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EU plant Lockerung von GentechnikregelnFDP zeigt sich erfreut

Die EU-Kommission will die Gentechnikregeln überarbeiten. Nun ist ein Entwurf bekanntgeworden, von dem Verbraucher direkt betroffen wären.

Die EU-Kommission plant offenbar, die bestehenden Gentechnikregelungen deutlich zu lockern Foto: Patrick Pleul/dpa

Brüssel dpa | Zahlreiche gentechnisch veränderte Lebensmittel könnten einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zufolge künftig ungekennzeichnet auf den Tellern von Bürgerinnen und Bürgern landen. Das geht aus einem bislang unveröffentlichten Verordnungsentwurf der Kommission hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Demnach will die Behörde vorschlagen, bestimmte gentechnisch veränderte Pflanzen von den strengen EU-Gentechnikregeln auszunehmen. Offiziell vorgestellt werden soll das Vorhaben voraussichtlich im Juli.

Konkret bedeuten die geplanten Regeln, dass etwa Verfahren wie die Crispr/Cas-Genschere keinen EU-Gentechnikregeln unterliegen, wenn die dadurch entstandenen Sorten auch durch Verfahren wie Kreuzung oder Auslese hätten entstehen können. Solche Züchtungen würden den Plänen zufolge unter die sogenannte Kategorie 1 der durch neue Techniken (NGT) gezüchteten Pflanzen fallen. Für die Bio-Landwirtschaft gelten die strengen Gentechnikregeln dem Vorhaben zufolge weiterhin.

In Artikel 8 des Entwurfs heißt es: Die Mitgliedstaaten dürften die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von NGT-Pflanzen des Typs 1 nicht durch Anforderungen verbieten oder einschränken. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär sieht darin einen „Frontalangriff“ auf das Modell der europäischen Landwirtschaft.

„Pflanzen mit bis zu 20 gentechnischen Veränderungen sollen als gleichwertig mit konventionell gezüchteten Pflanzen gelten“, sagte der gelernte Agrarökonom zu den bekanntgewordenen Entwürfen. Darunter seien auch Veränderungen, die weit über das Potenzial der klassischen Züchtungen hinaus gingen. Lebensmittel aus diesen Pflanzen würden ungekennzeichnet auf dem Teller von Verbraucherinnen und Verbrauchern landen. „Der Vorschlag wäre das Ende der ökologischen Landwirtschaft“, befürchtet er. Diese müsste sich mit immer mehr Aufwand vor Kontamination etwa durch von Wind verwehten Samen schützen.

Einknicken vor Gentech-Konzernen

Durch die Verordnung solle den Mitgliedsstaaten verboten werden, Maßnahmen zum Schutz von Ökolandbau, sensiblen Gebieten oder gentechnikfreien Regionen zu ergreifen. „Die Europäische Kommission scheint vollständig vor den Gentech-Konzernen eingeknickt zu sein“, kritisierte Bär.

Ob sich die Bundesregierung, an der auch die Grünen beteiligt sind, jedoch gegen das Vorhaben stark macht, ist unklar. Das von den Grünen geführte Bundesumweltministerium hatte sich in der Vergangenheit zwar skeptisch zu Lockerungen der Gentechnikregeln geäußert, dagegen signalisierte das von der FDP geführte Bundesforschungsministerium grundsätzliche Unterstützung. Auch weitere FDP-Politiker wie der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, und Fraktionsvize Carina Konrad stehen neuen Gentechnik-Verfahren offen gegenüber.

Sie verweisen auf mögliche Vorteile der neuen Gentechnikmethoden, die zu weniger Pestizideinsatz und widerstandsfähigeren Pflanzen führen könnten. Vogel betonte in einem Positionspapier: „Wir müssen endlich aufhören, Grüne Gentechnik zu verteufeln und als unnatürlich darzustellen. Wir müssen den Fortschritt begrüßen und ihn nutzen, um unsere Zukunft besser zu machen.“

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19 Kommentare

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  • 35 Jahre Hartz IV für seine Erfinder.



    36 Jahre Genfood für ihre Erfinder und Förderer.



    Die Pflanzen sind meist sehr instabil und knicken gegen Schädlinge sofort ein. Deshalb mit Round-Up alles Lebende in der Umgebung vernichten.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Wohin unser wahnwitziges Spiel mit der Technologie führt bekommen wir ja inzwischen täglich vor Augen geführt.



