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Nach Einstufung vom VerfassungsschutzMaaßen droht Ärger

Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ist nun selbst Beobachtungsobjekt des Geheimdiensts. Ampel-Politiker fordern Konsequenzen.

Einst führte er das Bundesamt für Verfassungsschutz, nun steht er unter dessen Beobachtung: Hans-Georg Maaßen Foto: Martin Schutt/dpa

BERLIN taz | Nach der Einstufung des früheren Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, als Beobachtungsobjekt des Geheimdiensts fordern Ampel-Politiker*innen Konsequenzen. „Es ist eine Schande, dass jemand, der einmal einer der obersten Verfassungshüter war, nun anscheinend selbst gegen diese arbeitet“, sagte die SPD-Innenpolitikerin Carmen Wegge der taz. „Das Handeln von Herrn Maaßen am rechten Rand ist eines ehemaligen politischen Beamten unwürdig.“

Auch als Beamter im einstweiligen Ruhestand müsse sich Maaßen weiter an beamtenrechtliche Treuepflichten halten, betonte Wegge. „Ich finde deshalb die Prüfung von Disziplinarmaßnahmen richtig. Das Bundesinnenministerium als Dienstherrin ist nun gefragt.“ Es dürfe nicht passieren, dass Maaßen womöglich mit behördeninternem Wissen seine politische Arbeit unterstütze.

Auch der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich forderte dienstrechtliche Konsequenzen für Maaßen. „Wenn man bedenkt, dass Hans-Georg Maaßen qua Amt jahrelang oberster Verfassungsschützer war, ist die jüngste Einordnung als Rechtsextremist ein Alarmzeichen und wirft viele Fragen hinsichtlich seiner Amtszeit auf.“ Mit seinen „menschenverachtenden Aktivitäten“ beweise Maaßen schon länger ein distanziertes Verhältnis zur Verfassung, so Emmerich zur taz. „Jetzt ist es erforderlich, dienstrechtliche Konsequenzen ins Auge zu fassen.“ Auch der Grüne verwies hier auf das zuständige Innenministerium. „Der demokratische Rechtsstaat muss sich gegen Verfassungsfeinde wehren.“

Die Linken-Innenexpertin Martina Renner wiederum forderte einen Untersuchungsausschuss im Bundestag zu Maaßens früherer Dienstzeit. „Es ist die Pflicht des Parlamentes, öffentlich aufzuklären, ob Maaßen die Ressourcen im Bundesamt für Verfassungsschutz darauf ausgerichtet hatte, hemmungslos gegen linke und antifaschistische Kräfte vorzugehen und gleichzeitig extrem rechte Kräfte und Aktivitäten gewähren ließ oder sogar unterstützte.“

Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass Maaßen, der von 2012 bis 2018 das Bundesamt für Verfassungsschutz geleitet hat, dort nun selbst als Rechtsextremist geführt wird. Ganz überraschend kommt das nicht: Maaßen war zuletzt immer wieder mit weit rechten und verschwörungsmythischen Äußerungen aufgefallen, sprach von einer „Migrationskatastrophe“, von der „linksfaschistischen Antifa“ oder von „globalistischen Kräften“, welche die Gesellschaft zerstören wollten. Letzteres nutzen An­ti­se­mi­t*in­nen als Chiffre.

Antisemitische Narrative und wirre Behauptungen

Auf Anfrage von Maaßens Anwalt hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen ehemaligen Präsidenten schon Mitte Januar über dessen Erfassung in nachrichtendienstlichen Informationssystemen informiert. Nachdem Medien Maaßen dazu angefragt hatten, machte er selbst das 20-seitige Schreiben öffentlich.

In diesem verweist der Verfassungsschutz zu den Datenspeicherungen über Maaßen auf Paragraf 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes: Dort heißt es, dass das Amt Informationen zusammentragen darf zu Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten.

In dem Brief listet der Verfassungsschutz Äußerungen von Maaßen auf, in denen er Geflüchtete als „Goldstücke“ titulierte, welche hierzulande Deutsche „ersetzen“ sollten – es ist das rechtsextreme Narrativ des „Großen Austauschs“. Auch würden sich die „hunderttausende und Millionen Ausländer“, die ins Land kämen, „niemals, niemals in unsere Gesellschaft eingliedern“.

Aufgeführt wird auch Maaßens Behauptung eines „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“. Zudem verweist der Verfassungsschutz auf seinen Aufsatz im neurechten Cato-Magazin, der laut Fachleuten „antisemitische Narrative“ enthalte.

