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Einigung bei Kindergrundsicherung2,4 Milliarden gegen Kinderarmut

Nach zähem Ringen bringt eine Runde im Kanzleramt die Einigung bei der Kindergrundsicherung. Vor allem Scholz hatte auf mehr Geschlossenheit gedrängt.

Einigung über mehr Hilfen für Kinder: Finanzminister Lindner und Familienministerin Paus Foto: dpa

Berlin dpa/epd | Die Ampel-Koalition hat sich über eine Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung verständigt. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprach am Montag in Berlin von zum Teil „sehr harten Verhandlungen“, aber es habe sich gelohnt. „Die neue Kindergrundsicherung kommt“, betonte sie. Im Jahr 2025 sollen ihren Angaben nach 2,4 Milliarden Euro zusätzlich für die Reduzierung der Kinderarmut zur Verfügung gestellt werden. In den Jahren danach gehe sie von steigender Inanspruchnahme aus.

In der Kindergrundsicherung sollen Familienleistungen zusammengefasst, vereinfacht und automatisch ausgezahlt. Dazu zählen das Kindergeld, der Kinderzuschlag für Familien mit niedrigen Einkünften, die Sozialhilfe für Kinder sowie Unterstützungen für Schulsachen und Freizeit. Die Kindergrundsicherung gilt als das wichtigste sozialpolitische Vorhaben der Ampel-Koalition.

Familienministerin Paus hatte zunächst zwölf Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt, ihre Forderungen dann auf bis zu sieben Milliarden Euro reduziert, während Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Ausgaben bei zwei Milliarden Euro deckeln wollte. Der Einigung war ein monatelanges Ringen vorangegangen.

Am Sonntagabend waren Scholz, Paus und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu Gesprächen im Kanzleramt zusammengekommen. Gegen Mitternacht wurde bekannt, dass man sich bei der Kindergrundsicherung zusammengerauft hat. Lindner hatte zuvor im ZDF-“Sommerinterview“ gesagt, dass er mit einer schnellen Einigung auf Eckpunkte rechne. Danach würden Verbände und Länder beteiligt, und erst dann werde es einen fertigen Gesetzentwurf geben, der an den Bundestag gehe.

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27 Kommentare

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  • ...wieviele Milliarden wurden für die Rüstungsindustrie- von einem Tag auf den anderen - freigegeben...

    Das Prozedere um die Grundsicherung für Kinder hat vergleichsweise etwas länger gedauert-- aber hier ging es ja auch um unseren Nachwuchs und somit baldigen Fachkräfte - warum beteiligen sich nicht Industrie & Wirtschaft an deren Förderung....

  • Bei den "2,4 Milliarden" bleibt es doch nur dann, wenn (wie für 2025 angenommen) nur 47-48% der dann Antragsberechtigten beantragen. Beantragen es wesentlich mehr Antragsberechtigte, dann ergeben sich auch wesentlich höhere Summen. Die Bundespressekonferenz mit Lisa Paus, Christian Lindner und Hubertus Heil ist aufgezeichnet und auf www.youtube.com/watch?v=I3-lhGk3bjo nachzuverfolgen. Zur Gesamtsumme einschlägig sind besonders die Aussagen bzw. Antworten der Familienministerin ab Minute 3.43 bis 4.07 und ab 37.20 bis 40.23. Auch sonst lohnt m.E. das genaue Zuhören.

    • @Tobias Balke:

      👍👍

  • Wer wirklich was für Kinder tun will, der sorgt für genügend Kitas und moderne Schulen mit genügend Personal, mit Ganztagsbetreuung und Hausaufgabenhilfe, dann hat jedes Kind was davon. Einfach nur mehr Geld an die Eltern überweisen nutzt leider nicht allen Kindern (aber Gott sei Dank doch bei den meisten), wie wir schon öfters gelesen haben.

