piwik no script img

Eklat um Fridays for FutureBezieht Position!

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Bislang haben sich die Klimaaktivisten um politische Fragen gern herumgedrückt. Das unpolitische Nebeneinander wird so nicht mehr funktionieren.

FfF-Aktivistin Luisa Neubauer und Grünen-Chefin Ricarda Lang während einer Solidaritätskundgebung Foto: Clemens Bilan/epa

D ie deutschen Fridays haben sich deutlich distanziert von den antisemitischen Statements, die auf interna­tio­nalen Social-Media-Kanälen der Bewegung erschienen sind. Jetzt wollen sie die internationale Vernetzung pausieren, auf den Prüfstand stellen. Es steht fest: Die Kli­ma­bewegung und Fridays for Future (FFF) als ihre größte Gruppe müssen sich verändern – und die Ära des Unpolitischen beenden.

FFF hat sich immer als vereinende Bewegung verstanden, offen für das gesamte (demokratische) politische Spektrum. „­Listen to the science“ gilt als Leitsatz, „hört auf die [Klima-]Wissenschaft“. Das ist eine rhetorische Absage an eine politische Positionierung. Klimaschutz ist überparteilich, soll das heißen. Die gesamte Menschheit hat Interesse daran, ob nun am Erhalt von Wohlstand, an der Stärkung Marginalisierter oder der Bewahrung der Schöpfung.

Durch den Verweis auf die Wissenschaft hat sich die Bewegung an den Gretchenfragen der Welt vorbeigedrückt. Die sind natürlich auch in der Vergangenheit schon aufgekommen: Gehen Klimaschutz und Kapitalismus zusammen? Sollte die Klimabewegung angesichts der Dringlichkeit ihres Anliegens auf radikalere Protestformen zurückgreifen? Auch dazu gab es schon immer verschiedene Ansichten, international und auch innerhalb der deutschen Fridays-Gruppen.

Bisher hat sich jeweils ein Nebeneinanderher eingependelt. So sind die offiziellen Forderungen der Bewegung an die deutsche Regierung vor allem konkreter Natur. Sie konzentrieren sich auf CO2-Preise, den Abschied von Subventionen fossiler Energie oder der Verbrennertechnologie in Autos. Die globalen Klimastreiks liefen hingegen schon mehrfach unter dem Motto „People, not profits“, also „Menschen statt Profite“.

Auch in Deutschland wird es politischer

Und auch auf deutschen Fridays-Demos wird längst nicht mehr nur „Hopp, hopp, hopp – wer nicht hüpft, der ist für Kohle!“ gerufen. Auch „System change, not climate change“, also die Forderung nach einem Systemwandel anstelle eines Klimawandels, taucht auf Plakaten und in Sprechchören auf. Und während die Klimastreiks weiter normale Demos sind, haben einzelne Ortsgruppen auch schon Straßen besetzt.

Diesmal ist die Lage aber anders. Wo antisemitisch über eine angebliche jüdische Weltverschwörung schwadroniert wird, ist das demokratische Spektrum akzeptabler Ansichten zu Ende. Und es gibt Druck von außen. So fordert Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, dass sich die deutschen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen vollständig lossagen von Fridays for Future – und das durch eine Umbenennung deutlich markieren. Ein nicht an die große Glocke gehängtes Nebeneinander funktioniert nicht mehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • FFF ist eine Klimabewegung, wenn sie jetzt auch noch anfangen sich zu anderen gesellschaftlichen Fragen zu positionieren, verlassen sie ihre eigentliche Stärke, eine Massenbewegung für das Klima. Dann driften sie in Richtung Partei ab, was dann auch wieder straffere Organisation bedeutet. Solche Äußerungen von FFF international sind ein grundsätzlicher Fehler. DAzu sollten sie sich andere Plattformen suchen. Klimapolitik ist Politik auf Faktenbasis, da geht es nicht um gesellschaftliche Ideologien. Zwar sind klimaschutz und Menscherecht eng verknüpft, dann muss man aber politische Ereignisse auch streng und grundsätzlich unter diesem Aspekt abhandeln. Die Ziele bei CO2-Senkungen sind objektivierbar und messbar. Im Grunde ist Klimapolitik kein Thema für eine bestimmte politische Richtung, sondern eine Menschheitsaufgabe. So normal und nötig wie das Zähneputzen. Solange wir nicht zu dieser Einsicht kommen, wird es keine effiziente Klimapolitik geben. Es muss neben Parteien eine gesellschaftliche Bewegung geben und die darf auch in ihren Strukturen informell sein, weil das Einzelinitative fördert.

  • Der Zusammenhang von Klimakatastrophe und Kapitalismus ist mir mehr als klar. Extrem wichtig für FFF, das zu diskutieren.

    Der Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Klimakatastrophe erschließt sich mir dagegen überhaupt nicht. Das Thema hat mit FFF schlicht nichts zu tun. Und wenn es unter FFF-Anhängern solche Leute geben sollte, dann ist das mehr als schade - hat aber immer noch gar nichts mit FFF zu tun.

    Die Presse und diverse Interessengruppen hängen sich jetzt an diesen Deppen einfach deswegen auf, weil man sie die Klimabewegung hervorragen diskreditieren kann. Die Bewegung ist vielen ein Dorn im Auge und darum sucht man nach so etwas.

    Natürlich muss FFF sich von solchen Idioten distanzieren und sie vor allem davon abhalten, auf offiziellen Kanälen Schwachsinn zu senden. Aber mehr ist an der Sache für mich nicht dran.

    • @Jalella:

      Es geht dabe nicht um vereinzelte "Deppen" wie man sie überall findet, sondern um offizielle antisemitische Verlautbarungen von FFF international.

