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Umfrage zu Regierungsbeteiligung der AfDZwei Drittel dagegen

69 Prozent lehnen eine AfD-Regierungsbeteiligung auf Landesebene ab. Eine aktuelle Forsa-Umfrage widerspricht damit den umstrittenen Civey-Daten.

Die AfD ist die unbeliebteste Partei Deutschlands: in Wiesbaden demonstrierten Hunderte gegen die AfD Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin taz | Über zwei Drittel der Deutschen lehnen eine Regierungsbeteiligung der extrem rechten AfD auf Länderebene ab. Das geht aus einer Umfrage von Forsa hervor, die der taz vorliegt. Das Meinungsforschungsinstitut hat im Zeitraum vom 13. bis zum 15. Oktober aus einem bevölkerungsrepräsentativen Online-Panel 1.504 Wahlberechtigte befragt, wie sie zu einer Koalition mit der AfD auf Landesebene stehen. 69 Prozent der Befragten lehnen das ab. Demgegenüber hält es eine Minderheit von 27 Prozent für akzeptabel, dass die im Kern extrem rechte Partei an einer Landesregierung beteiligt würde. Forsa gibt für die Umfrage eine Fehlertoleranz von 2,5 Prozentpunkten an.

Disparitäten gibt es zwischen Ost und West: Während im Westen 24 Prozent eine AfD-Beteiligung in einer Regierung auf Landesebene akzeptieren würden, sind es im Osten 40 Prozent. Dennoch lehnt auch in den neuen Bundesländern eine Mehrheit von 57 Prozent eine AfD-Beteiligung in einer Landesregierung ab.

Strukturell befürworten am ehesten Personen zwischen 45 und 59 Jahren eine AfD-Regierungsbeteiligung – also die demografische Gruppe, in denen AfD-Wähler*innen am häufigsten vertreten sind. Mehrheitlich akzeptiert ist eine Beteiligung der AfD nur im Lager der eigenen Parteianhänger, wo 98 Prozent der Befragten dafür sind, und bei Personen, die sich zum rechten Lager zählen, wo 73 Prozent eine AfD-Koalition für akzeptabel halten.

Anhänger der übrigen Parteien lehnen eine Koalition mit der AfD mehrheitlich und deutlich ab. Wobei die Akzeptanz etwas stärker ausgeprägt ist in der Anhängerschaft der FDP mit 31 Prozent und der CDU mit 22 Prozent. Aber bei beiden Parteien lehnen die An­hän­ge­r*in­nen noch immer eine AfD-Koalition deutlich ab – mit 68 Prozent (FDP) und mit 75 Prozent (CDU). Nicht­wäh­le­r*in­nen befürworteten zu 21 Prozent eine Koalition, 55 Prozent lehnten dies ab, wobei 24 Prozent indifferent waren („weiß nicht“).

Repräsentativ daneben

Die Umfragewerte widersprechen einer kürzlich vom umstrittenen Meinungsforschungsinstitut Civey durchgeführten Onlinebefragung mit derselben Fragestellung, die zum für viele erschreckenden Schluss kam, dass die „Hälfte der Deutschen eine AfD-Beteiligung an Landesregierungen akzeptabel“ finde. Die Umfrage wurde in den sozialen Medien häufig unter alarmistischen Vorzeichen geteilt. Nach der Civey-Umfrage, über die der Spiegel exklusiv berichtete, hielten es im Westen 44 Prozent für akzeptabel, wenn die AfD an einer Landesregierung beteiligt würde, im Osten gar 55 Prozent (gesamt: 47 Prozent).

Allerdings sind die Methoden von Civey umstritten. Zahlreiche Meinungsforscher und So­zio­lo­g*in­nen halten die Online-Umfragen von Civey für nicht repräsentativ. Stimmung wird mit den Umfragen trotzdem gemacht, auch weil sie exklusiv von Qualitätsmedien verwertet werden. Zuletzt zweifelte das Landgericht Hamburg nach einer Klage von Forsa an der Aussagefähigkeit der demoskopischen Erhebungen von Civey. Die Meinungsforschungsinstitute Forsa und Civey führen etliche Prozesse gegeneinander.