    • @Rudi Hamm:

      Das liberale Märchen bzw. deren Menschenverachtung geht ungefähr so:



      "Waaas? Geld für die Armen? Dabei beweisen die Armen durch ihre Armut selbst, dass sie nicht mit Geld umgehen können, sonst wären sie ja nicht arm, nicht wahr?! Hätten sie doch mal in (die richtigen Aktien) investiert! Und wer Fehler macht, den/die soll mensch ja nicht noch dafür quasi belohnen, indem mensch ihnen Geld gibt."



      Und ja, was hat die Spaßpartei eigentlich für die Anhebung der unteren Einkommen wie Löhne etc. gemacht? Was haben sie für bessere Bildung gemacht? Und was machen die Liberalen für die Gesundheit der Armen? Wie wird Werbung und Gewinn sowie Folgen der Süßigkeits- und Fast Foodindustrie begegnet? Gibt es ein Werbeverbot, Zuckersteuer? Abschaffung von Krankenkassen-Zuzahlungen? ...

      • @Uranus:

        Was habe ich mit ihrem "liberalen Märchen" am Hut?

        • @Rudi Hamm:

          Sie beten hier Spaßpartei-Erklärungen herunter. So was (Misstrauen gegenüber Armen) hat bpsw. Lindner zuletzt geäußert. Das Märchen ist eine Polemik/Satire darauf, wie die Spaßpartei auf die Armen (herab)blickt.

          • @Uranus:

            "Spaßpartei-Erklärungen"

            Kitas sind keine Spaßveranstaltungen und wesentlich wichtiger als das Papa sein Portmonai aufmacht und generös Geld an die Kleinen verteilt.

            Die Linke hat den Fokus verloren. Es braucht Rundumversorgungen in Kitas und Schulen.

      • @Uranus:

        Es würde reichen, auch ohne Aktieninvestitionen eine der zahllosen offenen Stellen anzunehmen, die es derzeit gibt.

        • @Dr. McSchreck:

          Reicht das wirklich? Wie sind denn so die Bezahlung, die Arbeitsbedingungen?

        • @Dr. McSchreck:

          ...aus meinen Erfahrungen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit mit vielen Berufstätigen Aufstockern, möchte ich mich sehr für Ihren fundierten, für sich sprechenden Beitrag herzlichst bedanken

  • An anderer Stelle war von etwa 5 Mio Familien die Rede denen nun besser geholfen werden kann.



    Wir dividieren also der Einfachheit halber 2,5 Mrd € mit 5 Mio Familien. Rummsassa: 500 €/Familie und Jahr oder ca. 40 €/ mon. Das sieht natürlich nach echter Armutsbekämpfung aus und daher hat sich das Hickhack auch sicher voll ausgezahlt für die Ampel bei der Wählerschaft. Man muss davon ausgehen, dass von den 2,4 Mrd zudem jede Menge in der Verwaltung versickert wegen neuer Stellen und Behördenkram. Alles nur noch schlimm hier. Und jeder fühlt sich als Sieger.



    Bei der Leichtathletik WM wars gestern in den Interviews genauso: Niemand gewinnt irgendwas.... aber alle sind/waren doch hoch motiviert und haben einen guten Job gemacht und sind für sich weitergekommen und alles ganz toll. Ich habe langsam Bedenken wegen des Geisteszustands hier im Lande.

    • @Tom Farmer:

      Man sollte sich schon mit dem Thema befassen, dass man kommentiert. Es geht nicht um 2,5 Milliarden Euro, die an "arme Kinder" verteilt werden sollen.

      Kindergrundsicherung das ist einmal ein monatlicher Grundbetrag (ähnlich dem Kindergeld), den alle Kinder bis 25 erhalten (bzw. deren Eltern). Höhe derzeit 250 Euro.



      Für Familien mit geringem Einkommen kommt dann noch mal ein Zusatzbeitrag von bis zu 150 Euro dazu.

      Also nix mit 40€/mon.

      Insofern geht es auch nicht um Kosten von 2,5 Milliarden Euro jährlich, sondern um Mehrkosten von 2,5 Milliarden Euro. Das kann man immer noch für zu wenig halten (Danke, Herr Lindner).