    Aber hören wir deswwgen damit auf? Nein, wir setzen immer noch einen oben drauf.



    Dass sich die FDP darüber freut ist das klarste Indiz, dass es nur um eines geht: PROFIT.

  • Owei. Da hat die FDP schon wieder eine Branche gefunden, die eine PR-Abteilung braucht.

  • Großartig, dass jetzt hier auch Vernunft herrscht. Mit verbesserten Züchtungsmethoden kann der Ertrag gesteigert werde und der Einsatz von Pestiziden vermindert werden. Natürliche Resistenzen und Anpassung an Klimawandel können beschleunigt werden.

    Da die Befürchtungen zur Schädlichkeit von genetisch veränderten Lebensmitteln sich wissenschaftlich bislang nicht belegen ließen, kann hier auch weniger stark reguliert werden.

    • @Moritz Moeller-Herrmann:

      "Vernunft"??



      Da haben Sie aber etwas falsch verstanden!



      Es geht ums Geld und die Festigung der Marktmacht weniger. Dies sind aber leider diejenigen, die den Parteien 'großzügig' Spenden und Anschlussverwendungen anbieten. Es ist ein Gerücht, dass das keine systemische Korruption ist.

    • @Moritz Moeller-Herrmann:

      Der Schaden von Patenten, auch wenn diese hier nicht beleuchtet werden, ist jedenfalls wissenschaftlich nachgewiesen. Das ist aber keine Naturwissenschaftliche kritik.

      Valide Naturwissenschaftliche Kritik ist, dass durch Nutzung von Clonen die Resilienz des Ökosystems Erde drastisch verringert wird. Artenvielfalt ist nur ein stabilisierender Faktor, auch die genetische Variablität innerhalb einer Art ist ein Resilienzfaktor. Clone haben keine Variabilität. Damit tragen sie auch nicht zur Resilienz bei.

      Neben dem Nutzen, den Sie ansprechen droht also gleichzeitig eine Gefahr. Das Ökosystem wird weiter destabilisiert und kollabiert schneller. Auch Pandemien werden wahrscheinlicher.

      Wirtschafliche Folgen - desaströs. Weitere Macht für die Konzerne, welche dann die Patente über die Clone besitzen.

  • Durchmarsch der zerstörerischen Kräfte in allen Bereichen?

  • Aus Sicht der Wissenschaft spricht nichts gegen den Einsatz von neuer Gentechnik. In Zeiten von Klimawandel und einer rasanten globalen Bevölkerungsentwicklung ist diese auch dringend erforderlich.

    • @Bernhard Hellweg:

      Sie reden so, als ob es "die Wissenschaft" als homogenen Block gäbe, so eine Art Vatikan mit Katechismus. Ich kann Ihnen versichern, auch ich gehöre zur Wissenschaft und es gibt Argumente für und gegen den Einsatz von Gentechnik.

  • Im Gesundheitswesen wurden vor ca 50 Jahren in wenigen EU Ländern, insbesondere in D die Gentechnologie abgelehnt…bis man ca 20 Jahre später sehr kleinmütig dies als Fehler einräumte.



    Heute feiern und fordern wir die Erfolge der Gentechnik in der Medizin aber im Bereich der Landwirtschaft lehnen einige bereits die Diskussion über die Vorteile dieser Technologie ab.???!

    • @alterego:

      Nun, die Einen lehnen die Diskussion über die Vorteile ab, die Anderen die Diskussion über die Nachteile. Ich höre von den Befürwortern der Gentechnik immer viel "kann" und "könnte". Die bisherigen Erfolge scheinen aber eher unternehmerische zu sein... und das ist ja derzeit auch der Hauptfokus der Agrargentechnik: Die Profitabilität der Agrarindustrie zu erhöhen.

  • Kommunikation und gemeinschaftlichkeit ist leider bei der FDP kein Fortschritt. Ebenso wie wahrheit und genauigkeit der sozialen organisation/integration. sowie erhöhung des lebensstandards für alle sowie den schutz für besonders wertvolle sorten und handwerkliche produktionen ...



    fortschritt ist leider bei der fdp beschränkt auf das, was allein ein paar konzernen mehr geld einbringt, egal was die andern sagen und wollen ... die freiheit der fdp ist weit wichtiger als die freiheit der anderen is doch klar ... da hat man keine zeit und muse um sich um sowas zu kümmern ...

    aber das ist ja nicht neu.



    leider vergessen es viele immer wieder, das genau dass das oberste ziel der neoliberalen ist. Ist ja auch verständlich wenn man so schöne worte wie freiheit hört ... freiheit freiheit ... sch... auf alles andere ...

