piwik no script img

Proteste gegen LNG-Terminal auf RügenFür den Sofortausstieg aus Gas

Bald sollen die LNG-Terminals auf Rügen in Betrieb gehen. Am Freitag gibt es deswegen Proteste in Kassel, Berlin und auf der Ostseeinsel.

Schon Ende Januar hängten Aktivisten ein Protestplakat auf der Rügenbrücke auf Foto: dpa

Berlin taz | Der Widerstand gegen den Bau des Flüssiggas-Terminals auf Rügen geht weiter. Bürgerinitiativen, Umwelt- und Klimagruppen haben für Freitagnachmittag, 16 Uhr, in mehreren Orten zu Aktionen aufgerufen. Außer auf der Seebrücke der größten Inselgemeinde Binz sind Kundgebungen vor dem Bundeswirtschaftsministerium in Berlin und an der Zentrale des Pipelinebetreibers Gascade in Kassel angekündigt.

Die Proteste stehen unter dem Motto „No Fracking LNG“. Die beteiligten Organisationen fordern einen sofortigen Gasausstieg. Fossiles Gas und insbesondere Flüssigerdgas (LNG) steht auch wissenschaftlich in der Kritik. Es gilt als besonders klimaschädlich, weil es zu großen Teilen aus Methan besteht, einem hochwirksamen Treibhausgas.

Der Terminal im Hafen Mukran, einem Ortsteil von Sassnitz, soll in der kommenden Woche den Probebetrieb aufnehmen. Nach Angaben der Initiativen wird das erste von zwei Spezialschiffen zur Umwandlung des per Tanker angelieferten LNG Freitagnacht an der Ostküste Rügens erwartet.

„Seit nunmehr einem Jahr reißen die Proteste der Bevölkerung auf Rügen nicht ab“, sagt Stefanie Dobelstein von der Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen. Trotzdem erfolgten Genehmigungen im Eiltempo, Bauarbeiten seien illegal begonnen, die Schonzeit für Heringe beim Pipelinebau missachtet worden.

Bohrturm vor dem Wirtschaftsministerium

Malte Paschirbe von Fridays for Future Rügen nennt den Ausbau von Gasinfrastruktur „ein Klimaverbrechen“, das die Lebensqualität auf der Insel gefährde. Und Maja Schreiner, Sprecherin von Klimagerechtigkeit Kassel, erklärt: „Ohne Rücksicht auf Schäden für Mensch und Natur baut Gascade weiter Gaspipelines – und verbaut uns damit den Weg aus der Klimakrise.“

In Berlin wollen AktivistInnen einen vier Meter hohen Bohrturm vor dem Wirtschaftsministerium aufblasen. Er soll symbolisieren, dass die aktuelle Politik der Bundesregierung nicht nur die Flüssiggas-Importe nach Deutschland forciert, sondern auch die Ausweitung von Fracking im Süden der USA antreibt. „Die Regierung übernimmt die dreiste Lüge der Gaslobby, dass wir mehr fossiles Gas brauchen“, so Jule Fink von Ende Gelände. „Dabei ist LNG ein Klimakiller! Besonders übel ist gefracktes Gas, denn Fracking zerstört ganze Ökosysteme und macht Menschen krank.“

Für den von der Regierung als Grund für den eiligen Bau des Rügener und weiterer neuer LNG-Terminals angeführten Versorgungsnotstand bei Gas gibt es den Kritikern zufolge keinen wissenschaftlichen Beleg. Die Kapazitäten der bereits bestehenden Terminals seien lediglich zu 58 Prozent ausgelastet, die Gasspeicher in Deutschland zum Ende des Winters noch zu 72 Prozent gefüllt.

Auf den Kundgebungen sollte auch eine Rede von Christopher Basaldú, einem indigen Anti-Fracking-Aktivisten aus den USA, abgespielt werden. Erst kürzlich hat die Klimabewegung in den USA einen Erfolg errungen: Präsident Joe Biden stoppte die Genehmigung weiterer LNG-Exportterminals.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Warum verbietet man nicht endlich die Dunkelflaute?

