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Kampf gegen AntisemitismusPass nur mit Israel-Bekenntnis?

Sachsen-Anhalt will bei Einbürgerungen ein Bekenntnis zu Israel einfordern. Ju­ris­t:in­nen befürchten rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte.

Bei Täuschung sei eine „Rücknahme der Einbürgerung“ möglich, sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin, Tamara Zieschang (CDU) Foto: Christian Schroedter/imago

Berlin taz | Der Plan kann als eine Reaktion auf den 7. Oktober gelten, auf den Terror der Hamas und den seither wachsenden Antisemitismus in Deutschland: Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt fordert bei Einbürgerungen ein schriftliches Bekenntnis, in dem „jegliche gegen die Existenz des Staates Israel gerichteten Bestrebungen“ verurteilt werden. Mit einem Nachprüfungsrecht: „Eine arglistige Täuschung der Einbürgerungsbehörde, die zu einer rechtswidrigen Einbürgerung führt, kann die Rücknahme der Einbürgerung zur Folge haben“, erläutert Innenministerin Tamara Zieschang (CDU).

Das Bundesland ist damit Vorreiter. Doch schießt es womöglich übers Ziel hinaus?

Antworten auf diese Frage gibt ein der taz vorliegendes bisher unveröffentlichtes Arbeitspapier von 14 prominenten Ju­ris­t:in­nen mit dem etwas sperrigen Titel „Die Implementation der IHRA-Arbeitsdefinition ins deutsche Recht – eine rechtliche Beurteilung“. Verfasst worden ist das Papier mit Blick auf die Nationale Strategie der Bundesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben. Unterzeichner sind unter anderem der Hamburger Rechtsprofessor Ralf Michaels, seine Münsteraner Kollegin Nora Markard, Maximilian Steinbeis vom Verfassungsblog sowie der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag.

Die Arbeitsdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) ins deutsche Recht zu übernehmen nennen die Au­to­r:in­nen aus mehreren Gründen problematisch. Von „weitreichenden verfassungsrechtlichen Verwerfungen“ ist die Rede, von „ganz unvorhersehbaren“ Folgen für die Behördenpraxis sowie erwartbaren Verstößen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Einbürgerung auf Bewährung?

Auch Vorhaben wie jetzt das in Sachsen-Anhalt gelten im Kreis der Un­ter­zeich­ne­r:in­nen als heikel: Das dort künftig bei der Einbürgerung geforderte Bekenntnis zu Israel steht demnach „in der Regel im Widerspruch zur negativen Meinungsfreiheit – der Freiheit, eine spezifische Meinung nicht zu äußern“. Ein Autor des Papiers, der namentlich nicht zitiert werden will, sagt, die Unschärfe mache es möglich, die Einbürgerung immer unter Vorbehalt zu belassen, „immer auf Bewährung und unter Überwachung, man muss sich immer extra anstrengen, um keinen Verdacht und keinen Anstoß zu erregen“. Die in Sachsen-Anhalt geplante Praxis sei damit „zutiefst illiberal“.

Nach dem 7. Oktober gibt es weitreichendere Forderungen, Kritik an Israel als antisemitisch einzustufen. „Israel ist das Bollwerk der westlichen Welt gegen den Fanatismus“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, am vorvergangenen Sonntag bei der Kundgebung „Nie wieder ist jetzt“ in Berlin: Wer Israel daran erinnere, dass es sich an die universellen Gebote der Menschlichkeit zu halten habe, suggeriere, dies sei nötig, und leiste damit „den Verächtern Israels, den Judenhassern in aller Welt Vorschub“.

Als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Anfang November drohte, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft bei Antisemitismus den deutschen Pass abzunehmen, bekam er Beifall von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: Söders Vorschlag sei „gut, hier nimmt ein Politiker seine Verantwortung wahr“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Der Kasseler Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano, der das Arbeitspapier der 14 Ju­ris­t:in­nen ebenfalls unterzeichnet hat, sagt der taz mit Blick auf die Pläne in Sachsen-Anhalt, aber auch beispielsweise die Forderung Söders: „Die Warnung aus unserer Stellungnahme gilt auch für all diese Regelungsvorschläge. Sie beinhalten massive und in der Regel offensichtlich rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte.“

Das geforderte Bekenntnis zu Israel sei zu unspezifisch, sagt er weiter: „Was ist berechtigte Staatskritik und was eine sich gegen das Existenzrecht Israels richtende Bestrebung? Wie soll man die Authentizität eines inneren Bekenntnisses kontrollieren?“ Fischer-Lescano äußert einen Verdacht: Die Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland verkomme „in bestimmten Kreisen zu einer Chiffre für antiislamischen Rassismus“.

