Alpinsport in der Lüneburger Heide: Ski unterm Dach, das geht gar nicht
Wer eine Skihalle betreibt, braucht vom Klimaschutz nicht zu reden. Denn der „Heide-Gletscher“ ist der Feind der echten Gletscher.
A lle reden übers Wassersparen, so nachdrücklich, dass in Niedersachsen gerade Bewässerungsstopp erlassen wurde. Nur in Bispingen nicht. Da röhren in einer riesigen Skihalle das ganze Jahr über Schneekanonen. Es herrschen um die minus vier Grad, während es draußen 30 sind. Klingt absurd? Ist es auch, wenn man sich die Klimabilanz anschaut.
Das haben nun auch die niedersächsischen Grünen erkannt. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung appelliert die Landtagsabgeordnete Marie Kollenrott an die Verbraucher*innen: „Die Frage ist, ob es wirklich nötig ist, zu jeder Jahreszeit in einer Halle Ski fahren zu können.“ Spaßbremse Grüne, geifert die Bild-Zeitung zurück.
„Spaß“ macht das Skifahren in der tristen, fast fensterlosen Halle aber ohnehin nicht: Nach 300 Metern endet der flache Hang – mit einem Sessellift geht es wieder nach oben. Da bleibt genug Zeit, darüber nachzudenken, wie seltsam diese künstliche Winterwelt mit dem Kunstschnee ist, nachdem man sich in unbequeme Kunststoff-Skischuhe gezwängt hat. Schnee im Sommer und 365 Tage im Jahr? In Norddeutschland?
Im Norden gibt es gleich zwei Hallen: den „Snow Dome Bispingen“ in der Lüneburger Heide und das „Alpincenter Hamburg-Wittenburg“ in Mecklenburg Vorpommern. Beide liegen unweit von Hamburg, der Stadt, die im Norden als Ski-besessen gilt und sogar extra Ferien dafür hat. Der Eintritt ist teuer: Eine Tageskarte kostet in Bispingen aktuell rund 40 Euro pro Person, für ein Kind sind es circa 25 Euro – Breitensport sieht anders aus.
Der „Snow Dome“ verbraucht laut Betreiber jährlich 2,7 Millionen Kilowattstunden Strom. Grünen-Sprecherin Kollenrott zufolge übersteigt der Energieverbrauch den von 500 Vier-Personen-Haushalten. Kein Wunder: Der Schnee muss künstlich hergestellt und die Halle gekühlt werden. Eine Schneekanone verbraucht in der Minute bis zu 300 Liter Wasser.
Skiferien haben keine Zukunft
Die Halle selbst wird als „Heidegletscher“ bezeichnet, was optimistisch ist in Zeiten, in denen Gletscher auf dem Rückzug sind. Tatsächlich ist der Kunstgletscher der eigentliche Feind der Alpenlandschaft: indem er natürliche Ressourcen ohne Not verschleudert.
Es wäre an der Zeit, sich Alternativen zu überlegen, zumal der „echte“ Wintersport in den Alpen ohne massives Nachrüsten ohnehin nicht mehr funktioniert, wie der letzte Winter wieder einmal zeigte. Und da wäre es auch keine Lösung, den Kunstschnee, den der „Snow Dome“ auch an Privatleute verkauft, in den Süden zu schicken. Die Hamburger Skiferien dürfte es nicht mehr allzu lange geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil