piwik no script img

Fußballverband in NorwegenMit Lise aus der Krise

Erstmals übernimmt beim norwegischen Fußballverband eine Frau die Chefposition der Nationalteams. Und zwar bei Männern und Frauen.

Lise Klaveness (Archivfoto aus dem Jahr 2013) Foto: Imago / Digitalsport

Stockholm taz | Lise Klaveness kann sich über reichlich Vorschusslorbeeren freuen. Ihr künftiger Arbeitgeber lobt sie als „natürliche Führungspersönlichkeit“ und hebt die „Kombination aus Wissen, Ausbildung, Erfahrung, kommunikativen und Teambuildingsfähigkeiten“ hervor. Die Tageszeitung VG spricht von einer „spannenden Wahl“, mit der ein „wichtiger und richtiger Schritt“ gemacht werde, und vergisst nicht zu erwähnen, dass Norwegen damit mal wieder „historisch“ geworden sei.

Erst ein gutes halbes Jahr ist es her, als sich der norwegische Fußballverband dieses Etikett zuletzt aufkleben konnte. Da beschloss er das Ende der Zweiklassengesellschaft: Für Frauen gibt es bei der Nationalelf nun die gleichen finanziellen Bedingungen wie für die Männer. Nun wird mit Klaveness erstmals eine Frau für die Chefposition des Verbands für die Fußballnationalteams der Männer und der Frauen zuständig.

Die 37-Jährige soll damit eine zentrale Rolle für deren „künftige Resultate auf internationalem Niveau“ spielen, hofft Norges Fotballforbund (NFF). Gerade bei den Männern ließen diese zuletzt auf sich warten. Während die Frauen bei internationalen Turnieren Dauergast sind, haben die Männer seit den 1990er-Jahren keine WM-Qualifikation mehr geschafft.

Ihre aktive Karriere hatte Klaveness vor sieben Jahren beendet. 15 Jahre lang hatte sie für norwegische und schwedische Vereine mehrere nationale Meisterschaften gewonnen und war vorwiegend im Angriff 73-mal für das Nationalteam angetreten. Die studierte Juristin arbeitete sowohl als Rechtsanwältin wie als Richterin und wechselt nun von einer Anstellung als Bankjuristin bei der norwegischen Zentralbank zum neuen Job. Klaveness ist Mutter des fünfjährigen Viljar – „er hat statt einem Vater zwei Mütter“ –, ihre Lebensgefährtin Ingrid ­Sæthre spielte früher ebenfalls im Nationalteam.

Nun erstmal kommentieren

„Fußball war meine erste große Liebe“, der Sport sei eine „regelrechte Rettung“ gewesen, als sie als Jugendliche „so gar keine Rolle fand, die für mich Sinn ergab“, erzählte sie vor Jahren in einem Interview. Ihr Vater, der als Trainer arbeitete, „war ehrlich und zeigte sich von meinen fußballerischen Leistungen gar nicht imponiert“. Was sie anspornte, in jeder freien Minute Balltechnik zu üben, „auch bei der Konfirmation und der Beerdigung des Großvaters war immer der Ball dabei“. Sie habe Gedichte über den Fußball geschrieben: „Er wurde so etwas wie ein Tagebuch für mich.“

Im Alter von 16 Jahren hatte sie es dann geschafft: Erste Spiele für die Spitzenmannschaft Sandviken und die U16-Nationalelf. Wo es allerdings gleich einen Konflikt mit Nationaltrainer Bjarne Berntsen gab: „Er meinte, es hätte keinen Sinn mit mir, ich sei zu individualistisch.“

Fußball war meine erste große Liebe.

Lise Klaveness

„Weil die Beziehung zu meiner ersten Liebe auch heute noch leidenschaftlich ist“, sei für sie der neue Chefposten ein „enormes Privileg“, sagt Klaveness. Der norwegische Fußball sei eigentlich eine Erfolgsgeschichte, denn es gebe wenig Länder, die relativ gesehen einen so hohen Anteil an Aktiven hätten: „Nur international läuft es eben schlechter als erwartet.“

Bevor sie ihren neuen Job zum 15. September antritt, macht Klaveness ab Ende dieser Woche erst einmal, was sie schon vor vier Jahren – damals aus Brasilien – gemacht hatte: für das norwegische Fernsehen NRK Spiele der Männerfußball-WM kommentieren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!