. Sein Fraktionskollege Hermann Färber äußerte sich positiver. Er ist Vorsitzender des in dieser Sache federführenden Agrarausschusses. Dorthin und in weitere Bundestagsgremien wurde das Thema überwiesen. Es ist derzeit völlig unklar, ob und welche Empfehlungen umgesetzt werden.

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21 Kommentare

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  • Die Vermischung der Themen Schulessen und Bürgerräte zu einem Brei tut beiden Themen nicht gut

  • Kostenloses Mittagessen ist erstmal eine gute Idee, aber ich fürchte das wird sich nur schwer umsetzen lassen zwischen Bund und Ländern. Und die Schulen müssen das am Ende auch umsetzen können. Es ist ja so schon schwierig genug überhaupt einen reibungslosen Unterricht aufrecht zu erhalten.



    Und beim Speiseplan wird es dann auch endlose Diskussionen geben bis man sich auf einen Standard einigt.

  • "... argumentierte Grünen-Abgeordneter Leon Eckert, Bürgerräte würden dem verbreiteten Eindruck entgegenwirken, die politische Elite koppele sich von der Bevölkerung..."

    Wenn das die Erkenntnis ist, sollte man die Schlussfolgerung etwas weiter ziehen als zum Mittagessen -> weniger politische Elite.



    Das kann man über verschiedene Wege erreichen, zB Bürgernäher, zB weniger Politiker.

  • Warum soll der Staat, also wir Steuerzahler, die Ernährungskosten der Kinder übernehmen?



    Als Eltern sorge ich dafür, dass sie genügend Nahrung zu Hause bekommen und auch dabei haben.



    Nein, ich habe noch nie FDP gewählt und werde das auch nie tun.

  • Es wäre besser kostenlose Kita Plätze in allen Bundesländern zu schaffen. Es werden zum Teil horrende Beiträge verlangt. Nur mit einem kostenlosen Essen ist den berufstätigen Eltern nicht geholfen.

  • Ernährungslehre müsste ein Hauptfach in den Schulen sein, und zwar so gestaltet, dass das neu Gelernte nicht nach dem Klingeln wieder gelöscht wird wie z. B. beim Verkehrsunterricht. Im besten Fall sollte eine echte Prägung in Sachen Nahrung stattfinden.



    Wie das aber beim Einfluss der Nahrungsmittelindustrie und ihrer gegen alle Erkenntnisse äußerst wirksame Werbung gehen soll, weiß ich auch nicht.

  • FDP = 🤦



    Zerstört jegliche Form von Solidarität. (arme) Kinderlose finanzieren nicht Kinder (reicher) Eltern, sondern über die Verwendung von öff Mitteln würde demokratisch entschieden. Und wie war das gleich noch einmal mit der Einkommens- und Vermögensstatistiken?! Die untere Hälfte hat nichts, oder Schulden, und lebt von der Hand in den Mund.

  • Schule - Ländersache !!!!! BUNDESstag ?????

  • Es ist weniger einer Frage der Kosten, oder der Gerechtigkeit, sondern eher des „Muss das auch noch sein“? Muss der Staat die Verantwortung für das Mittagessen aller Kinder übernehmen, muss der Staat das Frühstück reichen, muss der Staat allen Kindern bis in den Abend und für alle denkbaren Lebenssituationen der Eltern ein Angebot machen? Kann sein, aber vielleicht sollte man diese Grundsatzfragen erst mal zu Ende diskutieren, bevor immer weitere Felder aus einer (vermeintlichen) Notlage heraus neu besetzt werden. Sonst geht es wie mit allen Subventionen: Was erst mal da ist, wird nie wieder wirklich in Frage gestellt.

    • @vieldenker:

      Der Staat hat doch schon entschieden, dass die Kinder über Mittag in der Schule bleiben sollen.



      Die Wirtschaft will die Arbeitskraft aller Elternteile haben, dafür müssen die Kinder auswärts verpflegt werden.



      Und diese Verpflegung muss irgendwie sicher gestellt werden.



      Hinzu kommt: Wenn wir die armutsgefährdeten Kinder aus der Spirale rausholen wollen, müssen wir alle ihnen helfen. Und gleichberechtigtes chancengleiches Lernen geht nur, wenn alle gleichermaßen gut genährt sind.

