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CDU und CSU gewinnen die LandtagwahlenBalsam für die Seele der Union

Mit dem Erfolg in Hessen beschert Boris Rhein der CDU angenehme Stunden. Merz sieht sie auf dem richtigen Weg.

Foto: Michael Kappeler/dpa

München/Berlin/Frankfurt am Main taz | Friedrich Merz ist sichtlich gerührt. Der CDU-Chef steht am Montag im Berliner Konrad-Adenauer-Haus und wirkt, als könne er kaum glauben, was Boris Rhein, CDU-Wahlsieger in Hessen, an seiner Seite verkündet. „Friedrich Merz hat etwas hinbekommen, was die Grundlage für alles ist in der Union.“ Der Bundesvorsitzende habe es geschafft, die CDU zu vereinen und mit ihrer Schwesterpartei in Bayern zu versöhnen, sagt der hessische Ministerpräsident zu Merz. „Dieses Wahlergebnis ist ein gemeinsames Ergebnis der Hessen-CDU und der Bundes-CDU.“

Die CDU-Zentrale lechzt nach Harmonie, und Rheins Worte treffen dort einen Nerv. Die Ergebnisse vom Vortag werden in der Union als ein Lichtblick für die kommende Zeit in der Bundespolitik gesehen. Mit 34,6 Prozent hat die CDU in Hessen ein ähnlich gutes Ergebnis eingefahren wie alle Ampel-Parteien in dem Bundesland zusammen (34,9 Prozent). Die SPD liegt in ihrem ehemaligen Stammland weit abgeschlagen fast 20 Punkte hinter der Union.

Ines Claus wirkt während der gesamten Konferenz mit Merz und Rhein am Montag, als könnte sie sich nur schwer zurückhalten, nicht jeden Augenblick schallend loszulachen. „Ja, ich lächel noch“, sagt die hessische CDU-Fraktionsvorsitzende in Berlin. „Das war ein historischer Abend.“

Die Umfragen hatten einen Sieg der Union in Hessen vorgesehen, doch dass der Abstand zu den anderen Parteien so groß sein würde, ist bemerkenswert. Der Ministerpräsident sieht den Grund für den eigenen Erfolg, im Wahlkampf die Mitte der Gesellschaft adressiert zu haben. „Wir haben uns nicht dazu verleiten lassen, an irgendwelchen Rändern zu fischen.“

Söder öffnete die Flanke nach rechts

Mit diesem Kurs hatte sich Rhein zuletzt zumindest rhetorisch von Merz distanziert sowie auch von CSU-Chef Markus Söder und seinem Wahlkampf in Bayern. Die CSU fuhr am Sonntagabend mit 37 Prozent der Stimmen zwar einen deutlichen Wahlsieg ein und lag ebenfalls deutlich vor den Fraktionen der Berliner Regierungskoalition, die in München zusammen auf lediglich 25,8 Prozent kommen. Das Ergebnis ist dennoch der historisch schlechteste Wert, den die Christsozialen je erzielt haben, und liegt noch mal unter den 37,2 Prozent, die 2018 auf die CSU entfielen.

Die Ergebnisse der „Mid-Terms für die Ampel“, wie Merz den Doppelwahltag mit 14 Millionen Bundesbürgern stets nannte, sie weisen also zumindest auf eine durchwachsene Rolle hin, auf die sich die Union in der Bundespolitik künftig einstellen muss. Die offene Klatsche für die Regierungsparteien bei den Landtagswahlen, bei einem gleichzeitig immer stärker werdenden rechten Rand, überlässt die Union derzeit einem großen Vakuum in der breiten Mitte des politischen Spektrums.

Paradoxerweise haben Friedrich Merz in Berlin und Markus Söder in München Flanken geöffnet, die sowohl ihre eigene Stellung als auch die Ausrichtung ihrer Parteien in Zukunft nicht leichter machen. Merz klammerte durch einen strammen Rechtskurs inklusive Stimmungsmache mit Halbwahrheiten über Asylbewerberleistungen die sozialliberale Fraktion in seiner Partei aus. In München öffnete Markus Söder die Flanke rechts der CSU, die es gemäß CSU-Übervater Franz Josef Strauß zumindest verfassungsgemäß nicht geben dürfte.

