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Folgen von Künstlicher IntelligenzOhnmacht durch KI

Künstliche Intelligenz dürfte die Menschheit schneller verändern als die Entdeckung des Feuers. Es geht um Grundfragen: Wer wollen wir sein?

„In den Tiefen meiner Fluten formten sich seine Gedanken,…“ Foto: Liedle/imago

N atürlich habe auch ich Chat-GPT ausprobiert. Am schönsten war es, als ich den Rhein eine Laudatio auf Heinrich Heine habe halten lassen: „In den Tiefen meiner Fluten formten sich seine Gedanken, seine Inspiration und seine künstlerische Leidenschaft. Ich hatte das Privileg, seine Wiege zu sein, seine musikalische Begleitung während seiner Jugendjahre entlang meiner Ufer … Aber Heine sah mich nicht nur als romantische Kulisse, sondern auch als Symbol für politische Macht und soziale Konflikte.“ Wow!

Die Freude an solchen unterhaltsamen Spielchen, mit denen man viel Zeit verdaddeln kann, verging mir, als ich das Video einer Sitzung des US-Senats ansah. Der Vorsitzende, Senator Richard Blumenthal, umriss in einer einleitenden, pointierten Rede einige der Probleme der künstlichen Intelligenz. Er tat es mit ruhiger Stimme – und mit geschlossenem Mund. Denn er hatte Chat-GPT um diese Einleitung gebeten, und die Stimme hatte das Computerprogramm aus dem Rohmateral früherer Senatssitzungen geklont.

„Stellen Sie sich vor“, sagte Blumenthal, „ich hätte das Programm gebeten, mit meiner Stimme die Kapitulation der Ukraine zu fordern oder Putin zu unterstützen …“ Seine Konsequenz: Wir sollten nicht noch einmal den Zeitpunkt für wirksame Kontrollen verpassen, wie bei Social Media. Und Sam Altman, der Erfinder von Chat-GPT, bat die Regierung um eine Agentur zur Regulierung der Technik.

Das zweite Erlebnis, nicht weniger spooky: der Auftritt von Sascha Lobo auf der OMR („Online Marketing Rockstars“)-Konferenz von 70.000 Influencern und Online-Marketeers in Hamburg. Auch Lobo konnte sich den Klon-Trick mit einem Grußwort von Olaf Scholz nicht verkneifen, aber dann war, eine halbe Stunde lang, seine gemäßigt hysterisierte Botschaft an die Gemeinde: Ihr wart die Pioniere der Social Media, ihr müsst jetzt die Entwicklung vorantreiben, KI in jeden Winkel bringen, damit „Deutschland auch noch in zwanzig Jahren ein reiches Land“ ist.

Jeder hat persönlichen KI-Influencer

Lobo mokierte sich über die Bedenkenträger, die mit den Fakes und Bots das Ende der Demokratie, gar der Zivilisation kommen sehen, und blickte in eine lichte Zukunft, in der jeder seinen persönlichen KI-Influencer hat, eine „Person“, die das Intervall zwischen Wunsch und Bestellung radikal verkürzen könnte. Die Chinesen seien uns weit voraus, auch weil sie „großartige, fantastische“ Datenmengen aus den privatesten Chatbots ihrer Bürger abgreifen können, was hierzulande „manche Menschen ein bisschen verstört“.

Und deshalb: Gehet raus und überzeugt die Menschen, das zu beschleunigen, was ihr gerade mal ein wenig und sie noch gar nicht verstehen. Die Versammlung der kapitalistischen Zukunftsfreunde; die Furcht von Politikern vor einer Entkernung demokratischer Verfahren; die Angst von Militärs vor dem automatisierten Drohnenkrieg; die Verschärfung von Wahn und Fake in den Social Media – all das füttert meine Ohnmachtsgefühle.

Während Kulturkritiker und Soziologen versuchen zu begreifen, was da geschieht, werden die Claims gesteckt

Und ich bin umgeben von Menschen, denen es auch so oder ähnlich geht, und das sind nicht nur Rentner. Viele, die sowohl mit der Technik wie mit den Regulierungsversuchen vertrauter sind als ich, sind überzeugt, dass die Schwelle, über die „wir“, die Menschheit also, in globaler Gleichzeitigkeit gehen, ungefähr die Größenordnung des Übergangs zur Alphabetisierung, wenn nicht gar zur Sesshaftigkeit hat, nur nicht so allmählich wie die Ausbreitung von Feuer, Schrift und Webstuhl.