      • @Herma Huhn:

        Bleibt die Frage, ob „der Staat“ wirklich die Kostenübernahme für ale stemmen soll und muss. Gibt ja viele vom Staat organisierte bzw. gefo(e)rderte Angebote, die zumindest anteilig privat finanziert werden.

        • @vieldenker:

          Klar. Das ist sehr gerecht und fair. Kids deren Eltern über ein Monatseinkommen in fünfstelliger Höhe verfügen könnten aus der Förderung herausfallen und dafür bezahlen müssen. Das wäre in der Tat angemessen - doch was für ein Geschrei entsteht dann bei den Parteien der "christlichen" oder "freiheitlichen" Ausrichtung? Neiddebatte??

  • Es rührt mich zu Tränen, dass die FDP es ungerecht findet wenn Mindestlöhner oder Hartzer über die Steuern das Essen der Wohlhabenden finanzieren....



    Ich weiß gar nicht wie verpeilt man sein muß um so etwas zu sagen. Oder ist es die Cannabisfreigabe?

    • 6G
      696439 (Profil gelöscht)
      @Tz-B:

      Weder Cannabis noch verpeiltheit liegen hier zugrunde.



      Es ist der Geist der FDP: Wirtschafts- und Sozialpolitisches Unvermögen notdürftig unter Klientelpolitik versteckt. Eine Partei von widerwärtigen Scheinargumenten und Ideenlosigkeit.

      • @696439 (Profil gelöscht):

        Die Ideen scheinen aber bisher den Sponsoren dieser Partei zu reichen.

    • @Tz-B:

      Können schlecht sagen, dass die Kinder für ihr Essen gefälligst arbeiten sollen. Da muss man sich eben was anderes aus der Nasr ziehen.

    • @Tz-B:

      Ich finde es als Kinderloser in der Tat nicht fair, mit meinen Geldern für das Essen von fremden Kindern aufzukommen.



      Ich zahle jetzt schon mehr Steuern und einen höheren Betrag in der Pflegeversicherung.



      So langsam reicht es. Wer Kinder in die Welt setzt, sollte sich dann auch um diese finanziell kümmern können

    • @Tz-B:

      Ob es gerecht ist, dass Sprösslinge aus einem superreichen Elternhaus kostenloses über Steuern finanzierten Essen bekommen, halte auch ich nicht für notwendig. Es sollte gesund sein. Und wer wenig hat dem sollte gegeben werden. Und wer viel hat, von dem sollte genommen werden. Das ist sozial.

    • @Tz-B:

      Um an der Finanzierung beteiligt zu werden, müsste man erstmal Steuern zahlen. Richtigerweise ist das in den untersten Einkommensgruppen wenig. Das geförderte Schulessen dürfte also kaum etwas an dem Solidaritätsprinzip ändern. Besser wäre es allerdings in jedem Fall das Lohngefälle zu verringern, dann muss man auch nicht ständig umverteilen. Wenn beim Schulessen statt den Eltern das Schulamt der Kunde ist, kann das für die Qualität nicht gut sein. Und wer seine Kinder nur mit Chips und Schoki füttert, dem ist eh nicht zu helfen.

  • Wenn das Parlament Bürgerräte benötigt, damit nicht der Eindruck entsteht, dass es sich von der Bevölkerung entkoppelt hat, dann ist das letztlich doch nur der Beleg, dass die politische Elite sich bereits vom Souverän abgekoppelt hat. Ich kann dem wenig abgewinnen.

    • @unbedeutend:

      Das sich unsere Mitglieder des Parlamentes von der Bevölkerung bereits abgekoppelt haben wurde gerade in dieser Debatte wieder deutlich. Zudem sollten die Damen und Herren mal mehr und schneller arbeiten, um die notwendigen Gesetzes Anpassungen zeitnah für den Souverän erledigt zu haben - oder Herr Habeck? Mehr Mitglieder im Parlament braucht es hierzu ganz sicher nicht, eher weniger um Geld für Mittagessen unserer Kinder heraus zu sparen. Das wäre doch mal ein sinnvoller Beitrag, wenn die Kommunen angeblich kein Geld dafür haben, oder?