Mit seinem Wahlkampf in Koalition mit den Freien Wählern hat CSU-Chef Söder deren Vorsitzendem Hubert Aiwanger einen Freifahrtschein zum Scharfmachen gegeben; inklusive Rückendeckung in der Flugblatt-Affäre um antisemitische Ansichten bei Aiwanger. Die gestärkten Freien Wähler forderten am Montag prompt ein viertes Ministerium und einen noch härteren Kurs in Fragen um Immigration für die anstehenden Verhandlungen für eine „bürgerliche Koalition“ mit den Christsozialen in Bayern.

In München kam indes der Vorstand der CSU zusammen, um das weitere Vorgehen nach der Wahl zu besprechen. Während sich die Parteigranden trotz des miserablen Wahlergebnisses weiter hinter ihrem Chef Söder scharen, ließ mancher bereits durchblicken, dass er sich künftig einen anderen Umgang mit dem Koalitionspartner wünscht. Aiwanger, an den sich Söder schon seit Langem als Partner gekettet hatte, hat den Bogen in den Augen vieler Christsozialer zuletzt arg überspannt.

Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber etwa erinnerte an das Strauß-Dogma und den Platz rechts neben der CSU: „Das ist mit den Freien Wählern heute der Fall“, sagte Weber am Montag vor der Sitzung und forderte, die Christsozialen müssten gegenüber ihrem Wunschpartner die „Samthandschuhe ablegen“.

Ich würde der CSU empfehlen jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten.

Hubert Aiwanger, Bayrischer Vize-Ministerpräsident

Söder äußerte sich ähnlich, als er nach der Vorstandsitzung vor die Presse trat. Die Freien Wähler hätten sich seit dem berüchtigten Auftritt Aiwangers in Erding verändert, insofern werde sich auch die Zusammenarbeit mit ihnen verändern, erklärte der CSU-Chef. Am Beginn der Sondierungsgespräche stünden deshalb nun grundsätzliche Fragen: Ob sich die Freien Wähler weiterhin als liberale Kraft sähen oder weiter rechts verorteten, will Söder von seinem Wunschkoalitionspartner wissen. „Der Wettbewerb wird natürlich intensiver werden, die Freien Wähler sind der Hauptkonkurrent.“

Dass sich die CSU bei den anstehenden Koalitionsgesprächen jedenfalls kaum auf einen gewandelten, zurückhaltenderen Aiwanger wird einstellen können, machte dieser schon klar. „Ich würde der CSU empfehlen“, sagte er am Montagmorgen, „jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten.“

Die ewige K-Frage in der Union

Einen Hauptgrund für den Erfolg der Freien Wähler, vor allem aber der AfD, die in Bayern mit 14,6 Prozent drittstärkste Kraft vor den Grünen wurde, sieht Söder jedoch gar nicht in Bayern, sondern bei der Bundesregierung – wenig überraschend. Diese habe sich einer Zusammenarbeit beim Thema Migration verweigert. „Die Deutschen, die Bayern wollen eine Wende in der Migrationspolitik.“ Er sei sich da mit CDU-Chef Merz „absolut einig“. Erstmals forderte Söder nun auch, eine Änderung des von der Verfassung gewährten Asylrechts zu erörtern.

Derweil dürfte in Berlin Friedrich Merz zur Kenntnis genommen haben, dass die glorreichen Ansprüche Söders auf eine übermächtige CSU am Sonntag mit dem Ergebnis einen entschiedenen Dämpfer erlitten haben. Söder geht geschwächt aus der Landtagswahl, auch wenn er die CSU in seiner eigenen Lesart am Sonntagabend nach Verkündung der Ergebnisse noch als „gestärkt“ gesehen hatte. Der Dauerrivale für die anstehende Kanzlerkandidatur, über die die Union im kommenden Sommer entscheiden will, muss nach diesem Ergebnis mit deutlicherem Gegenwind aus Berlin rechnen.

Für parteitaktische Fragen dürfte dabei in der CDU-Zentrale der Blick nach Wiesbaden genauso für Fragezeichen sorgen. Spitzenkandidat Boris Rhein war gerade in den letzten Wochen des Wahlkampfs in Hessen zumindest zaghaft auf Opposition zu den immer schriller werdenden Tönen aus dem Berliner Konrad-Adenauer-Haus gegangen. So hatte Rhein den vielfach kritisierten Äußerungen Merz’ zu Zahnersatzleistungen für Geflüchtete, wegen derer „deutsche Bürger“ keine Termine bekämen, eine Absage erteilt.