Civey implementiert unter anderem Online-Umfragen auf Websites von Medienpartnern. Die Abstimmungsinstrumente laden geradezu zur Manipulation ein, ebenso steht die Repräsentativität infrage, wenn nur Le­se­r*in­nen bestimmter Inhalte befragt werden. Sozialforscher Rainer Schnell sagte kürzlich dazu in einem Zeit-Interview: „Mit der gleichen Logik könnte man Fragebögen an einer Autobahnraststätte auslegen. Dann würden nur Reisende an der Umfrage teilnehmen.“

Besonders problematisch ist das, wenn mit Umfragen Politik gemacht wird – und etwa AfD-Politiker sich bei den Landtagswahlen 2024 in Brandenburg, Thüringen und Sachsen damit profilieren, dass sich die „Hälfte der Deutschen“ angeblich eine AfD-Koalition wünsche. Ebenso normalisiert man mit dem Verbreiten der fragwürdigen Statistik die extrem rechte Partei weiter, wenn eine gesamtgesellschaftliche Zustimmung suggeriert wird, die es so nicht gibt.

Auf Nachfrage der taz sagte Forsa, dass das bei der Befragung genutzte Online-Panel repräsentativ sei: Man habe die Befragten aus Telefongesprächen rekrutiert, gelegentlich auch an Online-Fragebögen teilzunehmen. An der Umfrage habe man nicht zufällig teilnehmen können, weil die Befragten nach einem wissenschaftlichen Zufallsverfahren ermittelt worden seien. Es steckten echte Personen hinter den Befragten, Bots oder Geschenke-Jäger könnten nicht an den Umfragen teilnehmen.

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10 Kommentare

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  • Extremismus, egal aus welcher Richtung und Farbe, begegnet man am sichersten und effektivsten durch gute Regierungsarbeit. Kann das jemand unseren Regierungen erklären?

  • "... die im Kern extrem rechte Partei ..."

    Häh? Wie meinen???



    Beteiligt sich jetzt auch die TAZ an der Verharmlosung der AfD?

    Die AfD ist längst eine im Kern r e c h t s e x t r e m e Partei!



    (In vielen Landesverbänden reicht ihr Rechtsextremismus schon deulich über diesen Kern hinaus.)

    Oder war dem war dem Autor der (bedeutende sprachliche) Unterschied zwischen "extrem rechts" und "rechtsextrem" nicht klar?

    Dann sollten sich die Autoren (d/m/w) bitte mal schleunigst zusammen setzen und überlegen, wie man gemeinsam die "Sprachkompetenz" anheben kann. Ein solcher Lapsus sollte gerade der TAZ nicht passieren.

    • @DHM:

      Es gibt zuhauf berechtigte Kritikpunkte am Extremismus-Begriff und insbesondere dessen Genese, die nicht theoretisch-wissenschaftlich fundiert, sondern durch den ideologischen Versuch begründet war in den Nachkriegsjahren einen Hebel zu finden um die Ablehnung des NS in einen hegemonialen Antikommunismus zu transformieren (Hufeisentheorie). Es wäre also zu vermuten, dass der Verfasser sehr bewusst und aus guten Gründen von "extrem rechts" statt von "rechtsextrem" spricht.



      www.bpb.de/themen/...ialwissenschaften/



      de.wikipedia.org/w...itik_des_Begriffes



      www.blaetter.de/au...extremismus-formel

  • Letztlich hängt das von den Wahlergebnissen der AfD ab. Wenn die AfD stark genug wird, dass man sie nur aus einer Regierungs-Koalition heraushalten kann, wenn alle anderen Parteien miteinander koalieren, dann hat man vielleicht eine Anti-AfD-Regierung, aber mehr auch nicht.

    Da diese Parteien nichts gemein hätten, außer dass sie halt nicht die AfD sind, wäre eine solche Regierung in jeder anderen Hinsicht so zerstritten und gelähmt, dass bei der nächsten Wahl die AfD die absolute Mehrheit bekommt und keine Koalition mehr braucht.