      • @mlevi:

        ...es müssen halt Prioritäten gesetzt werden - gelle....

      • @mlevi:

        Man sollte schon lesen bevor man irgendeine vorgefertigte Wut adressiert. Sie haben Mehrkosten geschrieben, ich von 'nun besser geholfen werden kann'.



        Und dass alle Kinder das nun bekommen wie Sie schreiben... da mache ich mal ein ? ! Das wären laut Statistik 8,3 Mio Menschen mal Ihre genannten Beträge, plus 150/ mon für Bedürftige plus Kindergeld. Besser mal recherchieren bevor man kommentiert? Danke für den Hinweis, gebe ich gerne zurück.

        • @Tom Farmer:

          Ich weiß jetzt nicht, wo Sie in meinem Post "Wut" herauslesen. Und wie Sie darauf kommen, ich hätte nicht recherchiert, aber geschenkt.

          Zu den Fakten: Kindergeld, bekommen alle Kinder - egal wie reich die Eltern sind - das können Sie u.a. bei Homepage de r BMFSFJ nachlesen. Und das ändert sich auch nicht durch die Grundsicherung.

          Der Zusatzbeitrag in Höhe von bis zu 150 Euro ist - wie ich schon sagte - einkommensabhängig, deshalb macht es auch keinen Sinn diesen mit 8,3 Millionen Menschen (Ich nehme an Sie meinen Kinder?) zu multiplizieren.

          Dieser Zusatzbeitrag muss nicht von den 2,5 Milliarden finanziert werden, da er aus Teilen besteht, die Regierung bereits beschlossen hatte. Es stehen also 2,5 Milliarden zusätzlich zur Verfügung

          In Deutschland sind 2,2 - 2,5 Millionen (je nach Quelle) Kinder armutsgefährdet. Das sind logischerweise deutlich weniger als 5 Millionen Familien.



          Korrekt wäre daher eher eine Rechnung 2,5 Milliarden/2,5 Millionen = 83,33 Euro pro Kind (nicht Familie) pro Monat.

          Wenn wir jetzt noch hinzuziehen, dass die Kindergrundsicherung NICHT mit anderen Sozialleistungen verrechnet werden soll, wäre das für Familien, die Sozialhilfe beziehen einen deutlich höheres Plus als die 40 Euro po Monat die Sie ausmachen. Wie gesagt, das kann man immer noch für zu wenig finden

          • @mlevi:

            Ich hatte aus der 'Zeit' die Zahl 5 Mio, Sie jetzt 2,xy, deshalb bekommen Sie das doppelte raus wie ich von Anfang an schon schrieb!



            So gehen in 2023 und in DE Diskussionen unter Leuten die sich einig sein könnten. Bedenklich!

  • Kinderarmut und die damit meist einhergehende chancen-Benachteiligung ist ein himmelschreiendes Unrecht.

    Ob es aber hilft, immer mehr Geld auf denselben Haufen zu werfen, da habe ich Zweifel.

    Ich glaube das Geld wäre besser investiert in mehr und bessere Hilfen bei Schule, etc.

    Nur so entkommt man irgendwann dem Teufelskreis.

    Zielgerichtete Goodies gerne auch, aber mir fehlt da echt der Fordern & Fördern-Gedanke...

    • @SehendenAuges:

      Eben. Von den 2,4Mrd wird kein kleiner Teil in Tabak und Bier investiert werden...

  • 2,4 Mrd. - Frau Paus hat sich durchgesetzt.

  • Es ist so wahnsinnig kontraproduktiv Überlegungen zu Mietbremsen vorab zu veröffentlichen. Jetzt wird erstmal jeder Vermieter die maximal mögliche Erhöhung sofort umsetzen, da bis zum eigentlichen Beschluss der neuen Regelung Unklarheit herrschen wird.