Friedrich Merz und Boris Rhein gaben sich nun alle Mühe, diese kleine Differenz wegzuwischen. Merz erklärte seine Aussagen kurzerhand sogar für einen sinnvollen Beitrag im Wahlkampf: „Ich habe für mein Zuspitzen in Hessen und in Bayern sehr, sehr viel Zustimmung bekommen. Das hat das Ergebnis in Hessen und Bayern auch nach oben gebracht“, sagte der CDU-Chef. Und auch Rhein sah am Montag keine Abgrenzung seinerseits zum Parteichef. Der Sieg ist der größte Garant für Harmonie.

Strahlend präsentierte sich derweil am Montag in Wiesbaden der Manager auch des Wahlerfolgs, CDU-Generalsekretär Manfred Pentz. Die hessische CDU verdanke den Erfolg „Stil und Stärke“ ihres Wahlkampfs, sagte Pentz und erläuterte, was das für ihn heißt: „Dass wir nicht mit Dreck werfen und mit schmutzigen Parolen argumentieren.“

Bereits am Montagabend wird in Hofheim der Landesrat, der kleine Parteitag der CDU, dem Wahlsieger ein Mandat zu Verhandlungen mit „den demokratischen Parteien“ erteilen. Es werde Gespräche sowohl mit den Grünen als auch mit den Sozialdemokraten geben; auch mit den Liberalen werde die CDU reden. Die CDU müsse ausloten, „in welchem Zustand die Sozialdemokraten“ nach der Niederlage seien und ob mit ihnen eine stabile Zusammenarbeit möglich sei. Der bisherige grüne Koalitionspartner gehe mit einem „Ideologiepaket im Rucksack“ in die Gespräche, sagte Pentz und ließ keine Priorisierung einer bestimmten Option erkennen.

Einst äußerte Merz die These der Hauptgegnerschaft, die für die Union bei den Grünen läge. Sie wird permanent konterkariert von drei Unionspolitikern, die als Ministerpräsidenten erfolgreiche Politik mit den Grünen machen. Rhein wurde in seiner Arbeit nun überragend bestätigt.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich einer der Kontrahenten Merz’ demnächst aus der Deckung wagt. Noch ist dafür ja auch mehr als ein Jahr Zeit. Da kann man den Parteivorsitzenden auch erst einmal mal zur Rührung bringen.

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2 Kommentare

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  • Sehr ausgewogene Analyse. Nur bin ich mir bei der "Rückendeckung" Aiwangers durch Markus Söder nicht so sicher von wegen Ursache und Folge.



    Mir kam es eher so vor, als ob der MP zumindest neue Sonntagsfragen abgewartet hätte bis er sich schließlich notdürftig zu seinem Koalitionspartner bekannte.



    Ich kann mich aus der Ferne täuschen, aber nach kompromissloser Loyalität und Rückendeckung sah mir das nicht aus. Eher wie das Akzeptieren der momentanen Contra-Ereiferungswelle und das entsprechende opportune Mitschwimmen kurz vor der Wahl.



    Machtpolitisch eventuell das Sinnvollste, mittelfristig nicht wirklich schadend, weil ...a hund isser scho! und langfristig sitzt der Herr Söder wenns sein muss in Monaco oder Kanada.

  • Realpolitisch ändert sich hingegen erstaunlich wenig, außer dass die Hessen-CDU den Koalitionspartner wechseln kann.

    Naja und dass die AfD nun auch in westdeutschen Landtagen den pOLiTiscHeN diSkURs diktieren kann. Nicht immer, aber immer öfter.

    Für die AfD ist die Hauptaufgabe nun, die Union zum Juniorpartner der Herzen zu degradieren. Das geht auch - Adolf hat es vorgemacht - wenn die Konserven zahlenmäßig überlegen sind, solange die Überzahl der Abgeordneten sich nicht auch in einer Überzahl von ideologisch geschärftem Spitzenpersonal wiederspiegelt. Da hat die AfD die besseren Karten - die CDU hat noch massenweise verschnarchte Volkspartei-Hinterbänkler, während das Höcke/Petry-Netzwerk selektiv die schärfsten ScharfmacherInnen auf die Landeslisten der AfD befördert hat.