Und während Kulturkritiker und Soziologen noch versuchen zu begreifen, was da geschieht, werden die Claims gesteckt: in der globalen Privatisierung der digitalen Infrastrukturen, im „Chip War“ zwischen den beiden Supermächten. Die KI-Revolution ist global, sie erfordert eine globale Kontrolle – der Satz ist wirkungsloser als die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz. Europa humpelt hinterher, auch das ist ein Allgemeinplatz ohne Folgen. Belastbare Ahnungen vom Umfang kommender Arbeitslosigkeiten gibt es so wenig wie Ideen über ihre Kompensation.

Womöglich hilft Hölderlin

Politische Metaphysiker halten sich an Hölderlin: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Ja, es stimmt: Eine Bewirtschaftung der Erde für 10 Milliarden Menschen, die noch ein paar Schmetterlinge und Urwälder übrig lässt, werden wir nur mit viel KI hinkriegen, mit smarten Gesellschaften, mit kollektiver Verhaltenssteuerung durch jede Menge Apps auf jeder der Milliarden Smartphones und Smart Watches auf Erden. Rückwärts nimmer und vorwärts im Nebel; wenn’s gut geht, mit politischen und nicht nur profitorientierten Lotsen.

Auf kurze Sicht brauchen wir deshalb Gewerkschafter und Ministerien, die dafür sorgen, dass die Gesellschaften nicht zerfallen: in eine neue Elite von Technokapitalprofiteuren und Start-up-Vitalisten und eine sprachlose Masse von Konsumenten. Auf mittlere Sicht geht es, wenn’s gut geht, darum, für einiges neue Formen zu finden, was wir mal als Abendland, Europa, Demokratie, Humanismus oder „den Reichtum Deutschlands“ bezeichnet haben. Wer organisiert die Pep Speeches dafür?

Vor einem halben Jahrhundert, so wird erzählt, blickten sich in Seattle zwei pickelige 17-Jährige an: Glaubst du wirklich, dass eines Tages das gesamte Wissen der Welt aus der Steckdose kommt, fragte Bill. Und Paul sagte: Ja, das glaube ich. Und dann lachten beide und sagten: „Dann werden wir sehr, sehr reich werden.“ Wissen und Wollen oder Geld – darum geht es auch am Anfang dieser Epoche. Und darum, wer „wir“ seien wollen und wie viele. Wie „wir“ mit dem Wissen der Welt, der Vergangenheit, den jahrtausendalten Hoffnungen umgehen wollen.

Darüber wäre zu beraten, in allen Städten und Firmen und Schulen – und an allen Küchentischen. Vor ein paar Tagen haben hundert Verbände hundert Milliarden für Bildung gefordert. Haben Sie heute davon noch etwas gehört? Vielleicht hilft ja wirklich nur noch Festkleben.

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9 Kommentare

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  • Das Problem ist, dass sich die Technik immer weiter entwickelt und ausdifferenziert und immer weniger Menschen verstehen, was da eigentlich passiert. Dann behelfen sich Menschen notgedrungen bei Begriffen wie Künstliche Intelligenz mit Assoziationen aus dem Alltag, auch wenn die Technik an sich damit wenig zu tun hat. Der Begriff künstliche "Intelligenz" ist irreführend und stammt aus den 1950er Jahren, als man noch relativ am Anfang der Technik war, aber bereits neuronale Netze algorithmisch beschrieben hat. Solche Systeme besitzen aber kein intentionales Denken, eigentlich können sie überhaupt nicht im menschlichen Sinne denken, haben auch keine Kreativität, aber verhalten sich in manchen Bereichen in erstaunlichem Maße "als ob". Eine Regulierung muss daher dem Einsatz dieser Systeme gelten, nicht der Erforschung. Dazu muss man die Technik aber verstehen.

  • "Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch, - ein Seil über einem Abgrunde."

    Zitat aus: Friedrich Nietzsche: "Also sprach Zarathustra"

    Menschen werden nicht ruhen in ihrem Drang aus sich selbst heraus einen "Übermenschen" zu erschaffen, als Ersatz für den Gott, den sie für tot erklärt haben.

    Dieser Drang ist stärker als alle Abgründe und die vielen Millionen Tote die er, gerade im 20. Jahrhundert, schon gekostet hat.

