Musiker Baaba Maal über Gewalt in Afrika: „Nicht fatalistisch sein“
Der senegalesische Musiker Baaba Maal über seine Rolle als UN-Botschafter gegen Wüstenbildung, Musik für „Black Panther“ und den Weg zum Sample.
taz: Baaba Maal, wir befinden uns beim FEMUA-Festival im ivorischen Abidjan. Ihren Auftritt beim Festival haben Sie mit einer emotionalen Ansage begonnen, es war ein Plädoyer für Afrika. Sie haben gefordert, die Jugend des Kontinents solle ihre Zukunft selbst gestalten, statt sich auf die gefährliche Reise nach Europa zu begeben. Werden Sie denn auch von der Jugend gehört?
Baaba Maal: Es gibt keine Alternative dazu, dass Eltern und andere Autoritäten das Gespräch mit jungen afrikanischen Leuten suchen: Wie sie ihr Leben leben wollen, wo sie ihre Zukunft sehen. Allein, damit sie nicht alles glauben, was auf der Straße geredet wird. Im Fernsehen und in den sozialen Medien sieht das Alltagsleben in Europa stets glanzvoll aus, aber die Realität für Migrant:Innen ist doch eine andere.
Was sind die Aufgaben und Risiken?
Hier in Afrika leben wir auf einem riesigen Kontinent, der reich an natürlichen Ressourcen ist und zudem eine sehr junge Bevölkerung hat. Es gibt viele Gründe zu glauben, dass die Zukunft bei uns in Afrika liegt. Wenn sie Selbstbewusstsein und eine Perspektive haben, entwickeln viele jungen Leute gar nicht erst den Wunsch, aus Afrika wegzugehen. Zugleich stehen wir vor großen Problemen, etwa in der Sahelzone. Was dort gerade an Gewalt stattfindet, ist leider beispielhaft für viele Regionen in Afrika.
Auch der fortschreitende Klimawandel und die Erderwärmung tragen dazu bei, dass immer mehr Menschen ihre Heimat nicht nur in Afrika verlassen. Sie wurden unlängst zum UN-Goodwill-Botschafter gegen Wüstenbildung ernannt. Wie setzen Sie diese Aufgabe konkret um?
Ich wurde zusammen mit der Musikerin Inna Modja aus Mali zum UN-Botschafter ernannt. Sie war in dem Dokumentarfilm „The Great Green Wall“ durch die Region gereist, entlang an einem Bewaldungsprojekt, das der Versteppung Einhalt gebieten soll. Modja gibt im Film Einblick in die Lebensrealität von Frauen, die besonders darunter leiden, dass auch die Region Westafrika zunehmend von Gewalt geprägt ist.
Wieso kommt es zu mehr Gewalt?
Missverständnisse zwischen Bevölkerungsgruppen gab es früher in dieser Form nicht. Der Terrorismus wird dadurch befördert, dass Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren und sich von Extremisten anwerben lassen. Schlichtweg, damit jemand sie bezahlt – eine Alternative dazu, sich auf nach Europa zu machen. Wir dürfen aber nicht fatalistisch auf die Situation blicken und das einfach geschehen lassen. Als Goodwill-Botschafter sehe ich es als meine Aufgabe, Austausch zu initiieren und Menschen dazu zu motivieren, Antworten auf den Klimawandel zu suchen.
Als Musiker waren Sie an den Soundtracks zu „Black Panther“ (2018) und der Fortsetzung „Black Panther: Wakanda Forever“ (2022) beteiligt, der Verfilmung des Marvel-Superhelden-Comics als großes Spektakel. Wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit mit Hollywood?
Ludwig Göransson, der schwedische Komponist der Soundtracks, ist bei seiner Recherche auf mich gekommen. Ich habe ihn daraufhin in mein kleines Studio in meiner senegalesischen Heimatstadt Podor eingeladen und mit Musiker:innen aus verschiedenen Ecken Afrikas bekannt gemacht. Auf zwei der Songs habe ich auch selbst gesungen.
Wie finden Sie die beiden Black-Panther-Filme?
