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Energieunternehmen steigen ausKein Interesse an Mini-AKWs

Ein Konsortium aus Energiefirmen wollte in den USA den ersten modularen Mini-Atomreaktor bauen. Jetzt steigen diese aus – die Perspektive sei unklar.

Hat Atomkraft eine Zukunft? Für Energieunternehmen nur, wenn der Staat die Risiken deckt Foto: Olena/Pond5/imago

Washington taz | Die in atomkraftfreundlichen Kreisen beschworene Renaissance von Atomenergie in den USA hat einen herben Dämpfer erlitten. Die Firma NuScale und das Konsortium Utah Associated Municipal Power Systems erklärten, dass sie das Projekt eines ersten Mini-Atomkraftwerks mit sogenannten Small Modular Reactors (SMR) in Idaho aufgegeben haben. Grund waren die wachsenden Kosten und das schwindende Interesse von Energieunternehmen, sich langfristig an die Technologie zu binden.

Die kleinen modularen Reaktoren gelten in einigen Ländern als sicherere Alternative zu großen Atomkraftwerken, weil sie mit weniger radioaktivem Inventar auskommen. Außer in den USA arbeiten auch Unternehmen in Kanada und Großbritannien an der Entwicklung dieser Mini-AKWs. Frankreich und Polen haben ebenfalls angekündigt, auf diese Technologie setzen zu wollen.

NuScale arbeitet an vielen dieser Projekte mit. Es ist aktuell das einzige US-Unternehmen, dessen Design für diesen Reaktortyp von der US-Atombehörde NRC genehmigt wurde.

Das Pilotprojekt, das im US-Bundesstaat Idaho entstehen sollte, sah den Bau von sechs Reaktoren vor, die jeweils 77 Megawatt an Strom erzeugen sollten. Das Mini-AKW sollte im Jahr 2029 ans Netz gehen. Verzögerungen und Kostenexplosionen sorgten jedoch für Bedenken unter den Energiekonzernen innerhalb des beteiligten Konsortiums. Einige entschlossen sich schließlich, von dem 2019 geschlossenen Vertrag, der das Konsortium zum Kauf von 200 Megawatt verpflichtet, zurückzutreten.

Atomlobby gibt sich gelassen

Trotz des Rückschlags ist John Hopkins, der Geschäftsführer von NuScale, weiterhin davon überzeugt, dass das Unternehmen bald ein erstes Mini-AKW-Projekt verwirklichen kann. „Unsere Arbeit an diesem Projekt über die vergangenen zehn Jahre hat dazu beigetragen, dass die NuScale-Technologie für kommerziellen Einsatz bereit ist. Das Erreichen dieses Meilensteins ist ein riesiger Erfolg, auf dem wir mit unseren Kunden in Zukunft aufbauen wollen“, sagte Hopkins in einer Stellungnahme.

Anzeichen, dass das Projekt in Schwierigkeiten steckt, gab es bereits im vergangenen Jahr, nachdem die Kosten auf 9 Milliarden Dollar angeschwollen waren.

Aditi Verma, Dozentin für Kerntechnik an der University of Michigan, findet jedoch, dass der Projektabbruch ein durchaus zu erwartender Ausgang gewesen sei. „Dies ist eine neue Technologie, in der gut ein Dutzend Unternehmen versuchen, ihre Projekte kommerziell zu verwirklichen“, sagte sie der taz. „Dass es dabei zu Rückschlägen kommen kann, an denen manche Firmen auch zugrunde gehen, sollte nicht verwundern“.

Keine Alternative zu Erneuerbaren

Auch die Atomlobby will noch kein generelles Scheitern der „nächsten Generation von Kernreaktoren“ erkennen: „Das Scheitern des Projekts ist das Resultat des freien Marktes und des Unbehagens mancher Kunden, Vorreiter bei der Markteinführung von neuen Technologien zu sein“, erklärte ein Pressesprecher des Nuclear Energy Institute.

Für Kritiker ist das Aus in Idaho und der Ausstieg der Energieunternehmen dagegen ein weiterer Beleg dafür, dass die Kernenergie keine Zukunft hat und auch im Hinblick auf die Klimakrise keine echte Alternative zu den erneuerbaren Energien darstellt.

