Afrikas erster Klimagipfel: Kein Kontinent ist so betroffen
Die Staatschefs Afrikas wollen sich im Vorfeld der globalen Klimakonferenz positionieren. Ihre Länder leiden besonders unter der Erderhitzung.
„Um Umwelt- und Artenschutz zu diskutieren, sind wir also in der richtigen Stadt“, folgert er und erläutert den Besuchern aus aller Welt, wie nah Kenias Wildtiere und die Menschen hier zusammenleben. Der nächste Nationalpark liegt quasi direkt am Stadtrand, nur wenige Kilometer von den Konferenzhallen entfernt.
„Dies ist kein gewöhnlicher Gipfel“, verspricht er. Sondern dies sei der Anfang einer Zukunft, in welcher die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas einhergehen werde mit dem Erhalt der Umwelt und der Artenvielfalt. Vertreter aus über 50 Staaten werden erwartet, UNO-Generalsekretär António Guterres sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind anwesend.
Afrikas erster Klimagipfel ist längst überfällig. Denn kein Kontinent hat mit den Anpassungen an den Klimawandel so sehr zu kämpfen wie Afrika. Obwohl die 1,3 Milliarden Afrikaner aufgrund des niedrigen Grads der Industrialisierung nur rund 4 Prozent zum globalen Klimawandel beigetragen haben, bezahlen sie dafür den höchsten Preis.
Klimakosten schwer zu stemmen
Von extremer Dürre am Horn von Afrika, die seit Jahren Millionen Menschen hungern lässt, bis hin zu Schlammlawinen und Fluten, wie beispielsweise im Juni im Osten der Demokratischen Republik Kongo, welche über 600 Menschen in einer Nacht in den Tod rissen –, erleben die Afrikaner mittlerweile fast mehr Katastrophen, ausgelöst durch Klimawandel als durch Krieg und Terror.
Doch Afrikas Regierungen haben nur im geringen Maß finanzielle Mittel und Kapazitäten, mit diesen Folgen umzugehen, geschweige denn, ihnen präventiv zu begegnen.
Ein Beispiel: In Uganda hat jüngst eine interne Erhebung des Ministeriums für Katastrophenschutz und Flüchtlinge die Summe von über 250 Millionen Euro festgelegt, die das Ministerium jährlich einplanen müsste, um Opfern von Fluten oder Dürre zu helfen. Dies entspricht fast dem jährlichen Budget, das für Bildung vorgesehen ist. Dies kann das ohnehin restlos überschuldete Land nicht allein stemmen. Ähnlich sieht es in fast allen afrikanischen Ländern aus.
Afrikanische Länder mit einer Stimme sprechen
Um Afrikas Staatsschulden infolge des Klimawandels nicht ins Unermessliche steigen zu lassen, hat nun Kenias Präsident die Initiative übernommen, die Afrikaner auf einen gemeinsamen Standpunkt einzuschwören.
„Wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz sollen in Zukunft nicht im Widerspruch zueinander stehen“, so Ruto in seiner Eröffnungsrede. Sein erklärtes Ziel: Auf den internationalen Klimakonferenzen und weltweiten Gipfeln zum Thema Artenschutz, sollen die afrikanischen Länder in Zukunft mit einer Stimme sprechen, um bei den Verhandlungen um die Gelder gemeinsam Druck aufzubauen.
Im vergangenen Jahr haben die westlichen Industriestaaten Transferzahlungen für die Länder des Globalen Südens in enormem Umfang in Aussicht gestellt und sich beim Weltklimagipfel COP27 in Ägypten auf einen Entschädigungsfonds geeinigt. Wer profitiert und wer einzahlt, bleibt aber offen.
Löwenanteil der Gelder sichern
Auf dem internationalen Artenschutzgipfel COP25 in Montreal im Dezember 2022 haben die teilnehmenden Staaten eine Finanzierung von 200 Milliarden Dollar für Artenschutzvorhaben jährlich in Aussicht gestellt. Darunter fallen neben Transferzahlungen der reicheren Staaten an die Länder des Globalen Südens auch private Investitionen und Gelder, die auf den Kapitalmärkten als Rendite eingespielt werden.
Die Afrikaner wollen sich bei diesen Verhandlungen nun den Löwenanteil der Gelder sichern. Um dies zu erreichen, wollen die Regierungsvertreter in den nächsten Tagen in Nairobi einen gemeinsamen Standpunkt ausarbeiten. Im Dezember steht der nächste Klimagipfel, COP28, in Dubai an.
Bereits im Juni hat Kenias Präsident Ruto auf dem Klimagipfel in Paris auf den Tisch gehauen. „Das derzeitige internationale Finanzsystem ist unfair, strafend und ungerecht“, monierte er und verlangte eine Grundsatzreform.
Eine weltweite Klimasteuer
Anstatt Klimaanpassungen in Afrika über weitere Kredite zu finanzieren, was langfristig die afrikanischen Steuerzahler noch weiter belasten würde, schlug er vor, eine weltweite Steuer auf fossile Brennstoffe, Luftfahrt sowie Seetransport einzuführen, womit Anpassung an den Klimawandel sowie Naturschutz bezahlt werden können.
„Das ist ein mutiger Schritt, den die Welt braucht, um unsere Umwelt zu schützen und eine nachhaltige Zukunft für alle zu sichern“, so Ruto in Paris. „Wir wollen nicht weiter betteln gehen“, hatte er betont. Der Gipfel in Nairobi ist also nun der erste Schritt, über alternative Finanzierungsideen zu diskutieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“