  • "Aus Grünen-Kreisen hieß es: „Heute Nacht ist die Einigung bei der Kindergrundsicherung erfolgt. Bundesministerin Lisa Paus kann das als Erfolg für sich verbuchen, dass es ihr gelungen ist, die Weichen für das Projekt zu stellen.“"



    Genau. So sieht Erfolg aus. Die Gegenseite bietet 2 Mrd - man selbst will aber ursprünglich 12 Mrd. Geht dann schon freiwillig auf 7 Mrd runter, probt zuletzt medienwirksam den Aufstand - um am Ende mit 2,4 Mrd vom Tisch zu gehen.



    Paus gibt also um 9,6 Mrd nach, Lindner um 0,4 Mrd.



    Klarer Sieg für Grün.



    Echt jetzt???

  • Statt das Phänomen weg zu finanzieren sollte man sich doch wohl eher mit den Ursachen auseinandersetzten. An der Stelle wäre das Geld deutlich besser untergebracht.

    • @Nachtsonne:

      Sie wollen Ursachen?



      Gerne, zitiert aus Factsheet BNG Kinder- und Jugendarmut (Bertelsmannstiftung)



      und Marcel Fratscher, Fratschers Verteilungsfragen (ZEIT Online)

      "Mehr als jedes fünfte Kind ist von



      Armut bedroht. Betroffen sind vor allem Kinder in alleinerziehenden und Mehrkindfamilien."

      "Das zeigt auch die enorme Zahl von 50.000 Jugendlichen, die jedes Jahr ihren Bildungsweg ohne Schulabschluss beenden. Das zeichnet den Lebensweg vieler junger Menschen vor – nicht zu Unrecht heißt es: Armut vererbt sich. Kinderarmut führt zu einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit von Arbeitslosigkeit, Abhängigkeit vom Sozialsystem, weniger Lebenszufriedenheit und einer schlechteren Gesundheit. "

      "Der fünfte Mythos ist die Aussage Christian Lindners, Armut lasse sich durch Arbeit der Eltern und Bildung lösen – anstelle einer Kindergrundsicherung. Der Bundesfinanzminister sei daran erinnert, dass die Kindergrundsicherung kein Anspruch der Eltern, sondern ein Anspruch der betroffenen Kinder ist. Und er sei daran erinnert, dass er selbst den Abbau vieler Hürden für Arbeit und bessere Arbeitseinkommen fördern könnte: durch die Reform von Ehegattensplitting und Minijobs oder steuerliche Entlastungen für Arbeitseinkommen. Dies gilt insbesondere für alleinerziehende Mütter, für die das Armutsrisiko in Deutschland bei fast 40 Prozent liegt."

      Wenn sie sich näher mit dem Thema beschäftigen, werden sie feststellen, dass alles seit langem bekannt ist.

    • @Nachtsonne:

      armut hat erst einmal nur mit fehlendem geld zu tun und im zweiten schritt mit dem gerechten zugang zum geld(erwerb). das eine ist akut das andere langfristig.



      diese dinge sollten hand in hand gehen und nicht entweder oder sein!

      allerdings geht es bei dieser grundsicherung nur um eine entbürokratisierung, um berechtigte gelder einfacher zuzuweisen. dieser schritt ist lange überfällig! leider in dieser beschlossenen form durch den neoliberalen ansatz zur ausdünnung von sozialleistungen der FDP ein weiter nackenschlag für alle von armut betroffenen kinder in diesem land.



      schämt euch FDP, SPD und bis auf Lisa Paus der rest der Grünen

    • @Nachtsonne:

      Das wäre in Wahlkampfzeiten aber nicht so schnell umsetzbar.

    • @Nachtsonne:

      Klar dass sollte man tun, deswegen wird der Bedarf von Sozialleistungen für Kinder nicht plötzlich wegfallen, selbstwenn da etwasgetan wird. Wenn man strukturell etwas gegen Armut tun würde und dies auch funktioniert wird ja der Bedarf an diesen Sozialleistungen auch geringer, deswegen sind diese trotzdem sinnvoll.