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Weltklimakonferenz in DubaiIm Auge des Sturms

Wird die COP28 an Konflikten und Geopolitik scheitern? Möglich. Aber die Klimakonferenzen sind widerstandsfähiger gegen die Weltpolitik als gedacht.

Protest im September in New York gegen einen Ölstaat an der Spitze der UN-Klimakonferenz Foto: Bryan Anselm/Redux/laif

BERLIN taz | Für die oberste Di­plomatin des Landes war Außenministerin Annalena Baerbock an diesem 15. November mal wieder ungewöhnlich deutlich: Bei den Klimaverhandlungen, vor allem, wenn es um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gehe, „klingt die Geopolitik immer mit. Wenn wir das ausblenden, kommen wir keinen Schritt voran. Geopolitik und fossile Interessen sind auch in der Klimapolitik überall spürbar“, sagte Baerbock auf einer Tagung in Berlin. Auch Klimaschäden und wer sie bezahlen solle, „das kann man nicht neutral aus der Klimabrille allein betrachten,“ so Baerbock. „Auch das ist Geopolitik, das sind enorme Machtfragen.“

Die grüne Außenministerin reagiert damit auf eine Debatte, die auch die UN-Klimakonferenz beschäftigen wird: Wie sehr wird die COP in Dubai, die an diesem Donnerstag startet, von den anderen akuten geopolitischen Krisen überlagert? Kann der Klima­treff überhaupt erfolgreich sein, wenn weiter der Krieg in Gaza tobt?

Wie sollen die Staaten sich beim Klima einigen, wenn der Überfall Russlands auf die U­kraine seit fast zwei Jahren das gesamte UN-System von Multilateralismus und Völkerrecht infrage stellt? Und wird jeder Fortschritt beim Kampf gegen die Erdüberhitzung nicht unrealistisch angesichts der aktuellen Pro­bleme von Verschuldung, Migration oder den Spannungen zwischen China und den USA? Wird die COP zum Spielball der Geopolitik?

Bedeutung und Wirkung der Klimakonferenzen haben sich über die letzten Jahre grundlegend verändert. Die COPs waren nie eine reine Öko-Veranstaltung, trotz dem jedes Mal beschworenen „Geist der Kooperation und des Kompromisses“. Sie können gar nicht von Geopolitik überrollt werden – weil sie inzwischen der zentrale Ort sind, an dem Weltpolitik verhandelt wird.

Treffen von knapp 200 Staaten

Das jährliche Treffen von knapp 200 Staaten, hunderten von Unternehmen, Lobbyisten, Forschern und der Zivilgesellschaft ist inzwischen das größte und wichtigste Forum, auf dem Umrisse einer neuen Weltordnung deutlich werden und Gegensätze – in brave di­plomatische Höflichkeitsfloskeln verpackt – hart aufeinanderprallen.

Solche Verhandlungen sieht man in dieser Breite und Tiefe nicht bei UN-Generalversammlungen, nicht bei anderen wichtigen UN-Organisationen, nicht beim „Weltwirtschaftsforum“ in Davos, nicht bei den G20-Veranstaltungen und erst recht nicht beim Treffen der erweiterten Brics-Gruppe. Nur auf den COPs kommen alle zusammen, streiten sich laut und lassen so erahnen, welchen Weg die Welt nehmen wird.

Da ist es kein Zufall, dass auch die Konferenz in Dubai wieder mit einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs beginnt: Wer in der globalen Machtpolitik mitspielen will, muss ans Rednerpult und seine Ansprüche geltend machen: Auf mehr finanzielle Hilfe, auf grünere Technologie, auf weniger CO2-Emissionen und ein anderes nationales Geschäftsmodell (am besten zuerst bei den Konkurrenten), auf eine andere globale Finanzarchitektur oder einen internationalen Schadens­ausgleich für Schäden des Klimawandels. Und nur ganz Mächtige – wie US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatspräsident Xi Jinping – können es sich erlauben, dem Treffen fern­zubleiben: Weil sie ihre Dinge bilateral und vorher geregelt haben.

