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Straßenbahn-Debatte in HamburgEs ist Zeit, das Volk zu fragen

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Eine Stadtbahn wäre die schnellere und günstigere Alternative zur geplanten U5. Über eine Volksinitiative wäre ein Umschwenken wohl noch möglich.

War schon mal 2010 geplant: Computeranimation einer Stadtbahn auf dem Hamburger Überseering Foto: Hamburger Hochbahn/dpa

E inen Satz könnte Heike Sudmann eigentlich fest unter eine Copy-and-paste-Taste legen. „Die schnellere und viel kostengünstigere Alternative ist und bleibt die Straßenbahn.“ Zuletzt floss er der Linken-Verkehrspolitikerin dieser Tage aus den Tasten, als durch Ausschreibungen publik wurde, dass für die geplante U-Bahn-Linie U5 in Hamburg offene Gruben von bis zu einem Kilometer Länge nötig werden. Etwa von der Uni bis zum Grindelberg.

Dabei hatte Ex-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mal versprochen, dass die Bürger vom Bau dieser U-Bahn nichts mitbekommen würden. Das entpuppe sich als „Märchen“, sagt Sudmann. Die neue U-Bahn führe nicht nur im Bau zu Lärmbelästigungen.

Sie werde auch sehr teuer und erst in 20 Jahren fertig. Und weil im Untergrund Hamburgs schon viel anderes gebaut sei, müsse sie so tief liegen, dass sie umständlich zu erreichen sein werde. Per Straßenbahn käme man schneller von Tür zu Tür.

Viele Argumente sprechen dafür, statt der U5 eine Stadtbahn über der Erde zu bauen. Nur, dass das mit Hamburgs SPD nicht zu machen ist, weil sie die Scholz-Linie nicht ändern mag.

Für andere politische Anliegen werden gern mal Volksinitiativen gestartet. Warum nicht auch für die Tram? 10.000 Unterschriften müssten für die erste Stufe gesammelt werden, etwa 66.000 binnen nur drei Wochen ein halbes Jahr später für die zweite. Ein dankbares Handlungsfeld etwa für Schüler, die auf der Straße für die Zukunft demonstrieren.

Schneller zur Klimaneutralität

Noch hat keiner dafür die Initiative ergriffen. „Die Idee einer Volksinitiative käme spät, aber nicht zu spät“, sagt Bernd Kroll von „Mehr Demokratie Hamburg“. „Will man die U5 stoppen, dann ist spätestens jetzt der richtige Zeitpunkt.“ Er meint, nachdem bekannt wurde, welche Baustellen drohen und dass auch ein U-Bahn-Bau das Klima belastet.

Würde die Initiative bis November 10.000 Unterschriften sammeln, könnte sie im Sommer 2024 das Volksbegehren durchführen und 2025 zeitgleich zur Bundestagswahl den Volksentscheid. Juristisch möglich wäre eine Volksinitiative für die Straßenbahn, sagt Kroll. „Man müsste einen Kostendeckungsvorschlag machen. Das ist sehr einfach, weil es nach allgemeiner Erkenntnis viel günstiger ist, eine Straßenbahn zu bauen als die U5“.

Beim Naturschutzbund Nabu wurde die Frage einer Pro-Straßenbahn-Volksinitiative noch nicht diskutiert, so Sprecher Jonas Voß. „Grundsätzlich finden wir U-Bahnen ein gutes Verkehrsmittel“, sagt er. Doch berechtigt sei die Kritik, dass die U5 zu spät fertig wird. „Alles, was schneller geht in Richtung Klimaneutralität, müsste man machen.“

„Eine Volksinitiative müsste daraus hinauslaufen, dass man die U5-Planung sofort stoppt und die 2011 ad acta gelegte Planung für die Straßenbahn wieder aufnimmt“, sagt der parteilose Grünen-Mitgründer Aram Ockert, der sich auf Facebook der Thematik widmet. Für die Straßenbahn spreche, dass sie eine viel geringere Eingriffstiefe hat. „Heute eine U-Bahn durch eine gewachsene Stadt zu bauen, ist eine absurde Vorstellung.“

