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Umstrittene Klimaschutzgesetz-ReformLex Wissing auf dem Weg

Der Bundestag berät die Klimaschutzgesetz-Reform, mit der CO2-Ziele für Sektoren abgeschafft werden. Davon profitiert der Verkehrsminister.

Freut sich besonders über die Abschaffung der Sektorenziele: Verkehrsminister Volker Wissing Foto: Emmanuele Contini/imago

Berlin taz | Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert die Abgeordneten des Bundestags auf, Gegenwehr gegen die Reform des Klimaschutzgesetzes zu leisten. „Die Bundesregierung verstößt vorsätzlich gegen das Bundesklimaschutzgesetz, damit auch gegen den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und die Grundrechte aller künftigen Generationen“, heißt es einem Aufruf der DUH an die Abgeordneten.

Am Freitag will der Bundestag in erster Lesung gravierende Änderungen im Klimaschutzgesetz beraten. Bislang gelten harte Grenzen für den Ausstoß von CO2 in einzelnen Sektoren wie Verkehr, Energie oder Industrie. Werden sie gerissen, müssen die zuständigen Ministerien ein Sofortprogramm aufstellen, mit dem gegengesteuert wird. Künftig will die Bundesregierung nur noch eine mehrjährige Gesamtabrechnung vor- und Sofortprogramme als Ganzes auflegen. Entlastet wird damit vor allem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der bislang kein von Fachleuten akzeptiertes Sofortprogramm vorgelegt hat, obwohl die CO2-Ziele in seinem Geschäftsbereich gerissen wurden. Die geplanten Änderungen empören Umweltverbände und Klimaaktivist:innen.

Bereits am Donnerstagnachmittag stand die Verabschiedung des Energieeffizienzgesetzes auf der Tagesordnung des Bundestags, die vor der Sommerpause mangels Beschlussfähigkeit gescheitert war. Damit werden neue Vorgaben zum Energiesparen eingeführt. Bis 2030 soll zum Beispiel der Endenergieverbrauch gegenüber 2008 um 26,5 Prozent sinken. Unternehmen werden verpflichtet, ihren Energieverbrauch zu erfassen. An Privatleute richtet sich diese Neuregelung nicht. „Deutschland bleibt mit diesem Gesetz weit unter seinen Möglichkeiten“, sagte der Linksparteiabgeordnete Ralph Lenkert. Unternehmen würden nicht dazu gezwungen, Maßnahmen umzusetzen. Gleichzeitig würde die Regierung aber Bür­ge­r:in­nen mit dem Heizungsgesetz zum Handeln zwingen.

Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) begrüßte das Gesetz. Sie kritisierte aber, dass „geplante, wirkungsvolle Maßnahmen seit dem ersten Referentenentwurf stark aufgeweicht“ wurden. So gelten Vorschriften für Unternehmen erst ab einem höheren Verbrauch als ursprünglich vorgesehen. Deutschland setzt mit dem Gesetz die EU-Energieeffizienzrichtlinie um. Laut der DENEFF wird die Regierung den Vorgaben nicht gerecht und riskiert eine Rüge aus Brüssel. So fehle in dem Gesetz die jährliche Sanierungsrate von 3 Prozent für öffentliche Gebäude.

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8 Kommentare

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  • dserver.bundestag....20/082/2008290.pdf

    Der Gesetzentwurf wird heute ab 13.15 Uhr im Bundestag diskutiert und wir live übertragen.

  • Liebe Journalisten,



    Ich habe eine brennende Frage:



    Was hat Wissing gegen den Rest der Koalition in der Hand, dass er sich trotz nun vielfach bewiesener Unfähigkeit immer wieder gegen jeden auch nur halbwegs gesunden Menschenverstand durchzusetzen vermag.



    Ich persönlich spekuliere auf Dicpics von Habeck an Scholz oder dergleichen. Bitte belehrt mich eines anderen. Es käme ja auch in Frage, dass er einfach mehr Geld von der Autoindustrie kriegt als die anderen Minister, und sie haben im Beratervertrag festgelegt, dass immer der die Entscheidungen trifft, der auf der Einkommensliste ganz oben steht.



    Auch hier wäre ich dankbar für jede Widerlegung.



    Obwohl ... dann fällt mir eigentlich nur noch ein, dass der einfach böse ist und Kinder hasst und ihnen eine möglichst finstere Zukunft verschaffen will.



    Aber vielleicht fehlt mir auch nur die Fantasie, andere Möglichkeiten zu finden.



    Also, Journalisten, wer's herausfindet, warum ein einzelner Mensch den Bremsklotz für die komplette Regierung und damit eine ganze Republik machen kann, bekommt von mir eine dicke Belohnung. Flasche Sekt oder so. Oder ich mach ein Crowdfunding: Wer entlarvt Wissing? Dem es gelingt, winken sämtliche Einnahmen.