An anderer Stelle habe Maaßen vom „Parteienkartell“ gesprochen oder vor einem „neuen Totalitarismus“ und „grünen Fanatikern“ gewarnt, heißt es weiter. Die Regierung strebe ein „neosozialistisches Gesellschaftssystem“ an, wird er weiter zitiert. Ebenso werden seine Relativierungen des jüngsten Falls von terrorverdächtigen Reichsbürgern erwähnt, deren Festnahme Maaßen als „PR-Coup“ kritisierte. Auch sei Maaßen im November 2023 bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Lübeck aufgetreten, die der Verfassungsschutz Hamburg als rechtsextremistisch einstuft.

Skandale schon in Maaßens Amtszeit

Maaßen tat das Verfassungsschutzschreiben ab. Dieses enthalte „keinerlei substantiierte Belege, die eine Beobachtung rechtfertigen“. erklärte er auf X, vormals Twitter. Die Bundesregierung habe aber „offenkundig Angst vor mir“ und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) missbrauche den Verfassungsschutz zur Bekämpfung politischer Gegner.

Maaßen hatte selbst jahrelang im Bundesinnenministerium gearbeitet, bevor er 2012 – nach dem Sicherheitsversagen bei der NSU-Terrorserie – Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde. Dort sollte er eigentlich das NSU-Versagen aufarbeiten und Vertrauen für das Amt zurückgewinnen.

Schon in seiner Amtszeit aber sorgte er für Diskussionen. So zögerte er eine Einstufung der AfD als Prüffall hinaus und soll die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry beraten haben, wie ihre Partei einer Beobachtung entgehen könnte. 2018 musste er seinen Posten schließlich räumen, nachdem er bei den rechtsextremen Unruhen von Chemnitz Hetzjagden bestritten und von „linksradikalen Kräften“ in der SPD gesprochen hatte.

Nicht der erste Geheimdienst-Chef auf Abwegen

Nach seiner Versetzung in den Ruhestand fiel Maaßen mit immer neuen, weit rechten Äußerungen in Interviews, Aufsätzen oder Social Media Postings auf. Politisch blieb Maaßen aber bis vor Kurzem CDU-Mitglied.

Für die Partei trat er 2021 auch zur Bundestagswahl in einem Südthüringer Wahlkreis um Suhl an – und unterlag dort, trotz großer medialer Aufmerksamkeit, dem SPD-Kandidaten Frank Ullrich. Zuletzt hatte die CDU ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen initiiert und ihm eine „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen“ vorgeworfen.

Schon zuvor hatte der amtierende Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang erklärt, Maaßen schade durch seine „sehr radikalen Äußerungen“ dem Nachrichtendienst. Solche Äußerungen kenne er eigentlich nur „vom äußersten rechten Rand politischer Bestrebungen“. Und er schließe sich dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein an, der bei Maaßen „eindeutig antisemitische Inhalte“ sehe, so Haldenwang.

Seit einem Jahr ist Maaßen nun Vorsitzender des Vereins Werteunion, welcher eine stramm konservative Ausrichtung der CDU und CSU anstrebte. Erst vor anderthalb Wochen beschloss die Werteunion dann auf Drängen von Maaßen, sich selbst als Partei gründen zu wollen. Deren künftige politische Ausrichtung bezeichnet der 61-Jährige als „liberal-konservativ“, explizit schloss er eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Schon bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst soll die Partei an den Start gehen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich zu der Einstufung von Maaßen am Mittwoch und Donnerstag nicht äußern. Zu Einzelpersonen äußere man sich aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht, so eine Sprecherin.

Auch das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) äußerte sich vorerst nicht. In der Vergangenheit hatte es zu Fragen nach dienstrechtlichen Konsequenzen für Maaßen ebenfalls erklärt, zu Personalangelegenheiten nehme man nicht öffentlich Stellung. Für Beamte im Ruhestand gilt zwar nicht mehr das sogenannte Mäßigungsgebot, aber auch sie dürfen sich nicht gegen die Verfassung betätigen. Andernfalls kann ihr Ruhegehalt gekürzt oder gar gestrichen werden. Erst Ende 2023 hat die Ampel das Disziplinarrecht für Beamte verschärft.

Maaßen ist derweil nicht der einzige Verfassungsschutzpräsident, der sich auf Abwegen befindet. Auch der frühere Thüringer Verfassungsschutzchef Helmut Roewer fiel schon zu Amtszeiten mit Eskapaden auf, später äußerte er sich auf verschwörungstheoretischen Kanälen und erklärte etwa, es sei ein „Märchen“, dass die NSU-Morde rechtsextrem motiviert gewesen seien. Ludwig-Holger Pfahls wiederum, von 1985 bis 1987 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, war etliche Jahre später gar jahrelang abgetaucht und wurde mit Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung gesucht, im Kontext der Affäre um den Waffenhändler Karlheinz Schreiber. Er wurde gefasst und zu einer Haftstrafe verurteilt.

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7 Kommentare

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  • Kennt noch jemanden Horst Seehofer? Er ist in seiner langen CSU Karriere allmählich vom "linken Flügel" nach ziemlich rechts gewandert. Ich würde gerne wissen, wie er dazu steht, dass er den damals schon als undurchsichtig geltenden Hardliner Maaßen, zum Verfassungsschutzchef ernannt hat.

  • Es ist eine Schande, dass er überhaupt oberster VS werden konnte. Darüberhinaus kann ich mir nicht vorstellen, dass seine Ansichten und seine politische Verblendung damals niemandem auffiel. Da mussten viele Vieles gedeckt haben....Eine Schande.

    • @Klaus Waldhans:

      Mit absoluter Sicherheit wird jemand der für so eine Position vorgesehen ist vorher „durchleuchtet“. Chef des Verfassungsschutz ist nicht irgendwer.

  • „Es ist eine Schande, dass jemand, der einmal einer der obersten Verfassungshüter war, nun anscheinend selbst gegen diese arbeitet“

    Es ist eine Schande, das er nicht nur "nun" dagegen arbeitet, sondern auch währenddessen gegen die Verfassung gearbeitet hat. Und die Frage ist, wie viele beim Verfassungsschutz das heute noch tun (NSU, NSU 2.0 etc.).

    Und das Menschen, die auf unseren Staat vereidigt wurden und den Beamtenstatus erhalten haben, der mit nicht unerheblichen Vorteilen gesegnet ist, diesen Status weiter behalten, obwohl sie nachgewiesener"maaßen" nicht auf dem Boden unserer Verfassung stehen, ist ein ungeheuerlicher Skandal! Und damit meine ich nicht nur Maaßen, sondern z.B. auch die BeamtInnen, die an rechtsextremen Chatgruppen beteiligt sind. Die entsprechenden BeamtInnen sind nach wie vor nicht verurteilt weil die vermutlich ebenso rechte Staatsanwaltschaft in Hessen die Fälle verschleppt.

    Die TAZ hat davon ja berichtet:

    youtu.be/WO7fSpeEr1g.

    Leider sind die ModeratorInnen damals nicht weiter auf die unglaublichen Schilderungen von Frau Basay-Yildiz eingegangen. Sie schilderte damals, wie die Staatsanwaltschaft die Fälle einfach verschleppt und niemand etwas unternimmt.

    Ich finde, die TAZ sollte an diesem Fall dranbleiben und ermitteln, wer die zusändigen Personen bei der Staatsanwaltschaft und im Innenministerium sind und ob es da evtl. Zusammenhänge zur rechten Szene gibt.

    Ich fände es auch spannend, was eine Nancy Faeser dazu zu sagen hat, die ja erstens mal ständig mit dem Lippenbekenntnis herumläuft, dass die Gefahr von rechts groß ist, und sogar hessische Ministerpräsidentin werden wollte. Aber auch sie unternimmt exakt nichts in dieser Sache.

  • Maaßen erhält seit er 58 Jahre alt ist, dh seit 2018 ein hohes Ruhegehalt + kostenlose Beamtenkrankenversorgung für Nichtstun de.wikipedia.org/w...weiliger_Ruhestand

    Anders als zB Menschen die das viel geringere Bürgergeld erhalten muss er sich dabei keineswegs um eine neue Arbeit bemühen.

    > TAZ: könnt Ihr mal rausfinden wie hoch dieses Ruhegehalt für den Herrn Maaßen ist, und an welche Bedingungen es ggf geknüpft ist?

  • Soviel zur (angeblichen) Aufarbeitung der Geschichte Deutschlands. Die sog. "Entnazifizierung" ging den Beteiligten damals sehr flott von der Hand. Diejenigen die dann wieder in Amt und Würden (gerade Justiz) zurück kamen, haben dieses Gedankengut dann erfolgreich in der eigenen Familie weitergegeben. Wir können hier nur wirkliche schwer hoffen: "Erinnert Euch, fragt weiter nach und erkundigt Euch endlich nicht nur im Internet!!!" Frieden kostet nichts - Krieg, Hass und Verleumdung kosten am Ende das Leben!