  • Anscheinend gerät es bei manchen in Vergessenheit, eigentlich ist es offensichtlich:

    Deutschland *fehlt* Energie.



    Deutschland braucht *mehr* Energie.

    Nicht in zehn Jahren, sondern heute.

    Wie kann man da noch mehr abschalten wollen?

    Zur Illustration: Nur 18 % der Energie, die Deutschland braucht, stammt aus erneuerbaren Quellen (einschließlich z.B. Brennholz), und das nach jahrzehntelangem Ausbau.



    24 % hingegen stammen aus Gas (Stand 2022).



    Allein das macht klar, dass ein Ersatz sehr schwierig, jedenfalls langwierig wird. Daneben geht es nicht nur um die eine Zahl, wie viele Petajoule zur Verfügung stehen, sondern um vielfältige weitere technische Fragen wie z.B. Stromspeicherung und -transport, die z.T. ungeklärt sind bzw. ebenfalls Zeit brauchen.

    Deutsche Industrieprodukte legen allein durch den Wegfall russischen Gases und der Atomkraft ca. 20 % im Preis zu.



    Und das von einem bereits hohen Niveau.

    Der bisherige Preisunterschied scheint für Käufer offenbar durch Qualität, Verlässlichkeit und Währungsstabilität rechtfertigt zu sein; aus einer ähnlichen Situation zwischen Einführung des Euros und der Agenda 2010 ist bekannt, dass diese qualitativen Faktoren nicht beliebig belastbar sind, sondern die Nachfrage wegen zu hoher Preise irgendwann einbricht. Da sind wir inzwischen bereits.

    Wenn wir also jetzt aus der Industrie und dem damit verbundenen Wohlstand aussteigen, dann werden wir erst recht nicht genug Geld für einen Klima-Umbau haben.

  • Sonne, Wind und Wasser allein sind nicht in der Lage, rund um die Uhr eine zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten. Wenn wir sofort aus allem aussteigen, was CO2 (und/oder Methan) freisetzt, dann haben wir innerhalb von ein paar Tagen ein Endzeitszenario, weil immer wieder (oft nachts) stundenlang absolut nichts mehr geht.

    Verbrennen wir kein Gas, dann müssen wir Öl oder Kohle verbrennen, wobei Kohlekraftwerke in der Regel dreckiger sind und auch sehr viel



    unflexibler.

    Realitätsverweigerung löst keine Probleme.

  • Bei vielen kommt der Strom aus der Steckdose und das Gas aus einem Rohr im Keller, weiter denken sie nicht.



    Dass wir allerdings amerikanisches Frackinggas mit Schweröl-Tankschiffen über den Atlantik schippern, dabei Unmengen an CO2 durch Abkühlung/Kompression/Erwärmung und Schiffsantrieb in die Luft blasen passt so gar nicht zu den grünen Märchen, die man uns erzählt hat.

  • Na, wer wätte das alles gedacht, als man das Kreuzchen bei Grün gemacht hat. Und wen soll man jetzt bitte noch wählen??

    • @Micha.Khn:

      Die Linke. War schon bei der letzten Bundestagswahl deutlich ambitionierter mit ihrem sozial gerechten Klimaschutzprogramm

  • Klar, LNG brauchen wir doch garnicht. Wir können doch auch heimische Braunkohle nehmen!



    Alternativ: Lagerfähige Energieträger brauchen wir doch garnicht. Das machen wir doch alles einfach mit Lastmanagement! [/sark]



    Zu den angeblichen "Überkapazitäten": Geplant ist die Umstellung auf "grünen" Wasserstoff. Und der hat nun mal nur ca. 30 % der volumetrischen Energiedichte von Methan. Es muss dann also das ca. 3,3-fache Volumen durch die Terminals.



    Die Realitätsferne mancher Ökos will mir nicht in den Kopf.