  • "Die Kli­ma­bewegung und Fridays for Future (FFF) als ihre größte Gruppe müssen sich verändern – und die Ära des Unpolitischen beenden."

    Das sehe ich anders. Wenn sich FFF politisch positioniert, was kürzlich getan wurde, wird diese Bewegung, meiner Einschätzung nach und von mir persönlich ausgehend, Anhänger verlieren, weil nicht jede/r, die politischen Anliegen teilen und mancher davon abgestoßen sein wird. Vielleicht täusche ich mich aber auch.

    Für mich selbst weiß ich, dass ich mich mit Antisemiten nicht gemein mache, auch wenn deren Anliegen noch so nobel sein mögen.

  • So ein Schwachsinn.



    Die Klimabewegung sollte sich weit von solchen Themen fernhalten.

    Wie kommt es, dass so viele Menschen meinen wir müssten uns positionieren und Statements abgeben die nichts mit unserem Kernthema zu tun haben?

    Niemand möchte von uns wissen wie wir zu der Lage in Eritrea, dem Jemen oder sonst wo stehen.

    Wenn ihr Fragen zum Thema Klimawandel und sinnvollen politischen Maßnahmen habt, fragt uns gerne.

  • Wer von "DEN" Klimaaktivisten Statements zu " ihren" gesamtpolitischen Positionen hören will, hat mindestens FFF nicht verstanden: Wollt ihr eine von ( immer noch ) tausenden Schülerinnen getragene Stimmung/Bewegung/Hoffnung auf ne Neubauer-Kleinstpartei reduzieren? FFF sind nicht die Vorfeldorganisation irgendwelcher Politikaster. Wären sie's, wären sie klimapolitisch schon tot. @ Herma Huhn hat sowas von recht!

  • Im Gegenteil!



    Von den Extremisten bei FFF international haben sich FFF Deutschland sehr deutlich distanziert.



    Das muss reichen. Denn das Anliegen der Gruppe lebt nunmal davon, dass JEDER es teilen kann.



    Wer einen allgemeinen Konsens anstrebt muss damit leben können, dass auch politische Extremisten mitlaufen.



    Luisa Neubauer hat sehr deutlich gesagt, dass Antisemitismus nicht zu den Anliegen von FFF passt.



    Es muss reichen, die politischen Themen auszuklammern, sonst schrumpft man irgendwann zu einer Partikularinteressenvertetung, die man ja gerade nicht sein will.



    Der internationale Konsens ist immanent in dieser Bewegung. Sich vom Rest der Welt loszusagen, weil Einzelne die falsche Meinung zu anderen Themen haben, macht die Bewegung kaputt.



    Viel wichtiger wäre es, auch international klarzustellen, dass der Nahostkonflikt nicht auf den Klimademos verhandelt wird.

  • "Die Welt soll wieder schöner werden"!



    Gerne zitiere ich den Magazin Titel, da der Erde es natürlich ziemlich egal ist, wie sie im Spiegel aussieht und wer auf Ihr rumhüpft.



    Mir ist es nicht egal, denn ich muss mir das Ganze ja jeden Tag anschauen.



    Es war eine gute Taktik, mit FFF Viele unter einem Thema zu versammeln. Eine Erweiterung war, neben SchülerInnen auch Erwachsene auf den Demos zu dulden.



    Die Misere der FFF ist die Misere der Linken.



    Dafür sind die Linken, also wir selbst, verantwortlich. Intoleranz und Arroganz sind keine guten Ratgeber.



    Wer Etwas erreichen will in einer Demokratie, muss kompromissbereit sein. Statt dessen ist die linke Bevölkerung zerstritten. Das zur Unzeit, da Rechte und noch mehr, einzelne Rechte Positionen, immer mehr AnhängerInnen finden.



    Das gilt auch für den Nahostkonflikt.



    Es gibt keine einheitliche Position und wer die Vernichtung des jüdischen Staates gutheißt, ist so links wie Alice Weidel.

  • FFF beziehen ja schon lange Position - wie Luisa N. im Zeit-Interview schilderte, gibt es Workshops mit der Amadeu Antonio Stiftung zu Antisemtismus.



    Umgekehrt: Ricarda Lang und die Grünen sollten sich der Entrechtung der Flüchtenden entgegenstellen!



    Keine der Schikanen wird "Migration" begrenzen. Die ist nicht das Problem, sondern die Herrschergewalt, und die Weltwirtschaft.



    Fridays for Future täte gut daran, sich von dem Halbwissen über die Kolonialgeschichte von Territorien zu lösen und zu fokussieren auf die Umwälzung der Branchen, weg von Emissionen und hin zur Senkung von Energieverbrauch und weg von der Standortkonkurrenz. Nicht "Israel ist Luftverschmutzung", sondern welche Zukunft haben Stahlindustrie und Baumwolle?

  • "Auch „System change, not climate change“, also die Forderung nach einem Systemwandel anstelle eines Klimawandels, taucht auf Plakaten und in Sprechchören auf."

    Der Slogan steht auf meinem Hambi-Soli-Kapuzenpulli. Den hab ich mir vor 7 Jahren zugelegt.

    Man kann sich halt auch einfach blind stellen.

  • "Bislang haben sich die Klimaaktivisten um politische Fragen gern herumgedrückt."

    Ah ja. Die kaum noch abzuwendende Klimakatastrophe ist also unpolitisch.

    Wie todeslost kann man sein?

    "Wo antisemitisch über eine angebliche jüdische Weltverschwörung schwadroniert wird"

    Wo genau wird bei FFF von der "jüdischen Weltverschwörung" geschwurbelt, außer von 1-2 Leuten?