  • Gibts öffentlich verfügbare Informationen zu den Hintergründen?



    - Vor wem stammen die Änderungen (Partei, Person)?



    - Was ist der Hintergrund (-> Beinflussung durch Lobbyisten, Kontakt zu Lobbyorganisationen etc.) der Person, von der die Änderungen stammen ?



    - Wieso haben die Grünen das durchgewinkt?

  • Ich verstehe die Mechanik dahinter überhaupt nicht... wenn ein Ressort also die Klimaziele nicht einhält, müssen die anderen Ressorts das übernehmen. So weit klar. Und wenn die das auch nicht tun? Dann übernimmt das kein Ressort.



    Irgendwie ist das doch schon im Ansatz Gedankenmüll.

  • Hierzu bitte nähere Erläuterungen:

    "Künftig will die Bundesregierung nur noch eine mehrjährige Gesamtabrechnung vor- und Sofortprogramme als Ganzes auflegen."

    Was passiert insbesondere mit Mehremissionen in Vorjahren: Sollen die nach geltendem Gesetz in Folgejahren ausgeglichen werden, und wie ist das nach der Gesetzesänderung geregelt?

  • Ach.



    Der Referententwurf wurde "aufgeweicht".

    Kann die taz da bitte mal nachrecherchieren?



    Was genau und von wem? Vergleich vorher/nachher? Welche Lobbytreffen haben das mit wem erreicht?



    Ohne genaue Info ist dieser Artikel nur blabla.

    • @So,so:

      Zwei kleine Hinweise für die taz dazu: Laut DENEFF-Pressemitteilung wurden insbesondere konkrete Ziele über 2030 hinaus gestrichen. Und wenn man das Wortprotokoll des Ausschusses mal ansieht (www.bundestag.de/r...-Sitzung-data.pdf), stellt man fest, dass der Vertreter der FDP, Herr Kruse, erstaunlich oft die von der CDU/CSU benannten Sachverständigen befragt und ihnen Gelegenheit gibt, den Gesetzentwurf als Bürokratiemonster darzustellen. (Die DENEFF wurde übrigens von den Grünen benannt).

      • @Zangler:

        Danke, interessant.

        Wikipedia: "Von März 2015 bis März 2020 war Kruse Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft [...] Seine Themen waren insbesondere die klassische Wirtschaftspolitik wie Hafen, Handwerk und Industrie sowie die Stärkung der Hamburger Gründerszene. Daneben war er für den Bereich der öffentlichen Unternehmen zuständig. Kruse war Mitglied in folgenden Ausschüssen: Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien, Ausschuss Öffentliche Unternehmen, Ausschuss für Umwelt und Energie, Gesundheitsausschuss, Datenschutzgremium und Europaausschuss. Zudem war er Mitglied des Ältestenrates der Bürgerschaft."

        Also das Wirtschafts-Faktotum der Hamburger FDP während Scholz' Cum-Ex-Jahren.



        (Zur Klarstellung: die Olearius/Warburg-Deals wurden in den Amtszeit von Ole von Beust erfunden und durchgezogen, als Scholz Bundesarbeitsminister war.

        Aber die Vertuschung bzw die Verhinderung der Aufklärung fällt just in die Zeit, als Scholz Erster Bürgermeister von Hamburg war, und Kruse eine - wenn nicht *die* - Schlüsselperson der Opposition. Grüne und CDU waren ja genauso wie Scholz in dem Sumpf drin; die hatten ja die Hinterziehung der 47 Millionen nicht verhindert; Scholz war damals gar nicht involviert, sondern kam erst in Stufe 2, ins Spiel, bei der Verschleppung der Rückzahlung der gestohlenen Gelder.)

        Platt gesagt: kann gut sein, dass es exakt dieser Kruse ist, dessen Nichtstun in den Jahren 2016-2020 Scholz zum Kanzlerkandidaten machte.

        Ansonsten hat Kruse nahezu keine Qualifikation für den Klimaschutz- und Energieausschuss. Gymnasiale-Oberstufe-Wissen und paar Jahre Ausschusstätigkeit - das ist so, als würde ich Polizeichef, weil ich nach dem Abi 3 Jahre lang jeden "Tatort" geschaut habe.



        Aber *das* ist echt nix Besonderes - selbst die Delegierte der Grünen hat nur eine begrenzt relevante Ausbildung (aber immerhin knapp 10 Jahre vollrelevante Berufserfahrung).

        Von den CDU-"Experten" ist allein Bolay ein solcher; Rottenburg ist Emissionshandel-Jubelperser.