Kommen und reden

Alle anderen müssen kommen und reden. Denn es geht ja schon lange nicht mehr darum, wo und wie ein bisschen CO2 eingespart wird, wenn man die Heizung zwei Grad runterdreht. Solche Fragen werden in dem unglaublich aufgeblähten Prozess der Verhandlungen und der „Side-Events“ zwar irgendwo von irgendwem verhandelt – und führen in der Summe oft zu kleinen Fortschritten, manchmal sogar in der wirklichen Welt.

Die wirkliche Debatte im Klimaprozess dreht sich um viel Größeres: Darum, das Betriebssystem der Weltökonomie möglichst schnell und unfallfrei von fossil auf erneuerbar umzustellen – und dabei Märkte, Indus­trien, Einnahmen und Entwicklungschancen von morgen und für morgen neu zu verteilen.

Das hat mit den Erneuerbaren bereits besser und schneller als erwartet funktioniert. Aufgrund einer einmaligen und ungeplanten Zusammenarbeit zwischen den deutschen Stromkunden und den chinesischen Staatskonzernen: Durch das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz und die garantierten Einnahmen für Strom vor allem aus Solar- und Windstrom entstand vor 20 Jahren in Deutschland eine riesige Nachfrage nach grüner Technik.

Und die chinesische Wirtschaft nutzte ihre Chance: Sie fuhr die Produktionskapazität so schnell und umfangreich hoch, dass damit die Kosten radikal gesenkt wurden. Erneuerbare wurden erschwinglich und verdrängen immer schneller die fossilen Brennstoffe. Inzwischen gehen Experten davon aus, dass der Höhepunkt der Nutzung von Kohle, Gas und Öl bis 2025 erreicht wird – obwohl der Energiehunger weltweit weiter steigt.

Aggression nur Nebenrolle

Dass diese Revolution weitergehen muss, ist allen Entscheidern klar. Dabei wird der Krieg in Gaza natürlich die Stimmung der COP trüben: Vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer werden den Konflikt nutzen, um den Industriestaaten vorzuwerfen, einseitig zugunsten von Israel zu handeln.

­Wirklich torpedieren wird Gaza die Verhandlungen jedoch kaum: Auch bei der COP27 vor einem Jahr spielte die russische Aggression gegen die Ukraine nur eine Nebenrolle – obwohl sie zwei Mitglieder der UN-Klimaorganisation UNFCCC betraf, die lange als Alliierte verhandelt hatten.

Der Grund: Zu drängend sind derzeit die Fragen in der Klimakrise. Die vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, dass kein Land gegen die Erderhitzung gefeit ist. Die eskalierenden Klimaschäden betreffen inzwischen alle Weltregionen, alle Branchen.

Die Debatte um die Energie der Zukunft, die auf der COP stattfindet, ist im Kern ein Angriff auf die fossilen Strukturen aus dem letzten Jahrhundert. Die Verdreifachung der Erneuerbaren bis 2030, die Verdopplung der Effizienz und die Pläne für einen Beschluss zum „Auslaufen“ oder „Herunterfahren“ der Fossilen rütteln heftig an Finanzen und Machtbasis der Golfstaaten, Venezuelas, der USA, Russlands oder Australiens.

Von ihnen ist heftiger Widerstand zu erwarten, wenn sie nicht am nächsten großen Kuchen mitessen können: Der Wasserstoff-Wirtschaft. Denn um wichtige Industrien wie Stahl, Verkehr oder Wärmeerzeugung zu dekarbonisieren, werden so schnell wie möglich unglaubliche Mengen an möglichst ökologisch hergestelltem Wasserstoff gebraucht. Gleichzeitig drängen neue Lieferanten etwa aus Afrika, nach vorn, um am neuen Wohlstand teilzuhaben.

