Langzeitfolgen der Pandemie: Wie viel Long Covid kostet
Wissenschaftler:innen versuchen zu berechnen, wie teuer die langfristigen Pandemiefolgen werden. Ihre Ergebnisse sind aber noch ziemlich ungenau.
Die per Konjunktiv zum Ausdruck gebrachte Vorsicht erscheint geboten: Die Berechnung ist bestenfalls eine grobe Annäherung. Sie geht zurück auf eine Online-Befragung, die das RWI mit dem Selbsthilfeverband Long Covid Deutschland durchgeführt hat. 1.021 Betroffene machten darin Angaben zu Symptomatik, Erfahrungen im Gesundheitssystem und zur Dauer ihrer Krankschreibung.
Bei den Befragten betrug die durchschnittliche Krankschreibungsdauer 237 Tage, dies multiplizierte das RWI mit dem durchschnittlichen Bruttoverdienst und errechnete so die gut 22.000 Euro als Indikator für den Produktionsausfall.
Es ist eine Annäherung mit Grenzen: Einerseits kann die Stichprobe nicht repräsentativ sein – diejenigen, die nach kurzer Zeit wieder weitgehend genesen sind, dürften seltener an der von einer Selbsthilfegruppe organisierten Befragung teilgenommen haben. Andererseits lässt sie offen, ob Personen aus der Umfrage nach der Befragung noch länger als angegeben krankgeschrieben blieben. Beim RWI spricht man daher von einer „Momentaufnahme“.
Viele Fragen ohne Antworten
Vergleichsweise hoch ist der so errechnete Wert jedoch zweifellos. Zum Vergleich: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) schätzt jedes Jahr die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle durch Arbeitsunfähigkeit insgesamt, also unabhängig von bestimmten Erkrankungen. Zuletzt kam sie für das Jahr 2021 auf einen Wert von 2.174 Euro pro Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin, bei durchschnittlich 17 Krankheitstagen.
Das ganze Ausmaß der gesellschaftlichen Folgen von Long Covid können derartige Berechnungen mithilfe der Arbeitsausfälle freilich nicht sichtbar machen. Den Versuch, möglichst alle Kosten zu fassen, unternahm im Juni der Gesundheitsökonom Afschin Gandjour – Professor an der Frankfurt School of Finance & Management und ein früherer Mitarbeiter des heutigen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), als dieser noch als Wissenschaftler tätig war.
Für seine Studie schätzte Gandjour den long-covid-bedingten Produktionsverlust in Deutschland für das Jahr 2021 auf insgesamt 3,4 Milliarden Euro. Hinzu kamen in seiner Projektion ein Verlust an Bruttowertschöpfung von 5,7 Milliarden Euro sowie Gesundheitsausgaben, näherungsweise auf Basis von Reha-Kosten dargestellt, sowie Rentenzahlungen von zusammen genommen 1,7 Milliarden Euro.
Langzeitfolgen den Pandemie können teuer werden
Der Ökonom ging davon aus, dass mittelfristig 0,4 Prozent der Beschäftigten wegen Long Covid ganz oder teilweise aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Dies ist zugleich die wackeligste aller Größen bei den volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtungen: Wie viele Menschen überhaupt an Long Covid erkranken, wie viele von ihnen wie lange ausfallen und welche Therapiekosten möglicherweise über Jahre hinweg für sie entstehen – für all diese Fragen gibt es bislang keine aussagekräftigen Daten.
Die Krankheitstage jedenfalls können kein realistisches Bild der Betroffenheit zeichnen. Manch moderat Betroffener schleppt sich im Beruf noch irgendwie durch oder wechselt auf eine Teilzeitstelle – taucht damit aber in keiner Statistik auf. Therapiekosten „verursachen“ diese Menschen dennoch.
Wie groß der gesellschaftliche Schaden von Long Covid ist, lässt sich also noch lange nicht zuverlässig beziffern. Sicher ist nur: Die chronifizierten Spätfolgen der Pandemie kommen die Gesellschaft teuer zu stehen.
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