Die atomkritische Organisation Environmental Working Group sagte, es sei an der Zeit, den Stecker zu ziehen. „Die hunderte Millionen an Steuergeldern, die hier in den Sand gesetzt wurden, hätte man lieber in existierende und sichere erneuerbare Energien wie Solar und Wind investieren sollen“, so Environmental Working Group-Präsident Ken Cook.

Mit Microsoft-Gründer Bill Gates und dessen Firma TerraPower sowie mindestens einem halben Dutzend anderer Unternehmen, die in diese neue Technologie investierten, scheint es trotzdem nur eine Frage der Zeit, bis das erste Mini-AKW in den USA an den Start gehen wird. Allerdings dürfte das kaum vor dem Ende des laufenden Jahrzehnts geschehen. Das Interesse an zuverlässiger und kostengünstiger Energie wächst in der ganzen Welt. Ob es Mini-AKWs jedoch gelingen wird, preislich mit erneuerbaren Energien mitzuhalten, ist fraglich.

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8 Kommentare

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  • Atomkraft hatte seit Anbeginn nur dann eine Chance wenn der Staat die Risiken übernommen hat.



    Und das haben die Staaten gerne, sehr gerne getan.



    Denn es ging vom ersten Tag an nur um eines: Um Plutonium.



    Und das haben wir ja jetzt quasi überall.



    Im Boden, im Meer, in der Luft ...

  • "Ob es Mini-AKWs jedoch gelingen wird, preislich mit erneuerbaren Energien mitzuhalten, ist fraglich."



    Thema verfehlt. Es geht nicht darum, "preislich" mit den Erneuerbaren zu konkurrieren. Es geht darum, eine kontinuierliche Stromversorgung sicherzustellen.



    Solange z.B. die Wärmepumpenfans nicht die Frage beantworten können, wo denn im Winter der Strom für die Wärmepumpen herkommen soll, können sich die AKW-Fans noch gute Chancen ausrechnen.

    • @sollndas:

      Speicher!



      Ohne das schon lange totgerittene Pferd Atomkraft wären die Technologien längst marktreif.



      Der Strommarkt und die politische Regelung von Preisen und Steuern muss sich endlich darauf ausrichten, Speicher zu fördern, um die verlorene Zeit schnellstmöglich aufzuholen.

      • @Herma Huhn:

        "Speicher!"



        Ja, schön. Die Frage ist nur, welche Speicher? Wodurch wollen Sie die ca. 250 TWh Erdgasspeicher ersetzen? Angesichts der erforderlichen Größenordnung sind Akkus jeglicher Art reine Illusion, auch mit Wasserstoff wird es eng: Selbst wenn die für Wasserstoff geeignet sein sollten, gehen da nur ca. 75 TWh rein, wegen der niedrigeren volumetrischen Energiedichte.



        Da müssen Sie sich schon mit E- und Biofuels anfreunden, sonst geht's nicht. Andernfalls siehe oben.

        • @sollndas:

          Windkraft und Solar erzeugen im Winter wie im Sommer etwa gleichviel Strom. Im Sommer mehr Solar, im Winter mehr Windkraft. Die Annahme, im Winter stünde kein/kaum Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung, ist falsch.

          Die Wärmepumpe braucht im Vergleich zur Gasheizung 60-70% weniger Energie. Der Energiebedarf zum Heizen wird sich also erheblich verringern. Daher reichen auch die vorhandenen Erdgasspeicher dann für Wasserstoff- und/oder synthetische Gase problemlos aus, um auch lange Dunkelflauten überbrücken zu können. Studien sprechen hier von einem Speicherbedarf von etwa 50 TWh.

          • @FollowMe:

            "Windkraft und Solar erzeugen im Winter wie im Sommer etwa gleichviel Strom."



            So ist es. Geheizt wird aber überwiegend im Winter. Da kommt der Heizbedarf zum Sommerstromverbrauch oben drauf, er verursacht einen Grund(!)lastpeak im Winter.



            "Studien sprechen hier von einem Speicherbedarf von etwa 50 TWh."