Neue Wasserstoff-Welt

Zu welchen geopolitischen Verwerfungen der Wasserstoff-Boom führen kann, hat die „Stiftung Politik und Wissenschaft“ in einer Untersuchung zur „Geopolitik des Wasserstoffs“ analysiert: Hier werden drei „radikale, aber plausible Szenarien“ beschrieben: Eins mit einer „Verschiebung von Macht, Industrie und Technologieführerschaft gen Osten“, eins mit einem Alleingang Europas mit „neuen Abhängigkeiten“ und ein weiteres mit einem „H2-Imperialismus“, bei dem Despoten die neue grüne Technik dominieren. Das zeigt: Auch bei einer Wasserstoffwende bleibt die COP ein Schachbrett für geopolitisches Armdrücken.

Die wichtigste Frage bei der neuen Technik: Wer zahlt die Lernkurve? Werden es noch einmal die europäischen Steuerzahler sein – wie beim deutschen Sponsoring der Solarindustrie? Im Moment sieht es anders aus: Der staatliche gelenkte Kapitalismus in China und der mit fast 400 Milliarden Steuerdollars subventionierte Privatkapitalismus der USA setzen voll darauf, die globale Marktführerschaft in diesem Gebiet zu erobern – so, wie sie bei der Ökonomie der Erneuerbaren (China) und der Digitalisierung (USA und China) bereits die Weltführerschaft übernommen haben.

Europa dagegen ringt um seinen „Green Deal“: Die immer häufigeren globalisierungskritischen rechtspopulistischen Regierungen sehen ihn skeptisch. Und Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, fesselt sich in diesem „Boxkampf“ mit der Schuldenbremse „die Hände hinter dem Rücken, während die anderen Hufeisen in die Boxhandschuhe packen“, wie es Wirtschaftsminister Robert Habeck vor Kurzem beschrieb.

Player im Klimapoker

Schließlich ist auch für den entscheidenden Player im Klimapoker die Geopolitik eine wichtige Konstante: China hat seine interne COP-Strategie von „Kooperation“ auf „Kampf“ umgestellt, schreibt Klima-Experte Li Shuo vom Asia Society Policy Institute (ASPI), einem US-Thinktank.

Der Grund: Der Handelskrieg mit den USA zu Solarmodulen und der EU-Klimazoll CBAM stellten für China die bisherige Begründung für eine Entspannung in der Klimapolitik infrage: dass Klimapolitik auch für die heimische Wirtschaft vorteilhaft sei. Zu diesen Weichenstellungen wird die COP aber kaum etwas in ihrem Abschlusspapier beschließen. Da werden die Klimadiplomaten um Kommas und Komma­stellen darüber feilschen, ob der fossilen Industrie mit CO2-Abscheidung über CCS noch einmal eine Gnadenfrist gewährt wird.

Und da werden viele Akteure aus dem Umweltbewegung so tun, als läge das große Problem darin, dass Sultan al Jaber, Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Chef der nationalen Ölkonzerns Adnoc, die Konferenz leitet. Schnell vergessen ist da, bei wie vielen COPs bereits die fossilen Energien direkt und indirekt die Konferenz lenkten: Im Gasland Doha 2013, im Öl- und Gasgiganten Großbritannien in Glasgow 2021, dem Petrostaat Mexiko in Cancun 2010, dem Kohleland Südafrika 2011 – und dem Kohleland Polen gleich dreimal: 2008, 2013, 2018.

Klimapolitische Fortschritte hat es bei diesen Konferenzen trotzdem gegeben: Diese Veränderungen sind dringend nötig, weil bis heute die fossilen Klimakiller noch vieles antreiben, was Wohlstand ausmacht: Industrie, Verkehr, Konsum, Digitalisierung, Agrarindustrie. Diesen viel zu langsamen Wandel zu beschleunigen, ist die eigentliche und einzige Begründung für die globale Monsterveranstaltung namens COP.

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