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Evangelischer Kirchentag in Nürnberg„Olaf, tu doch endlich was“

Bundeskanzler Scholz tritt beim Kirchentag auf. Und muss Kritik an der Politik der Ampel-Koalition bei Klima, Krieg und EU-Asylreform aushalten.

„Fossiler Kanzler“: Klimaaktivistinnen suchen beim Kirchentag den Klimakanzler Scholz Foto: Britta Schultejans/dpa

Nürnberg taz | Ein paar Plakate, einige Zwischenrufe: Der kurze Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag beim evangelischen Kirchentag in Nürnberg wird nicht nur mit Applaus quittiert. Insgesamt ist das Publikum dem ersten konfessionslosen Kanzler aber eher gewogen: In der vollbesetzen Frankenhalle im Messezentrum in Nürnberg gibt es einigen Zwischenapplaus. Teenies sind enttäuscht, dass sie keine Scholz-Selfies bekommen.

Viel Zeit mit dem Bundeskanzler ist insgesamt auch nicht vorgesehen: In einem schnellen 45-Minuten-Podium unter dem Titel „In bewegten Zeiten gemeinsam gestalten“ spricht Scholz mit Zeit-Journalistin Tina Hildebrandt in rapidem Tempo über Klimaschutz, Krieg in der Ukraine und Kirche. Auch zum gerade beschlossenen verschärften EU-Asylrecht äußert sich Scholz nach Nachfragen aus dem Publikum: Der „Gesinnungsethiker“ in ihm stelle sich jeden Tag die Frage: „Was schulden wir uns einander als Menschen?“ Dazu gehöre für ihn selbstverständlich der „Schutz des Asylrechts für Menschen, die vor politischer Verfolgung fliehen müssen“, sagt Scholz.

Bei der am Donnerstag beschlossenen Verschärfung des Asylrechts ginge es um Solidarität unter den EU-Ländern. Es müsse ein „Solidaritätsmechanismus“ etabliert werden, in dem Staaten wie Deutschland Flüchtlinge aus den Grenzstaaten übernehmen, dort dafür aber alle registriert werden. Die EU-Innenminister*innen hatten sich in ihrer Einigung auf Verfahren an der EU-Außengrenze verständigt, die dem eigentlichen Asylantrag vorgeschaltet werden.

Vor allem beim Kirchentag, zu dem auch etliche Menschen kommen, die sich in Initiativen für Geflüchtete engagieren, kommt das verschärfte Asylrecht nicht gut an. Zu­hö­re­r*in­nen halten Schilder mit der Aufschrifft „Barmherzigkeit statt Festung Europa“ hoch.

Und Scholz? Der SPD-Mann verteidigt in Nürnberg die neue Regelung als „fair“. Das jetzige System sei weder gut für die Schutzsuchenden, die sich auf gefährliche Routen begeben, noch für die beteiligten Länder. Gleichzeitig befürwortet Scholz auch die Pläne für Grenzverfahren, die dazu führen sollen, dass Menschen ohne Schutzberechtigung in der EU schnell wieder zurückgeschickt werden: „Zu diesen Regeln gehört selbstverständlich, dass wir Verfahren etablieren, in denen wir prüfen: Kann jemand bleiben, weil er Schutzgründe hat oder nicht? Und das wir jemanden, der diese Schutzgründe nicht vorbringen kann, auch sagen müssen: Du musst wieder zurückgehen.“ Nur so könne man das Asylrecht schützen, sagt der Kanzler.

Windkraftanlagen – auch in Bayern

Beim Klimaschutz lobt Scholz die Arbeit seiner Regierung und spricht vom „ehrgeizigsten Modernisierungsprogramm“ auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045. Zum Erreichen der Klimaziele brauche es nach Aussagen von Scholz 40 Fußballfelder Solaranlagen pro Tag in Deutschland und tausende Kilometer Stromleitungen von Nord nach Süd. Außerdem, und da konnte sich der Kanzler einen Seitenhieb auf das Kirchentag-Gastgeberbundesland nicht verkneifen: täglich fünf bis sechs neue Onshore-Windkraftanlagen: „Auch ein paar in Bayern wären schön.“

Vor dem Auftritt des Kanzlers hatten Fridays-for-Future-Aktivist*innen vor der Messehalle protestiert und gesungen: „Olaf, tu doch endlich was. Klimakrise wird sonst ziemlich krass.“ Auf die Frage von Moderatorin Hildebrandt, ob Scholz zur Klimaneutralität sagen würde „Wir schaffen das“, zögerte der Kanzler keine Sekunde: „Wir werden es hinkriegen.“

Waffenlieferungen werden beklatscht

Wie schon andere Po­li­ti­ke­r*in­nen auf dem Kirchentag bekräftigt auch Scholz, dass Waffenlieferungen an die Ukraine geboten seien – damit das Land seine Integrität verteidigen könne: Grenzen dürften nie wieder mit Gewalt verschoben werden, so Scholz. Auf Zwischenrufe aus dem Publikum, die „Verhandeln, Herr Scholz!“ fordern, erwidert der Kanzler, dass er mit dem russischen Präsidenten Putin viel und lange gesprochen habe. Und er das auch „demnächst“ wieder tun werde. Allerdings müsse man sich fragen: „Wer verhandelt mit wem und worüber?“ Eine Verhandlungsvoraussetzung für einen „fairen Frieden“ sei, dass Russland seine Truppen zurückzieht.