Baaba Maal, geboren 1953, ist ein Amalgamierer westafrikanischer und moderner Klänge. Er stammt aus Podor am Fluss Senegal im Land Senegal. Eigentlich sollte der Sänger, Gitarrist und Perkussionist wie sein Vater Fischer werden. Sein Freund und kreativer Partner, Mansour Seck, der zu den musizierenden Geschichtenerzählern der Griot zählt, brachte ihn jedoch zur Musik. Ihr Debütalbum erschien 1989.
Seither veröffentlichte der heute 70-Jährige 15 Soloalben und ist international erfolgreich. In den letzten Jahren beteiligte er sich verstärkt an internationalen Projekten, er arbeitete mit Mumford & Sons zusammen oder mit dem von London aus agierenden Kollektiv Africa Express, ebenso wirkte er an den Soundtracks der „Black Panther“-Filme mit.
Zuletzt erschien Baaba Maals Soloalbum „Being“ (Marathon Artists/ H'Art).
An den beiden Filmen gefällt mir, dass sie eine utopische Geschichtsschreibung versuchen. Und dass moderne Technologien genutzt werden, um neues Leben zu schaffen. Die Comics beruhen ja auf afrikanischen Märchen. In den Filmen sind sowohl die Kostüme als auch das ganze Design ziemlich authentisch. Ich hoffe, dass die Produktion auch einen Anstoß gibt, in hiesige Filmprojekte zu investieren und jungen Leuten entsprechende Fähigkeiten zu vermitteln.
Ihr aktuelles Soloalbum, „Being“, ist vor wenigen Wochen erschienen, nach einer siebenjährigen Veröffentlichungspause. Die Musik klingt sehr modern, manchmal fast wie Elektronikpop. 2020 haben Sie in einem Interview mit dem New Yorker Metropolitan Museum of Art über die rituelle Bedeutung afrikanischer Instrumente gesprochen. Etwa, dass die Kora, die westafrikanische Stegharfe, dem Menschen näher sei, weil sie aus tierischen Materialien hergestellt sei – anders als etwa Instrumente aus Holz. Wie passen die elektronischen Klänge in dieses Konzept?
Wir alle stehen auf einem Fundament, das vor uns da war. Deshalb sollte man Geschichte und den Geist der Dinge genau kennen. Rituelles spielt eine zentrale Rolle in der afrikanischen Musik. Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass ich, wenn ich die Ohren junger Menschen oder auch die Lauscher eines westlichen Publikums erreichen will, an deren Hörgewohnheiten andocken muss. Deshalb arbeite ich verstärkt mit Elektronik. Produziert wurde „Being“, wie auch schon das Vorgängeralbum, von dem Beatbastler und Rapper Johan Hugo Karlberg. Noch eine Zusammenarbeit mit einem schwedischen Musiker! Irgendwie scheine ich gerade einen besonderen Draht nach Skandinavien zu haben. Mein Ausgangspunkt bleibt aber traditionelle Folkmusik. Bei meinen Konzerten wird es dann auch mit echten Perkussionsinstrumenten umgesetzt.
Das FEMUA-Festival hat eine ausgeprägte soziale Komponente. Sie selbst veranstalten seit fast 20 Jahren ebenfalls ein Festival im Senegal, „Blues du Fleuve“ in Ihrer Heimatstadt Podor. Wie darf man sich die nächste Ausgabe vorstellen, die vom 7. bis zum 9. Dezember 2023 über die Bühne geht?
FEMUA ist eine großartige Sache und für den Festivalinitiator A’salfo von der Band Magic System eine Möglichkeit, seiner Community etwas zurückzugeben. Darum geht es mir mit „Blues du Fleuve“ auch. Es ist nicht nur die Chance, Musik aus der Sahelregion vorzustellen, sondern auch, sich mit den Besucher:Innen auszutauschen, über Themen wie Migration und Umweltschutz. Und dabei vor Ort Konkretes auszuprobieren, etwa Recyclingkonzepte. Im vergangenen Winter fand die erste Ausgabe nach der Pandemie statt. Die Menschen in Podor konnten kaum erwarten, dass wieder Musik live auf der Bühne gespielt wird. Das Festival ist auch ein ökonomischer Faktor für Stadt und Region.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!