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Rüstungsexporte der Ampel-RegierungMeistens leider notwendig

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Deutschland hat in diesem Jahr so viele Rüstungsgüter exportiert wie noch nie. In Anbetracht der Weltlage war das Meiste notwendig, aber nicht alles.

Berlin, 27.02.2022: Bundeskanzler Olaf Scholz vor seiner Regierungserklärung zur aktuellen Lage in der Ukraine Foto: Achille Abboud/imago

E s ist nicht das erste – und wahrscheinlich auch nicht das letzte Versprechen, das die Ampel bricht: Anstatt den Export von Rüstungsgütern wie im Koalitionsvertrag geplant einzudämmen, genehmigt sie in diesem Jahr so viele Waffenausfuhren wie noch nie. Wirklich freuen kann sich darüber wohl nur die hiesige Rüstungsindustrie. Ansonsten ist der Rekord zwar ein außenpolitischer Offenbarungseid der Bundesregierung – aber in Anbetracht der „Zeitenwende“, Russlands Krieg gegen die Ukraine, absolut notwendig. Leider.

Wenn die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen von der Wagenknecht-Gruppierung und weitere Linke die Waffenexporte nun instrumentalisieren, um gegen den „sinnlosen Abnutzungskrieg in der Ukraine“ zu wettern, verkennen diese, dass die Waffen für das angegriffene Land auch ihre Freiheiten in Westeuropa sichern.

Mehr als ein Drittel der genehmigten Ausfuhren ging an die Ukraine. Und möglicherweise müssen Berlin und Europa im kommenden Jahr sogar noch eine Schippe drauflegen, falls die USA sich wegen innenpolitischer Scharmützel zwischen Demokraten und Republikanern weiter als Sheriff der Weltpolitik zurückziehen.

Wie es richtig ist, dass 90 Prozent der übrigen Waffenexporte auf Staaten aus der EU, der Nato, Israel, Japan, Australien oder Südkorea entfallen, genauso stimmt es auch, dass Deutschland dringend ein Waffenexport-Kontrollgesetz benötigt. Denn: Weiter gibt es – wenn auch in geringem Umfang – Exporte an Diktaturen wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Katar oder Ägypten.

Für Ausfuhren in diese nicht dem westlichen Lager zuzurechnenden Staaten gilt die Ausrede der „Zeitenwende“ nur eingeschränkt. Es muss der Bundesregierung möglich sein, diese Staatengruppe auch ohne Waffenexporte halbwegs freundlich zu stimmen. Auch mit Eurofighter-Kampfjets könnte man sie wohl kaum vom „Abdriften aus dem westlichen Lager“ fernhalten, wie das die CDU insinuiert – da waren sie nie drin.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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8 Kommentare

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  • Ohne das Fass aufmachen zu wollen, warum es zu dem Krieg in der Ukraine kam:

    Die grundlegende Frage, ob es richtig oder falsch ist, Waffen in aktive Kriege zu liefern, sollte sich wohl kaum anhand der Kriegsparteien entscheiden.



    Entweder man sagt: ja, wir setzen mit Waffenexporten unsere Interessen durch.



    Oder man sagt: nein, mehr Waffen führen nur zu mehr Gewalt und die wollen wir vermeiden.



    Warum hat man nicht Berg Karabach gegen den Angriff aus Aserbaidschan unterstützt? Weil unsere Interessen dort eher auf der Seite von Aserbaidschan liegen!



    Es gibt kein Gut und Böse in der Außenpolitik. Es gibt nur Interessen.



    Und unser Interesse derzeit ist, wir nehmen Einfluss darauf, dass sich bewaffnete Konflikte entsprechend unserer Interessen entwickeln. Und dafür nehmen wir eine Eskalation der Gewalt bewusst in Kauf.

  • @FRANKENJUNGE



    Andersherum gedacht bedeutet das, dass alle Staaten Geld in ihre Rüstungsindustrie investieren müssten.



    Da finde ich Investitionen in Bildung, und Waffenkäufe, wenn nötig, bei Waffenexporteuren sinnvoller.



    Dummerweise leben in dieser Welt mehr Menschen, die Gewalt und Waffen als Lösungsmittel für Konflikte betrachten, als es unsere Erde und den Menschen darauf guttut.

  • Ein notweniger Kommentar im Angesicht des politische Notwendigen, der in seiner Kürze leider die lebensfernen Maximalpositionen nicht demaskiert.

    Es gilt der Einzelfall. Und hier kommt das Wertegerüst der freien demokratischen Gesellschaft zur Hilfe. Man muss nicht zynisch seit wie Henry Kissinger, aber doch die Kunst des politisch Notwendigen im Auge behalten. Und die eigenen Interessen. Dazu müsste man sich ehrlicher machen. Gesellschaft und Politik.

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Kaum ein Artikel verdeutlicht die Wandlung der TAZ besser.



    Es ist noch nicht sooo lange her, da hätten solche Artikel einen Sturm der Entrüstung unter den Genossen ausgelöst.

    Heute entrüstet man sich hier über Pazifisten und spricht gar einer ehemaligen Bischöfin gleich die Moral ab, weil sie für Diplomatie anstelle von Stellungskriegen eintritt.

    Früher nicht alles besser. Aber einiges schon.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Genau das macht die taz zu einem ernstzunehmend und lesenswert kritischen Medium: nicht Dogmen betonieren und alte Glaubenssätze zu streicheln, sondern sich der Realität zu stellen. Gewalt und Vernichtungsdrohungen von Akteuren mit klar terroristischer Agenda ist eben mit einem "bittebitte, Frieden ist doch viel schöner" nicht beizukommen, auch wenn das den unzähligen KDVlern wie mir, die die taz lesen, gar nicht gut schmeckt.

  • Ich glaube keine Partei hat die Wähler so über's Ohr gehauen, so an der Nase rumgeführt, hinter die Fichte geführt und schamlos angelogen wie die Grünen.

    Ich will damit keineswegs andeuten die anderne Parteien würden die Wahrheit sagen oder wären gar frei von Lug und Trug.



    Mitnichten.

    Aber die Grünen haben da ganz eindeutig den Vogel abgeschossen.



    Mit weitem Abstand



    und ohne Anstand.

  • Waffenexporte sind nie notwendig. Es sei denn, man ist Waffenhersteller.

    • @Frankenjunge:

      ...oder die geopolitische Großwetterlage macht es notwendig. Ist etwas eindimensional nur auf die Profitinteressen der Waffenindustrie zu verweisen. Die Westalliierten haben die Sowjetunion auch nicht nur deshalb in großem Stil mit Rüstungsgütern ausgestattet, weil es nützlich für die Waffenhersteller in den USA, Großbritannien etc. war. Auch Putin wird sich von seiner neoimperialistischen/-kolonialen Agenda nicht durch einen Appell an die Vernunft oder durch warme Worte abbringen lassen.