Unverändert bleibt für ihn die wichtigste Aufgabe, eine weitere Eskalation im Krieg zu verhindern „Es war und ist richtig, dass wir bei allem, was wir tun, abgestimmt handeln. Dass wir jeden Schritt überlegen und dass wir keine Alleingänge machen. Diesem Prinzip haben wir uns von Anfang an verpflichtet gefühlt“, sagt Scholz mantraartig.

Der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag wird am Sonntag zu Ende gehen. Am Abend wird es ein Gespräch mit Außenministerin Annalena Baerbock und dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck geben. Auch dort werden die Themen Krieg und Klimakrise im Fokus stehen.

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10 Kommentare

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  • Evangelischer Kirchentag in Nürnberg? Die Kirche hat wohl ihren Gläubigen nichts mehr zu sagen. Nur noch Politiker und politische Auftritte. Wofür dann Kirchensteuer und Kirchengeld zahlen?

    • @Gerdi Franke:

      Die Medien berichten natürlich vor allem von den Besuchen der Politpromis, tatsächlich handelt der Großteil der Veranstaltungen um Kirchenfragen und religiöse Fragen.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Ah ja wir schaffen das?



    Co2-Konzentration noch nie so hoch. Tempertur noch nie so hoch. Bundesregierung höhlt Klimagesetz aus.



    Aber "wir schaffen das"!



    Unglaublich...

  • ...woher hat dieser Mann Olaf Scholz, wenn er denn welche hat, seine Visionen und welche sind es bitte schön - nicht falsch verstehen dieser Mann stört mich nicht - aber politisch " mitnehmen " kann er mich bisher auch nicht wirklich...

  • Interessante Berichterstattung:



    hier wird Olaf auf gefordert, " endlich mal was zu tun"



    so nach anderthalb Jahren Dauerkrisenbekämpfung,



    im nächsten Artikel lobt man/frau Friedrich Merz dafür, " keine Kompromisse" zu machen...



    Und was macht er sonst noch so, unser Meckermerz,



    wenn er nich grad nach Sylt fliegt?



    Merkste was?

    • @Philippo1000:

      Ja, interessante Berichterstattung.



      TAZ ist auch manchmal ein sehr interessantes Blatt.



      ;-)

  • Olaf tu was !



    Das kann ich auch meinem Schirmständer entgegenschleudern



    Es hätte die gleiche Wirkung ...

  • Das Bild ist wohl sehr bezeichnend.



    Fünf verlorene Aktivistinnen mit ungenutzten Schildern vor einem Absperrband. Dahinter eine endlose Schlange von Menschen in guter Stimmung, die sich unterhalten, aber den Aktivistinnen kaum einen Blick zu werfen.



    Da kann man noch so viel von Zwischenrufen etc schreiben, irgendwie scheint es eher Randerscheinungen zu sein.

    Ob sapiens wirklich fähig ist. vorausschauendes, planendes Handeln für größere Gruppen, Regionen zu leisten? Der Rasenmäher hier vorm Haus spricht sogar gegen kleinräumige Vernunft - den trockenen Rasen noch kürzer zu schneiden? Nu denn.

  • "Das jetzige System sei weder gut für die Schutzsuchenden, die sich auf gefährliche Routen begeben, noch für die beteiligten Länder."

    Super Idee, dann noch mehr Menschen auf noch gefährlichere Routen zu zwingen...

    Seenotrettung politisch zu unterstützen einfach komplett aufgegeben, weil hey!, wen interessieren hunderte Tote, wenn es keine Bilder gibt? Jedenfalls nicht die SPD!

    Sehr ausgewogen, sehr fair, Glückwunsch Olaf!

    • @hoax:

      Es wird so nicht offen ausgesprochen, aber jeder weiß es doch: Die strengeren Verfahren und ungemütliche Lager sollen Menschen abschrecken, sich überhaupt ohne gültiges Visum auf den Weg nach Europa zu machen. Die Insassen sollen möglichst hässliche Bilder in die Heimat schicken, damit nicht noch mehr Menschen kommen.

      Das wird vielleicht sogar funktionieren und so zu weniger riskanten Überfahrten über das Mittelmeer führen. Und es ist dennoch ein Armutszeugnis für die EU. Etwaige Versuche der Politik, die Armut als Migrationsgrund und Fluchtursachen wie Bürgerkriege wirksam bekämpfen könnten, werden nicht einmal mehr erwähnt. Europa ist in den reinen Abwehrmodus übergegangen. Es wäre ehrlicher, wenn Faeser & Co das auch so kommunizieren würden.