Wirtschaftssanktionen gegen Russland: Verbote wirken nur bedingt

Die EU und die USA wollen die russische Wirtschaft ausbremsen. Doch China, Indien und Zentralasien ignorieren die die Sanktionen.

Goldbarren

Auf der Importverbotliste: Gold Foto: Alexander Manzyuk/reuters

Seit Februar 2022 hat die EU in inzwischen elf Paketen Sanktionen gegen rund 1.800 russische Personen und Organisationen verhängt, zuletzt im Juni 2023. Auch die USA haben die Sanktionen in mehreren Schritten ausgeweitet. Betroffen sind unter anderem Russlands Präsident Wladimir Putin, Politiker und Wirtschaftsgrößen wie Oligarch Alischer Usmanow, der am Tegernsee in Bayern gelebt haben soll.

Die EU hat rund die Hälfte ihrer Ausfuhren nach Russland und 58 Prozent der Einfuhren mit Sanktionen belegt – Luft- und Raumfahrttechnologie, elektronische Bauteile, Software, aber auch Luxusgüter wie Champagner, Öl, Kohle, Stahl, Gold stehen auf der Ex- und Importverbotsliste. Zudem sind rund 300 Milliarden Euro Reserven der russischen Zentralbank blockiert. Im Kern geht es darum, Russland von dringend notwendigen Devisen abzuschneiden und die Wirtschaft auszubremsen.

Doch die Sanktionen haben ein grundsätzliches Problem: Russland ist ein großer Rohstofflieferant. „Das Land ist international zu wichtig und zu groß, um es komplett auszuschließen“, sagt ein Experte, der nicht genannt werden will. Umfangreiche Verbote würden die Weltwirtschaft in Turbulenzen stürzen, deshalb „gesteht man Russland gewisse Einnahmen zu“.

Ein weiteres Problem: Nicht alle großen Wirtschaftsnationen der Welt haben sich den Sanktionen angeschlossen. China und Indien etwa ziehen nicht mit. Allerdings nutzen sie die Lage Russlands aus und kaufen Öl billig ein. So haben führende Wirtschaftsnationen Ende 2022 eine Preisobergrenze für russisches Öl von 60 Dollar je Fass (159 Liter) eingeführt. Die US-Sorte WTI kostet derzeit um die 81 Dollar. China und Indien kaufen weiter russisches Öl – zu günstigen Konditionen.

Auch sonst haben Händler Wege gefunden, die Sanktionen zu umgehen, mutmaßlich über ehemalige Sowjetrepubliken in Zentralasien. Nach Kirgisistan beispielsweise verachtfachte sich der Wert der Ausfuhren vom ersten Halbjahr 2022 bis zum ersten Halbjahr 2023 auf rund 372 Millionen Euro. Das Exportplus kann aber auch andere Gründe haben. Viele Waren sind nicht sanktioniert, Geräte für die Landwirtschaft etwa, Waschmaschinen oder auch Kleinwagen. Das legale Geschäft läuft dann über die zentralasiatischen Länder, indirekt nach Russland. Oder Ware, die früher über Russland nach Zentralasien gehandelt wurde, wird jetzt direkt dorthin verkauft.

Ein viel größeres Problem sind andere Länder in Asien, die sich nicht an den Sanktionen der westlichen Länder beteiligen: Neben China und Indien nennt ein Manager, der ebenfalls nicht genannt werden will, Hongkong, Taiwan, Thailand und die Philippinen.

Und wenn viele Zwischenhändler beteiligt sind, kann auch das ambitionierteste deutsche Unternehmen nicht nachvollziehen, wo seine Produkte landen. Ein kleinerer Mittelständler hat ohnehin keine Kapazität dafür. Zumal die Zwischenhändler alles daransetzen, die Wege zu verschleiern. So landen sanktionierte Produkte sogar im Kriegsgebiet. Zuletzt entdeckten Experten Chips des deutschen Herstellers Infineon in russischen Marschflugkörpern, die in der Ukraine abgeschossen wurden.

Diese Handelsstrukturen zu nutzen, kostet. Zwischenhändler lassen sich das Risiko bezahlen. Dringend benötigte Teile kommen später – und gar nicht. So bleiben zahlreiche Flugzeuge in Russland am Boden, weil Airbus keine Ersatzteile liefert und auch sonst wenige zu beschaffen sind. Für Einfuhren auch von Konsumgütern braucht Russland Devisen. Denn auch in Zentralasien, China oder Indien wird sich niemand mit dem schwächelnden Rubel bezahlen lassen, sondern auf harten Währungen wie Dollar, Euro, Schweizer Franken oder auch Yuan bestehen.

Derzeit lebt Russland von Reserven, die es in der Vergangenheit aufgebaut hat. Geld fließt in die Kriegswirtschaft, was zuletzt das Bruttoinlandsprodukt steigen ließ, und in hohe Soldatengehälter. Aber: „Wirtschaft und Innovationskraft Russlands leiden“, heißt es vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. „Die Sanktionen wirken, aber es dauert. Die Frage ist, wie lange. Große Wachstumsperspektiven hat das Land jedenfalls nicht.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.