    So oder so keine rosigen Aussichten...

    • @Mustardman:

      Das ist eben das grundlegende Dilemma der Demokratie. Wenn eine absolute Mehrheit meint Faschisten an die Macht bringen zu wollen bekommt sie die auch. Was sie dann aber wahrscheinlich nicht mehr bekommen ist die Chance diesen Fehler in einer nächsten Wahl wieder korrigieren zu können.



      innn.it/afdverbot

  • "Civey wird vorgeworfen, bei Wahlumfragen oft daneben zu liegen. Trotzdem würden die Ergebnisse von großen Medien verbreitet" [1]

    So hm.

    [1] de.wikipedia.org/wiki/Civey

  • Die Zahlen sind ja nicht wirklich einmalig. Die NSDAP hatte 1932 auch ca. 32%, d.h. 2/3 der Deutschen wollten sie nicht in der Regierung. Wer wie mitgeholfen hat, dass der Wunsch von 2/3 der Wähler aufgeweicht und deswegen nicht erfüllt wurde ist doch historisch bekannt. Das ist die Parallele zu heute.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Sich einig zu sein, etwas nicht zu wollen, reicht nunmal nicht für eine Regierung.

      Wenn das alles ist, wollen die Wähler irgendwas, wenn das nur handlungsfähig ist. Die 2/3 der Wähler damals wollten vielleicht nicht die Nazis, aber es gab auch keine Mehrheit für irgendwas anderes, alle waren heillos zerstritten. Genauso sieht es heute auch wieder zunehmend aus.

  • Nach dem, was ich immer öfter in meinem weiteren Umfeld zu hören bekomme, finde ich die Frage, was Bürger in Deutschland von einer Regierungsbeteiligung der AfD halten, zweitrangig. Leider ist es nämlich so, dass viele Ziele der AfD bereits in Regierungshandeln umgesetzt wurden und werden, ohne dass die AfD Teil einer Regierung sein müsste.



    Darüberhinaus erfahre ich immer öfter, dass Menschen in der Lage sind, AfD-typische Meinungen zu vertreten und dennoch zu behaupten, mit der Partei und ihren Zielen hätten sie nichts zu tun. Das liegt vielleicht daran, dass seit 1945 die Kontinuität von Autoritaristischem, diktatorischem, völkischem Gedankengut in Deutschland ungebrochen ist. Immer noch steht am Bundestagsportal " Dem deutschen Volke" und nicht etwa "Den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland".



    Leider wurde die richtige Konsequenz, die Bernhard Schopmeyer forderte, nicht gezogen: Er forderte mit anderen Menschen zusammen noch während des Zweiten Weltkriegs in einem politischen Programm unter anderem, dass in der Nachkriegszeit nationalsozialistische Funktionäre aus allen öffentlichen Ämtern ferngehalten werden und angemessen bestraft werden sollten. Schopmeyer wurde 1945 nach Kriegsende hinterrücks in einem Park in Osnabrück erschossen. Menschen wie Reinhard Gehlen, Ernst Achenbach, Hans Filbinger, Hanns-Martin Schleyer und viele, viele andere genossen Ansehen in der jungen Bundesrepublik und haben ihre menschenverachtende Haltung in die bundesrepublikanische Gesellschaft weitergetragen. Bis heute wirkt das nach.

  • Ich kann eigentlich nicht finden, dass die Resultate der Forsa-Erhebung wesentlich weniger dramatisch wären. Der Anteil derer die explizit erklären Rechtsradikale in der Regierung für akzeptabel zu halten ist auch dort erschreckend groß´. Der Hauptunterschied besteht dann doch wohl letztlich wie die Gruppe der Indifferenten zu werten ist und ob diese Indifferenz als Akzeptanz gilt oder nicht. Da eine solche aber eines definitiv nicht ist, nämlich eine tatsächliche Ablehnung die sich dann nötigenfalls auch in konkretem Engagement gegen eine rechtsradikale Regierung niederschlagen würde hat man wohl jenseits solcher definitorischen Fragen konkreten Anlass zur Sorge.