piwik no script img

Verfassungsklage der UnionsfraktionScholz' Hamburger Vergangenheit

Als Bürgermeister hat Olaf Scholz möglicherweise einer Skandalbank geholfen. Die Ampel verhinderte einen U-Ausschuss. Jetzt klagt die Unionsfraktion.

Cum-Ex in Hamburg: Seine Gegner bleiben dran wie hier bei einer Kundgebung am 1. Mai in Hamburg Foto: aal.photo/imago

Berlin taz | Die CDU/CSU-Fraktion hat Verfassungsklage gegen den Bundestag erhoben, weil die Ampel-Mehrheit einen Untersuchungsausschuss zur politischen Glaubwürdigkeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) abgelehnt hat. Umstritten ist, ob der Bundestag Vorgänge aus der Hamburger Regierungszeit von Olaf Scholz als Erster Bürgermeister untersuchen darf.

Konkret geht es um die Frage, warum das zuständige Hamburger Finanzamt 2017 auf die Rückforderung rechtswidrig erhaltener Steuererstattungen in Höhe von 47 Millionen Euro gegenüber der Skandalbank M.M.Warburg verzichten wollte. Es ging um Einnahmen der Bank aus den strafbaren Cum-Ex-Manipulationen, für die einige der Warburg-Manager inzwischen strafrechtlich verurteilt wurden. Damals hatte sich der Bankier Christian Olearius mehrfach mit Bürgermeister Scholz getroffen und vor einer Existenzbedrohung für die Hamburger Privatbank gewarnt.

Anschließend änderte das Finanzamt seine Haltung zugunsten der Bank und sah die Forderung als verjährt an. Scholz bestreitet einen Zusammenhang und konnte sich lange Zeit nicht einmal an die Treffen mit dem Bankier erinnern. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sorgte dann dafür, dass Hamburg die Steuern doch zurückforderte. Warburg hat inzwischen das Geld zurückbezahlt.

Zu diesem Vorgang gibt es bereits einen Untersuchungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft. Doch die CDU/CSU-Fraktion wollte einen weiteren Untersuchungsausschuss im Bundestag einrichten. Eigentlich hat eine Minderheit von 25 Prozent der Abgeordneten einen Anspruch darauf, dass ihrem Einsetzungantrag stattgegeben wird. Doch am 5. Juli lehnte der Bundestag mit der Ampel-Mehrheit den Unions-Antrag ab. Der Bundestag habe keine Befugnis, Vorgänge in den Bundesländern zu untersuchen.

Wurde der Anspruch auf einen U-Ausschuss verletzt?

Gegen diese Ablehnung des Untersuchungsausschusses durch die Ampel-Mehrheit hat die Unions-Fraktion nun eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Die Abgeordneten sehen ihren grundgesetzlichen Anspruch auf einen Untersuchungsausschuss verletzt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundestags habe die Mehrheit einen Einsetzungsantrag völlig (und nicht nur teilweise) abgelehnt.

Die Unions-Abgeordneten machen in ihrer Klage geltend, dass der Bundestag selbstverständlich Vorgänge untersuchen kann, die die politische Glaubwürdigkeit des aktuellen Bundeskanzlers in Frage stellen. „Ein Bundeskanzler, der in die rechtswidrige Niederschlagung von Steuerforderungen verwickelt ist, wäre politisch nicht mehr tragfähig“, heißt es in der Klage. Dabei sehen die Unions-Abgeordneten zwei Anknüpfungspunkte. Zum einen gehe es um Scholz' Handeln als Bürgermeister in Hamburg, zum anderen aber auch um seine teilweise lückenhaften und widersprüchlichen Auskünfte bei der Aufarbeitung der Warburg-Affäre.

Zudem wollen die Abgeordneten die Rolle des ehemaligen SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs aufklären. Kahrs hatte sich innerhalb der Hamburger SPD für die Interessen der Warburg-Bank eingesetzt. Parallel dazu erhielt sein SPD-Kreisverband Spenden der Bank. Kahrs legte im Mai 2020 sein Bundestags-Mandat nieder.

Der größte Teil der Organklage versucht aber zu belegen, dass auch die Eigenständigkeit von Bund und Ländern nicht gegen den Untersuchungsausschuss spricht. Da die bei den Cum-Ex-Geschäften hinterzogenen Steuern Bund und Ländern gemeinsam zustehen, habe der Bundestag schon aus seiner „haushaltspolitischen Gesamtverantwortung“ eine Befugnis, die Vorgänge in Hamburg zu untersuchen. Wenn in Hamburg rechtswidrige Steuererstattungen nicht zurückgefordert werden, fehle das Geld auch dem Bund.