„Ich halte da eine Menge von, wenn das gut vorbereitet wird“, sagt Jens Ode von „Pro-Stadtbahn-Hamburg“ zur Idee einer Volksinitiative. „Es muss irgendwann kommen. Die Hamburger Bevölkerung muss vor dieser in Verkehrsfragen unfähigen Regierung gerettet werden“, ergänzt sein Mitstreiter Dieter Doege. „Das wäre eine super Sache“, sagt auch Norbert Holtz von der Initiative „Elbtram jetzt“.

„Die Zeit dafür ist schon lange reif“, sagt auch Heike Sudmann. Und fügt hinzu: „Wenn der Senat so weiter macht, braucht man keine Volksinitiative mehr, weil sich das Problem von selbst erledigt.“ „Darauf würde ich nicht vertrauen“, sagt Ockert. „Der Senat wird aus sich heraus keinen Ausweg aus diesem Dilemma finden.“

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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8 Kommentare

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  • Radwege ausbauen! Wer wissen möchte, wie Mobilität alternativ funktioniert, besucht Kopenhagen! Hier fahren wenig Autos, dafür fahren aber sehr viele mit dem Rad. Hinzu kommt, und das finde ich bemerkenswert, in Kopenhagen fahren ca.95% mit Fahrrädern, nur 5% fahren E-Bike (Juli 2023 !). Ähnlich Helsinki.

    Wer fährt in Deutschland noch ein normales Fahrrad?

    Warum sind die Deutschen so dermaßen unbeweglich und faul?

    Der Radanteil in der Mobilität Kopenhagens ist unter anderem deshalb so hoch, weil die Verkehrsinfrastruktur für Radfahrende so unglaublich gut ist. Das war eine poltische Entscheidung, gegen alle Widerstände!

    • @Manzdi:

      In Dänemark gibt es ca. 0,5 Mio. Pedelecs bei 5,9 Mio. Einwohnern. In Deutschland sind es ca. 7 Mio. auf 84 Mio. Einwohnern, was ungefähr 10% aller Fahrräder entspricht. Ist nun kein nennenswerter Unterschied. Die Dänen sind nicht sportlicher oder umweltbewusster. Die Radinfrastruktur ist besser und der Pkw-Verkehr/-Besitz deutlich teurer. Ebenso ist der ÖPNV ziemlich prekär, selbst in Kopenhagen.

  • Ewig diese Diskussion um die Straßenbahn, dabei zeigen sich meine Erfahrungen das Busse die bessere Alternative ist.



    Bei Unfällen, Falschparken, Baustellen steht sofort die ganze Linie still. Also könnten Busse genauso die gewünschten Trassen befahren und es müssten keine zusätzlichen Werkstätten usw geschaffen werden.



    Die U5 ist wichtig und es ist richtig diese Linie endlich zu bauen, Nachdem die CDU/Schill Koalition die weit fortgeschrittenen Planung eingestellt hat.



    Dank unserer konservativen Rückschritt Partei geht jetzt alles von vorne los.



    Und Die Linke stößt ins gleiche, populistische, Horn!



    Zum Schluss, wie schön beschrieben, fehlt im Westen der Tunnel für die S-Bahn und Fernbahn um Altona, Norderstedt usw mit Airbus, Hafen, Stade zu verbinden.



    Das hat eine Bürgerinitiative auch schon in den 1970er Jahren gefordert und deren Prognosen zur Überlastung des Elbtunnel haben sich zu 100% bewahrheitet.

