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Evangelische Kirche postkolonialMit Folklore und Wahrheitsanspruch

Die evangelische Kirche will ihre Kolonialgeschichte aufarbeiten. Doch gemeinsame Perspektiven bleiben rar – wegen christlicher Versöhnlichkeit.

Tomboa, Angola: verlassene Kirche aus der portugiesischen Kolonialzeit Foto: Eric Laffargue/Hans Lucas/imago

Das Kirchentags-Hauptpodium zu postkolonia­lem Erbe ist überfüllt. Leute bleiben vor der Eingangstür sitzen, suchen hektisch nach dem Livestream. „Die antirassistische Gesellschaft müssen wir uns erarbeiten!“, ist zu hören.

Drinnen ringt die evangelische Kirche um ihre Kolonialgeschichte. „Es gab Pfarrer, die sich an Strafmissionen beteiligt haben. Pfarrer, die Sklavenschiffe gesegnet haben“, erklärt der Rassismusforscher Narku Laing.

Es geht um Folklore, um Missionare, die selbst als Kolonialherren auftraten, aber auch um kritische, teils gutgläubige Missionare, die das Bild für einige bis heute entschärfen. Die EKD forderte 2018 erstmals eine Aufarbeitung der „zwiespältigen Rolle der Mission“ – ihre Missionare hätten dem Kolonialismus einen fruchtbaren Boden bereitet.

Auch weil viele auf eigene Faust handelten, bleibt die Rolle der Kirche bis heute unscharf. Anhand zehntausender Objekte in Museumsbesitz ließe sich trotzdem ein eindeutiges Bild zeichnen, so die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy: Militär, Mission und Museen hätten um 1900 als komplizenhaftes System funktioniert. Nur für die Öffentlichkeit sei davon fast nichts zu sehen, weswegen es vor einer echten Restitution vor allem einen Transfer von Wissen brauche.

Die einzige Wahrheit?

Für die Kirche ist das nicht einfach, denn beim Wissenstransfer aus Europa ist sie, vorsichtig ausgedrückt, vorbelastet. Lange traten Missionare in den afrikanischen Kolonien mit dem einen, erlösenden Glauben auf, sie seien allein im Besitz der einzigen Wahrheit.

Im globalen Süden erscheint die Kirche oft in anderem Licht: „Es gibt kontinentale Perspektiven und es gibt diasporische“, erklärt die Theologin Sarah Vecera. Das wird das besonders klar, als Fidon Mwombeki spricht. Er ist Generalsekretär der Gesamtafrikanischen Konferenz der Kirchen. „Es ist zu viel Zeit seit der Unabhängigkeit vergangen, als dass wir alle Probleme auf den Kolonialismus zurückführen können. Wir wollen ein unabhängiger Kontinent sein, der partnerschaftlichen Respekt verdient“, sagt er. „Unmöglich, wenn der frühere Unterdrücker ständig daran erinnert, wie erfolgreich er war.“

„Beeindruckend versöhnlich“ nannte Regionalbischöfin Petra Bahr diese Sicht am selben Tag. Das solle die Kirche „nicht davon entlasten, die Geschichte gründlich aufzuarbeiten“.

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2 Kommentare

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  • "Lange traten Missionare in den afrikanischen Kolonien mit dem einen, erlösenden Glauben auf, sie seien allein im Besitz der einzigen Wahrheit."

    Was ist daran verwunderlich? Es gehört beim Glauben an Gott dazu, auch zu glauben, dass alle anderen falsch liegen. Das hat auch nichts mit der Zielgruppe zu tun. Umgekehrt war das bei der Mission Europas durch Missionare aus Asien ja ganz genauso. Wer wirklich glaubt, was er zu glauben behauptet, für den ist das die einzige Wahrheit. Wenn es Gott tatsächlich gibt, dann kann es über Gott nur eine Wahrheit geben. Alles andere widerspricht jeglicher Logik.

  • Postkololiniales Denken? Jeder, der über die Ukraine mit Russland verhandeln möchte, ist nach wie vor im kolonialen Denken gefangen. Wer die Welt in Einflusssphären zwischen drei Großmächten aufteilen möchte, denkt kolonialistisch. Wer die Ukrainer nicht fragt, was sie für eine Zukunft wollen, denkt kolonialistisch.



    Diese Form des kolonialistischen Denkens ist leider nicht nur am rechten Rand verbreitet, sondern hat lange Zeit auch die Linken beherrscht. Für einen Frieden mit Russland hörte man den Völkern Ost- und Mitteleuropas erst gar nicht zu und war bereit deren Souveränität auf dem Altar der deutsch-russischen Vertändigung zu opfern. Anderen Staaten ihre Zukunft mit Rücksicht auf Russland vorzuschreiben: Mehr Kolonialismus geht ja wohl kaum.