    Zur Info: Ich wohne seit über 30 Jahren in einem selbst entworfenen solarautarken Haus, und dank einiger Windparkbeteiligungen ist meine CO2-Bilanz unterm Strich negativ.

  • Ich glaube nicht, dass der Großteil der Proteste wirklich von den Anwohnern kommt. Robin Wood hat z.B. in ganz Mecklenburg-Vorpommern keine "Regionalgruppe".

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Ich unterstütze die Proteste 100%ig.

    Der Weg zur Rekarbonisierung Deutschlands war und ist nicht alternativlos.

    Unmittelbar nach Ausbruch des Ukraine Krieges haben Wirtschafts- und KlimaexpertInnen darauf hingewiesen, das die beste Antwort auf die russische Aggression eine forcierter Ausbau der erneuerbaren Energien sein müsse.



    Nur damit läßt sich eine unabhängige und nachhaltige Energieversorgung sichern.

    RH's Antwort waren jedoch



    - LNG-Terminals im ganzen Land (u.a. in Laichgebieten des von Aussterben bedrohten Ostsee-Herings!)



    - langfristige Lieferverträge für umwelt- und klimaschädliches Frackinggas mit einer deutlichen Überkompensation der ehemaligen russischen Gaslieferungen



    - Lieferverträge mit unsicheren Golfstaaten



    - Geheimverträge mit RWE zur Absicherung des Braunkohletagebaus



    - Eine nachhaltige Beschädigung der deutschen Wärmewende durch eine katastrophal verfehlte Politik.

    Die Ampel ist damit nicht nur ähnlich klimaschädlich wie Union und AfD.



    Sie tut dies obendrein mit den Stimmen der vielen Millionen WählerInnen, die den Grünen ein Mandat für die Umsetzung des Pariser Klimavertrage gegeben haben.

    Und nicht für das genaue Gegenteil davon.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Da fragen Sie sich sicher, warum Robert Habeck das getan hat. Bevor man in skurrile Verschwörungstheorien abgleitet wird es langsam Zeit anzuerkennen dass der Ausbau wetterabhängiger EE kein Allheilmittel ist. Ganz im Gegenteil, das Fundament der deutschen Energiewende war immer Erdgas. Nur mit viel billigem Erdgas gehen Kohleausstieg und Atomausstieg zusammen.

  • Es ist traurig was da passiert und einfach nur zum Kopfschütteln, egal ob bei der Energieversorgung, in der Landwirtschaft oder in anderen Bereichen, die Regierung macht sich zum Gehilfen von großen Lobbyverbändn, Gesetze werden einfach ignoriert oder entsprechend angepasst. Das Leid der Menschen vor Ort, der Natur, der Tiere, völlig egal, Auswikrungen auf das Klima und ganze Ökosysteme, völlig egal....und das passiert ja nicht nur in Deutschland sondern Weltweit

  • Wer einen sofortigen Gasausstieg fordert kann seine Gasheizung ja schon mal freiwillig ausschalten. Es gibt Dinge die schlicht unmöglich sind.

    Selbst wenn der Wille da ist alle Gasheizungen zu ersetzen, die Handwerkerkapazitäten sind es nicht. Das wird viele Jahre dauern für die wir noch Gas benötigen.

    Ich habe den Einbau einer Wärmepumpe gerade erst hinter mir und muss sagen: Die Branche ist jetzt schon am Limit. Über ein Jahr Lieferzeit, chaotischer und fehlerhafter Einbau, Termine sind kaum zu bekommen und so weiter..

    • @CrushedIce:

      Das erklärt aber nicht, warum wir bei aktueller Auslastung von 58% ein weiteres Terminal brauchen.

    • @CrushedIce:

      Und ganz unerwähnt bleibt die Tatsache, dass der Großteil des Erdgases von der Industrie benötigt wird.



      Eine Vorderung ist schnell ausgesprochen, die Konsequenzen und (zeitlich!) machbaren Alternativen werden dabei wissentlich unter den Tisch gekehrt.