  • Schwierig, wenn man die Grundbegriffe einfach blindlings übernimmt, so wie sie durch die mediale Landschaft flattern.

    KI - Künstliche Intelligenz stimmt von der Begrifflichkeit zwar, hat aber mit Intelligenz immer noch nichts zu tun. Die KI kann sich zwar an fast grenzenlosen Datenbanken und somit an Wissen bedienen, die KI hat aber kein *Gewissen*. Abstraktes Denken schafft die KI nicht, denn man kann sie mit gewissen Formulierungen ganz schnell i die Irre führen. Wird sie auf den Fehler aufmerksam gemacht, wird in der Datenbank dieser Hinweis abgelegt und bei zig Wiederholungsfällen lernt die KI in diesem Bereich dazu. Das ist aber nicht abstraktes Denken sondern wissensbasierte Wiedergabe.

    Daher an dieser Stelle: die KI ist keine echte Gefahr, außer wir geben unser Gehirn an der Garderobe ab. Und dass gewisse Berufe weg fallen werden, ist ein natürlich Prozess der Automatisierung und Computerisierung.

    Die Simulation von Stimmen oder die komplette Animation von Personen hat mit KI nichts zu tun. Es sind schlichtweg Computerprogramme welche einen bestimmten Zweck verfolgen. Die werden zwar auch immer perfekter, so dass eine Fälschung vom Original kaum mehr zu unterscheiden ist. Aber es bleiben dumme Algorithmen.

    Die große Gefahr liegt in der Kombination mit anderen Techniken. Die Sozialen Netzwerke wirken dabei willfährig als Brandbeschleuniger. Wenn Tausende von Schreib-Bots mit KI-Texten gefüttert werden, kann man blitzschnell Falschmeldungen auf der ganzen Welt verbreiten. Dazu noch professionell gefälschte Bilder und fertig ist ein angezettelter Krieg .. oder ein Börsencrash.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Gern gelesen. Danke. Die Befassung mit KI ist offensichtlich gut für die natürliche.



    „Eine Bewirtschaftung der Erde für 10 Milliarden Menschen, [….] werden wir nur mit viel KI hinkriegen, mit smarten Gesellschaften, mit kollektiver Verhaltenssteuerung [….] auf jeder der Milliarden Smartphones und Smart Watches auf Erden. [….]“



    Auch wenn’s gut geht, stellt sich die Frage: Wird es gut sein? Smartphones und Smart Watches? Ich erwarte – Implantate. Die nächste Impfwelle kommt bestimmt. Ich habe Chat-GPT nicht ausprobiert, und ich lese, sehe und höre nichts von Sascha Lobo. Ich gehe auch nicht in Geisterbahnen.



    „Wer wollen wir sein?“ Die Frage ist schwer zu beantworten, wenn „wir“ noch nicht einmal wissen, wer „wir“ sind. Doch ich danke dem Rheine für seine Gedanken zu Heine. In dem Sinne war ich der „KI“ auf den Versen, und bei meiner Suche im Web fand ich das folgende:



    „Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen,



    ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen,



    wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen,



    von blonden Haaren schwärmend untergingen.“ (Erich Kästner 1932)



    www.lyrikline.org/...-der-loreley-14377



    „Vielleicht hilft ja wirklich nur noch Festkleben.“ Wäre schon damals sinnvoll gewesen.

  • ich unterstütze die Grundgedanken des Artikels....



    aber



    Bedenken haben "nicht nur Rentner" ???!!!



    Was soll das? das ist Altersdiskriminierung

    • @degouges:

      Das ist nicht Altersdiskriminierung, sondern der Hinweis darauf, dass die Unterstellung nur Rentner hätten Bedenken, Altersdiskriminierung ist.

  • Das wird bestimmt die größte Veränderung seit dem Urknall. Wenn nicht noch größer.

  • Eine Frage, die nicht nur den amerikanischen Anthropologen David Graeber bewegte, sondern auch in der KI-Debatte virulent wird:



    Was und wie wollen wir in Zukunft arbeiten?



    //



    taz.de/Philosoph-u...kuerzung/!5916834/



    //



    Das "Aussterben" von Berufen ist keine ferne Utopie.

  • Wenn die Einleitung schon irreführt: chatgpt kann keine Stimme klonen. Der Text kam von chatgpt, die Stimme von einem anderen ki-tool