  • Die Debatte um Alternativen, den Verkehr rund um die Hamburger Hauptbahnhof besser regeln zu können, kommt eigentlich fast zu spät (Weinidger Steuereinnahmen, Rückgang der Wirtschaft und damit auch im Hamburger Hafen zu erwarten) . Schließlich hat es der Hamburger Senat nie geschafft, zusammen mit den Nachbarländern und dem Bund ein gemeinsames Verkehrskonzept zu schaffen, das eben die Zusammenballung allen Verkehrs über das heutige Nadelöhr Hamburg Hbf mit seinem begrenzten Raum zu verhindern: Dabei gab es mit dem Bahnhof Altona ein Entlastungsmoment, wenn dort rechtzeitig ein westlicher Elbtunnel für den Fern- und Hafenverkehr gebohrt würde, der es Reisenden aus dem Norden ermöglicht, vorbei am Hamburger Hauptbahnhof über einen neuen Umsteigepunkt Hamburg-Süd schneller nach Lüneburg, Hannover, Bremen oder auch nur in den Hafen zu gelangen. Damit würde rund ein Viertel des Aufkommens umgeleitet. Das zweite Projekt wäre eine östliche Umgehung aus Lübeck/Berlin zur Fern- und Regionalstation Hamburg Südmit einer weiteren erheblichen Entlastung. Entlastung statt viel zu teurer Neubauten ist das Zauberwort.... !

  • Ich als Hamburgerin fänd eine Straßenbahn zwar toll, aber habe massive Bedenken.



    Ich bin als Radfahrerin unterwegs. Die Radwege werden immer mehr auf die Straßen verlegt. Und das nicht nur bei kleinen Nebenstraßen. Da kommt es jetzt schon zu Problemen mit Autofahrenden. Wenn dann noch eine Straßenbahn dazu kommt, befürchte ich, wird es zu sehr gefährlichen Situationen kommen. Ich habe so schlechte Erfahrungen mit Hambugrs Autofahrenden gemacht, dass ich ihnen nicht zutraue, mit einer Straßenbahn zu Recht zu kommen...



    Dann ist die Frage, ob die Straßenbahnen überall eine eigene Spur bekommen. Nicht jede Straße ist hierfür breit genug. Wenn die Straßenbahn keine eigene Spur bekommt, steckt sie genauso im Stau fest wie die Busse. Und bei Unfällen fallen dann auf ganz viele Fahrten aus. Das haben wir gerade in Wien erlebt.



    Mir drängt sich bei der U5 immer die Frage auf, warum die über den Hauptbahnhof gelegt werden muss. Könnte man nicht einen anderen Knotenpunkt zum Umsteigen wählen? Oder eine Ringlinie? Rahlstedt mit Farmsen verbinden? Aber der Hauptbahnhof?! Der ist jetzt schon überfüllt.

    • @MiezeKatz:

      Zustimmung, teilweise. Die "Hamburger Lösung", Radwege auf Fahrbahn-Niveau anzulegen, finde ich komfortabel für die Radfahrenden. Hamburgs Autofahrenden werden sich damit arrangieren, auf Dauer... :-)



      Gegen eine Straßenbahn spricht der enge Verkehrsraum und die vermutliche Abstinenz mancher gegen innerstädtischer Oberleitungen (->"Elektrosmog"). Das wird kaum ohne Widerstand gehen.



      Die moderne Lösung sind E-Busse im Straßenbahnformat. Vorausgesetzt sind eigene Fahrspuren, optimierte Ampelregelungen.



      Und ja, die Zwanghaftigkeit der Zentralisierung über den Hauptbahnhof halte ich auch für falsch. Eine äußere Halb-Ringlinie der U5 ohne Hbf-Zwang wäre pragmatischer (und wohl auch deutlich preisgünstiger). Etwa grob: Billstedt-Steilshoop-Volkspark- Osdorf-Altona.

  • Man bräuchte eigentlich beides

    • @FancyBeard:

      So ist es! Dass die Hamburger Parteien seit Jahrzehnten "entweder oder" sagen und beide Verkehrsmittel gegeneinander ausspielen ist der eigentliche Skandal.