Keine Fehler von Bundesbehörden bisher bekannt

Außerdem seien die Bundesländer bei der Steuerverwaltung im Auftrag des Bundes tätig. Der Bundesfinanzminister könne deshalb Weisungen geben und Akten einsehen. Dementsprechend könnten auch die Abgeordneten prüfen, ob der Bundesfinanzminister seine Aufgabe korrekt wahrgenommen hat. Die Union räumt ein, dass der Bundestag in diesem Zusammenhang die Tätigkeit der Hamburger Behörden „nicht politisch bewerten“ darf, aber als „Vorfrage“ doch feststellen darf, was in Hamburg passiert ist.

Dass Bundesbehörden beim Umgang mit den Warburg-Millionen Fehler gemacht haben, ist bisher allerings nicht bekannt. Die Koalition wirft der CDU/CSU deshalb vor, ihr Interesse an der Bundesauftragsverwaltung sei vorgeschoben, eine „Motivlüge“. In Wirklichkeit gehe es ihr doch vor allem um das Verhalten der Hamburger Behörden und insbesondere des damaligen Bürgermeister Olaf Scholz. Über die Organklage muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Das kann Jahre dauern. Ein Eilantrag wurde von der CDU/CSU-Fraktion nicht gestellt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Schöne Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Verfassungsjurist:innen.🤨



    //



    "Anschließend änderte das Finanzamt seine Haltung zugunsten der Bank und sah die Forderung als verjährt an. Scholz bestreitet einen Zusammenhang und konnte sich lange Zeit nicht einmal an die Treffen mit dem Bankier erinnern."*



    //



    Mal im Ernst: Glaubt das wirklich jemand, dass das alles auf so niedrigem Dokumentationsniveau abgehandelt wird? Wissen die beteiligten Personen eigentlich, was Zertifizierung und Akkreditierung bedeutet, oder ist Politik ein Sonderfall der Transparenz? Sind wir schon eine "Bananenrepublik"?



    //



    www.wiwo.de/politi...ffen/27365838.html



    //



    "Man muss auch mal einen Schlussstrich ziehen können",



    so der Volksmund.



    Anschließe mich ausdrücklich nicht!!!

  • Irgendiwe traurig... Baun CDU-Poltiker*innen Mist, fordern die andern Parteien U-Ausschüsse, schimpfen über fehlenden Anstand und Integrität. Aber kaum baun die eigenen Leute Mist, ist das alles egal und es wird verzögert was das Zeug hält oder zur Not sogar die paar mit Rückgrad rausgeekelt (s. Miriam Block in Hamburg). Integrität? Hä was ist das kann man das essen? Und sich dann wundern wenn die Leute keinen Bock mehr auf Politik(er*innen) haben

  • Also mich würde ja schon brennend interessieren was da von Statten ging ...

  • Motivlüge... interessant. Ich kenne recht viele juristische Fachbegriffe, dieser war mir bislang entgangen.

  • Das selektive Erinnerungsvermögen eines Politikers.

    Fabio de Masi, der Mann mit dem für deutsche Ohren wunderbar klingenden Namen, ist davon überzeugt, dass Scholz lügt. Er hat ihn deswegen angezeigt.

    Nachzulesen in der Berliner Zeitung, leider hinter Paywall:

    "Herr Scholz konnte sich etwa vor der Sommerpause in einer Pressekonferenz erinnern, dass er vor über 40 Jahren das letzte Mal in Rahlstedt-Großlohe im Freibad war. Aber an mehrfache vertrauliche Treffen mit einem einflussreichen Hamburger Bankier, gegen den wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wurde, will sich der Kanzler partout nicht erinnern? Das war schon immer unglaubwürdig.



    Nun lässt sich aber ein konkreter Beweis erbringen – ganz ohne den Kopf des Kanzlers aufzuschrauben. Denn Scholz hat ein Treffen unter Berufung auf seinen Kalender bestätigt, das gar nicht mehr in seinem Kalender stand. Er muss sich daher daran erinnert haben. In eine unwahre Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage war Scholz bzw. sein engstes Umfeld frühzeitig eingebunden. Auch hierüber wurde die Unwahrheit gesagt."

    • @Jim Hawkins:

      Tja - der Alte aus Wiedensahl hat recht!



      “Alter schützt vor Torheit nicht“



      “Nein sowas!

      Ein altes verständiges Schwein.

      Und fällt kopfüber ins Faß hinein!“

      www.zeno.org/Liter...ht#google_vignette

      Besonders passend finde ich die Bäuerin

      Die mit der Latüchte sucht Licht in den Saustall zu bringen! - 🙀🥳 - 🙈🙉🙊 -😡 -

      Na Mahlzeit

  • "„Ein Bundeskanzler, der in die rechtswidrige Niederschlagung von Steuerforderungen verwickelt ist, wäre politisch nicht mehr tragfähig“".



    Stimmt !



    Ich sage das ausdrücklich deswegen, weil ich Herrn Scholz in meinen letzten Beiträgen zu sehr gelobt hatte. Aber ich sah das immer im Vergleich mit den anderen Luftpumpen.