  • "Sie verweisen auf mögliche Vorteile der neuen Gentechnikmethoden, die zu weniger Pestizideinsatz und widerstandsfähigeren Pflanzen führen könnten."

    Das wird seit 30 Jahren behauptet, aber gesehen hat die Welt dergleichen noch nicht. Der kurzzeitige Rückgang des Herbizideinsatzes durch Einsatz von GMO-Mais in Nordamerika ist längst vorbei, denn die Beikräuter sind resistent geworden und nun müssen chain gangs von Gefangenen ran.

    Was Dürreresistenz und die Toleranz für versalzene Böden angeht, kommt die Forschung auch nicht voran. In 50 Jahren ist das vielleicht möglich, aber die Komplexität und das Ausmaß der relevanten Stoffwechselwege verhindern, dass man derlei Eigenschaften mal eben so übertragen kann.

    Es wird oft behauptet, konventionelle Züchtung sei "auch nichts anderes als Genmanipulation", aber das ist Quatsch, insofern als dass es bei Nutzpflanzen um Populationen geht, nicht um Individuen (Pfefferminze und Kartoffeln sind vielleicht die einzige signifikanten Ausnahmen), und im Gegensatz zur konventionellen Züchtung ist die de.wikipedia.org/w...onsgr%C3%B6%C3%9Fe bei GMO über längere Zeit viel niedriger, d.h. die resultierenden Sorten sind nicht nur in Bezug auf die gewünschten Eigenschaften, sondern *insgesamt* genetisch extrem homogen, und im Anbau so robust wie das bei totalen Inzuchtopfern halt (nicht) der Fall ist. Daran, und nicht an Greenpeace, scheiterte auch der "Golden Rice" - er ist so anfällig (weil 2 Jahrzehnte lang nur eine winzige Population unter kontrollierten Bedingungen im Gewächshaus existiert hat), dass er auf dem Acker verlässlich versagt.

    Also bleiben von all den Verheißungen nur herbizidresistente und Bt-Toxin-produzierende GMO-Sorten übrig, denn das sind die einzigen, die so simple Veränderungen erfordern, dass sie umsetzbar sind und der Profit die Forschungs- und Entwicklungskosten deutlich übersteigt. Alles andere ist zu aufwändig und zu teuer, auch mit Crispr/Cas.

  • Langfristig wird der Einsatz von genetisch verändertem Getreide, Obst und Gemüse für eine stabile Ernährung der Weltbevölkerung zwingend benötigt werden. Die ganze Diskussion ist also müßig. Wer dann noch unveränderte Produkte haben will muss halt in den Bioladen um die Ecke gehen und seinen Geldbeutel weit aufmachen.

    • @SeppW:

      Wenn das alles so gut ist, warum wird sich dann gegen eine Kennzeichnung so gewehrt? Ich möchte, egal wo ich einkaufe wissen, ob gentechnisch veränderte Zutaten in meinem Essen ist. Einfach Transparenz schaffen, Verstöße ahnden und gut ist.

      • @Xanyd:

        "Wenn das alles so gut ist, warum wird sich dann gegen eine Kennzeichnung so gewehrt? "

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        Panikmache. Gezielte Stigmatisierung. Für die einen tötet genetisch verändertes Getreide...für andere wird in ein paar Jahren die Erde verglühen. Man sollte halt realistisch bleiben. Im Endeffekt stellt es sich, wenn man Hunger hat, nicht die Frage ob das Brot vor seiner Nase mit "gutem" oder "bösem" Getreide gefertigt wurde. Wichtig ist das überhaupt Brot da ist.

  • Machen wir uns ehrlich. Ohne modifizierte und "optimierte" Saatgüter wird es bei Dürre zukünftig noch weniger zu essen geben.

    • @casio:

      genau das.

      Ich finde es immer besonders lustig, wenn sich Menschen über Gentechnik aufregen, aber dann nur gerade Gurken essen wollen.