            50 TWh elektrisch oder thermisch? Selbst wenn "elektrisch" gemeint sein sollte, erscheint das ziemlich dürftig. Mit Ihren eigenen Zahlen:



            50 TWh/0,4 = 125 TWh thermisch



            50 TWh/0,3 = 167 TWh thermisch



            Deutlich entfernt von den 250 TWh Erdgas. Und in den 250 TWh sind die Öltanks und Holzstapel noch garnicht mit drin. Sorry, die 50 TWh sind schöngerechnet.



            Ansonsten halte ich mich lieber an Habecks eigene Zahlen [1]. Er wird sich wohl kaum zu seinen Ungunsten verrechnet haben :-)



            [1] www.t-online.de/na...abeck-der-fdp.html

            • @sollndas:

              Bilanziell wird mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch im Winter mehr als ausreichend Strom für den Betrieb der Wärmepumpen und aller anderen Verbraucher produziert werden. Mit den Überschüssen kann auch im Winter der Speicher immer wieder nachgefüllt werden. Die Frage ist also, welche Speicherkapazität wird benötigt, um das Stromdefizit einer längeren Dunkelflaute zu überbrücken.

              Man kann ja versuchen, den Bedarf ein wenig abzuschätzen: Mit Wärmepumpen und Elektromobilität kommt man mit den Daten aus dem Fragenkatalog an Habeck im Winter auf einen Tagesbedarf in der Größenordnung von 2,5 bis 3 TWh Strom. Bei einer Speicherkapazität von 50 TWh und einem Wirkungsgrad von 0,5 bei der Rückverstromung kann man also 8-10 Tage Dunkelflaute überbrücken. In der Realität noch etwas mehr, da ja auch in der Dunkelflaute Wind und Solar immer noch Strom produzieren und zudem Wasserkraft, Biomasse und Stromimporte sowie Flexibilitäten im Stromnetz zusätzlich verfügbar sind. Damit kann man schon einen Großteil der Dunkelflauten abfedern.

              Ruhnau und Qvist gehen in "Storage requirements in a 100% renewable



              electricity system" von einem Speicherbedarf von 54 TWh aus (das war die Zahl, die ich im Kopf hatte), um eine hypothetische 24tägige Dunkelflaute abzufedern. Allerdings rechnen die nur mit einem Jahresstrombedarf von 540 TWh, was für die Zukunft sicher zu wenig ist.

              Das Projekt "Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland" rechnet im aktuellen T45-Szenario mit einem Speicherbedarf von 75 TWh bei einem Jahrestromverbrauch von 1000 TWh.

              Je nachdem, wie sich der Jahresstromverbrauch entwickelt und wie viel "Sicherheit" man will, scheint mir eine Speicherkapazität in der Größenordnung um die 60-80 TWh schon realistisch zu sein.

  • In Ländern - wie den USA – mit billigen Strompreisen und vielen wirtschaftlichen Möglichkeiten für Erneuerbare Energien (Wasserkraft, Sonne und Wind) sowie Kohlestrom ohne intensive CO2-Bepreisung müßten solche Reaktoren zu sehr wenigen Cent/KWh liefern. Die mögliche Gewinnspanne wäre gering, das wirtschaftliche Risiko hoch. Anders sieht es in Ländern aus - die geografisch bedingt – über weniger Wasserkraft oder Sonnenstunden verfügen. In Europa sind die Stromkosten mehr als doppelt so hoch wie in den USA. Durch die steigende CO2-Bepreisungen für Kohle und Gas wird der Betrieb der Kohle- und Gaskraftwerke in Europa noch teurer.

    Erneuerbare Energien müßten doch eigentlich in Ländern mit viele Wind und Sonne gefördert werden und Kraftwerke müßten in Ländern mit schlechteren Bedingungen für Erneuerbare Energien errichtet werden. Je eingesetztem Euro oder Dollar wäre das Ergebnis für Investoren und die Umwelt optimal. Umgekehrt führt die Stilllegung von Kraftwerken und eine starke Förderung von Erneuerbaren Energien in schlechter geeigneten Regionen zu einer Fehlzuweisung von Ressourcen und einem schlechterem Ergebnis für das globale Klima.