Russland und der europäische Fußball: Im Fantasiereich von Watzke und Co
Auch deutsche Funktionäre stimmen für die Rückkehr Russlands in den europäischen Juniorenfußball. Warum? Der Preis könnte die Spaltung der Uefa sein.
V ier Tage hat es gedauert, bis am Freitag bekannt wurde, wie die deutschen Vertreter sich bei der umstrittenen Entscheidung des Uefa-Exekutivkomitees verhalten haben. Hans-Joachim Watzke und Karl-Heinz Rummenigge haben sich für die Rückkehr russischer Nationalteams in Europas Jugendfußball entschieden. Der Druck des Sich-erklären-Müssens wurde zu groß. Doch klar ist in dieser Angelegenheit wenig.
Die Bekenntnisse von Watzke legten etwa nahe, dass er als Privatperson sprach und nicht abgestimmte Positionen als Repräsentant des deutschen Fußballs vortrug. Das ist von großer Bedeutung, weil die Uefa-Entscheidung vom Dienstag bereits Boykotterklärungen aus der Ukraine, Polen, Lettland, Schweden, Norwegen, Litauen und England zur Folge hatte.
Die jeweiligen Verbände erklärten, sie würden bei russischer Beteiligung an der U17-EM 2024 nicht teilnehmen. Die Uefa ist gespalten. Folgt der DFB jetzt der Watzke-Linie?
Die nationalen Fußballverbände selbst wurden von der Uefa nicht darüber informiert, dass ihr höchstes Gremium diese Woche eine Entscheidung in dieser Angelegenheit treffen wollte. Das kritisierte die norwegische Präsidentin Lise Klaveness. Offenbar versteht sich das Exekutivkomitee auch als Exklusivkomitee. Mitglied dieses Machtzirkels ist der russische Fußballpräsident Alexander Djukow, der Manager einer Gazprom-Tochtergesellschaft ist. Bis zum Kriegsbeginn in der Ukraine war Gazprom Großsponsor der Uefa.
Politische Vereinnahmung von Kindern
Doch warum riskiert die Uefa für diese Entscheidung den inneren Frieden? Dass es dabei um den Schutz von Kindern geht, die nichts für den abscheulichen Krieg könnten und „in deren Leben keine politische Willensbildung stattgefunden“ habe, wie Watzke im Sinne des Uefa-Exekutivkomitees erklärte, dürfte nur naiven Gemütern als Erklärung genügen.
Sollte Russland tatsächlich an der U17-EM mitwirken, dürfte die politische Vereinnahmung, vor welcher man die russischen Jugendlichen angeblich schützen will, geradezu erdrückend sein. Stellvertretend für alle Erwachsenenteams würde ihrem Abschneiden in Russland besondere Aufmerksamkeit zufliegen.
Empfindlich reagierte die Uefa schon, als sie massiv für die Zulassung von Belarus zur EM-Quali kritisiert wurde, obwohl das Land den Angriffskrieg Russlands unterstützt. Uefa-Chef Aleksander Čeferin nannte die Kritik „ein bisschen populistisch“ und empfahl: „Die Politik sollte unsere Entscheidungshoheit respektieren. Wir predigen Regierungen auch nicht, was sie tun sollen.“ Auch damals setzte man sich über Kritik aus Mitgliedsländern hinweg. Im Fantasiereich der Spitzenfunktionäre wird die eigene Autonomie auch gegen die Wirklichkeit hart verteidigt.
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