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10 Kommentare

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  • Ich finde viele Äußerungen von Josef Schuster intelligent und treffend, von einer hohen Ethik getragen. Das mit dem „Bollwerk der westlichen Welt gegen den Fanatismus“ finde ich aber völlig daneben - das ist genau die Selbstgerechtigkeit der sog. 1. Welt: Ein erreichter hoher Wohlstand und eine ebensolche Arbeitsproduktivität machen es wesentlich einfacher, der Bevölkerung auch weitreichendere Rechte zuzugestehen. Bzw.: Die (arbeitende) Bevölkerung kann bei Wachstum und Boom auch besser Rechte erkämpfen (in einer Art Selbstbeweihräucherung, nicht ohne rassistische Selbstbespiegelung à la „ „Wir“ habens halt drauf“ wird manchmal versucht zu suggerieren, es sei umgekehrt, Demokratie lasse die Kassen klingeln). Vor allem aber: Israel ist einer von ca. 200 Staaten weltweit. Es möchte doch ein Land wie alle anderen sein, oder? Ich denke, die Sehnsucht nach mehr Normalität des Alltags, Sicherheit und Frieden sind dort groß. Was gegenwärtig passiert, ist schrecklich und eine Normalität wird wohl noch schwerer werden. Warum sollte dies mit ‚Leuchtfeuer des Westens“-Ideen noch wesentlich erschwert werden? Wäre es nicht eben das Ziel, auch mit weniger ‚vorbildlich organisierten‘ Gesellschaften (zumal in der Nachbarschaft) existieren zu können. Parallel, ohne sich etwas Böses zu wollen, ohne Dünkelhaftigkeit. Und warum eigentlich dieses Lob für den „Westen“? Kommt der Antisemitismus nicht aus Europa und Nordamerika, den Zentren, die seit Jahrhunderten weltweit (noch) den Ton angeben? Dass der kommunistische Block sehr antizionistisch (und z.T. auch antisemitisch) agiert hat, muss natürlich auch gesehen werden; da blieben eben nur die USA als wirkliche Garantiemacht, o.k. . Aber wie ist es jetzt? Sollte der „Bollwerk-Doktrin“ (kein wörtliches Zitat) zufolge z.B. darauf verzichtet werden, eine mögliche Vermittlerfunktion Chinas z.B. von vorneherein als abwegig und nicht mit den eigenen Werten vereinbar angesehen werden? Warum? Siehe oben.

  • Ausgerechnet Sachsen! Naja, geschenkt. Der Vorschlag ist jedenfalls nicht nur arg aktionstisch, sondern auch in der jetzigen Fassung rechtlich mehr als fragwürdig. Der Einbürgerung zuwider stehen können generell keine Gesinnungen, soweit diese, also ihre Äußerung nicht eine Straftat darstellen. Da kommen natürlich schon Volksverhetzung, Beleidigung, Holocaust- Leugnung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und einiges mehr in Frage. Das muss aber definiert werden, das kann auch neu definiert werden, z B. inklusive des "from the River ... " - Spruches, aber auch da muss es natürlich einen Rechtsweg geben. Das Verlangen nach einem pauschalen Israel- Bekenntnis verstößt ganz sicher gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.

  • Auch die politische Farbenlehre besteht nicht nue aus SCHWARZ/Weiß

  • Wenn die Existenz Israels und das Hegen einer antisemitischen Gesinnung so wichtige Fragen sind, dann sollte das im Grundgesetz und den einfachen Bundesgesetzen geregelt werden. Insbesondere wüsste man dann auch verbindlich was die „Staatsräson“ und „Antisemitismus“ im rechtlichen Sinn überhaupt bedeuten und welche Konsequenzen es gibt. Wobei ich doch mal in Frage stellen wollte, ob „Gesinnung“ allein schon verfolgt werden kann und sollte, soweit sie sich nicht nach außen äußert.

  • da passt was nicht zusammen

    „Israel ist das Bollwerk der westlichen Welt gegen den Fanatismus“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster....

    "Nuking Gaza is an option, population should ‘go to Ireland or deserts’" Heritage Minister Amichai Eliyahu says

  • Nun, wir haben sechs Millionen Juden umgebracht, davon 1,5 Millionen Kinder.

    Sechs Millionen weitere waren allein in Europa geplant, zusätzlich eine Million im Nahen Osten.

    Klar, dass Deutschland eine enorme Verpflichtung hat Israel und alle Juden dieser Welt zu unterstützen.

    Dem kommt Deutschland schon seit einigen Jahren nicht mehr nach und hat es zugelassen, dass Judenhass sich auf den Straßen ausbreitet, Juden attackiert werden.

    Aus dem Nie-wieder-Land ist ein Schon-Wieder-Land geworden.

    Shame!

    Tatsächlich sollten sich Politiker etwas einfallen lassen um Juden zu schützen.

    Rapido und whatever it takes!

    Ob das nun ein konstituiertes Israel-Bekenntnis ist oder sonst etwas, Hauptsache es wirkt..

  • 6G
    697175 (Profil gelöscht)

    Manchmal mag man gar nicht glauben, was man da so hört : sind "wir Demokraten" jetzt für eine Gesinnungspolizei ? Kann man dieseÜberprüfung auch ausweiten auf alle, die hier leben ? Kann man das dann auch ausweiten auf andere Einstellungen ?



    Mal ganz abgesehen davon, wie unsinnig das von der Effektivität scheint.

  • Josef Schuster, am vorvergangenen Sonntag bei der Kundgebung „Nie wieder ist jetzt“ in Berlin: Wer Israel daran erinnere, dass es sich an die universellen Gebote der Menschlichkeit zu halten habe, suggeriere, dies sei nötig, und leiste damit „den Verächtern Israels, den Judenhassern in aller Welt Vorschub“



    Das ist eine perfide Unterstellung, mit der Kritiker zum Schweigen gebracht werden sollen. Auch Demokratien darf und muss man bei entsprechenden Anlässen an die universellen Gebote der Menschlichkeit erinnern. Das hat nichts mit Hass und Verachtung zu tun sondern ist ganz normal.

  • Sachsen-Anhalt - Ach was! ©️ Vagel Bülow z 💯

    Sach mal so: Bin da “noch bei Adolf“ - ja geboren.



    Nù. Und noch vor - “Spitzbart Bauch und Brille.



    Sind nicht des Volkes Wille!“ - tonn Glück wech. But.



    Bekenntnisstaat¿ - War das doch wahrlich lange genug! Newahr.



    Normal Schonn

  • Und mal wieder: so ein Blödsinn!