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Politik für Atom- und AgrarlobbyMacrons miserable Ökobilanz

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron glaubt, die EU habe genug Umweltnormen erlassen. Dabei stockt nicht nur seine Energiewende.

Nachhaltiger Verkehr vor überkommener Energieerzeugung: Radler vor dem AKW Cattenom Foto: Paul Langrock

Paris taz | Hat die EU im Vergleich zu den USA, China und anderen Wirtschaftsmächten schon genug getan für die Umwelt und das Klima und kann sich nun auf den Lorbeeren ausruhen? Das scheint die Ansicht des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu sein. Er meint, in Europa hätten wir schon „viel reglementiert, mehr als alle Nachbarn“. Und um im Wettbewerb nicht Terrain zu verlieren, wünscht er eine „Pause beim Reglementieren in Europa“. Er steht damit nicht alleine da: Ähnliche Warnungen vor (angeblich) zu viel „Bürokratie“ auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und der Landwirtschaft kommen aus Belgien. Unterstützung bekommt Macron zudem von der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament.

Der Klimawandel aber macht keine Pause. Und die umweltpolitische Bilanz des Präsidenten, der 2017 mit der Devise „Make our planet great again“ angetreten war, ist alles andere als glorios. Darum sorgte diese Bemerkung des französischen Staatschefs in Frankreich für Proteste. Die linke Opposition im Parlament kritisiert diese Äußerung als „absolut verantwortungslos“, so die Abgeordnete der Grünen, Sandrine Rousseau. Und die Umweltorganisation „Les Amis de la Terre“ spricht von einem „Eingeständnis des Misserfolgs“ in der ersten Amtszeit von Macron und warnt: „Wenn von Umweltnormen die Rede ist, geht es um Richtlinien zum Schutz der Gesundheit der Europäer vor den Folgen des Klimawandels.“

Das französische Präsidentenamt möchte nach diesen Einwänden klarstellen, dass Ma-cron nicht etwa von einem Aufschub bei der Umsetzung der bereits beschlossenen europäischen Regeln gesprochen habe, sondern lediglich von neuen. Doch seine Stoßrichtung ist klar: Frankreich möchte vermehrt (ausländische) Investitionen für die Industrieproduktion anziehen, und der Präsident hält allzu viele Auflagen, Normen und Verbote für nachteilig im internationalen Wettbewerb. Lieber brüstet er sich – wie kürzlich bei einem Treffen mit dem Tesla-Gründer Elon Musk – damit, dass Frankreich in Europa in Sachen Attraktivität für internationale Investoren die „Nummer eins“ sei.

Die „Pause“ hat längst begonnen. Wie Macrons Frankreich schon bisher aus Wirtschaftsinteressen zu bremsen versucht, belegt der gewährte Aufschub beim Verbot von Glyphosat und Neonicotinoiden. Als die EU den Einsatz von Glyphosat bis Ende 2023 verlängerte, kam dies den Forderungen der französischen Agrarlobby und der Regierung sehr entgegen. Auch wollte das französische Landwirtschaftsministerium unter dem Druck der Zuckerrübenproduzenten die Verwendung der „Bienenkiller“-Insektizide der Gruppe der Neonicotinoide nach dem Verbot von 2020 mindestens zwei Jahre weiter tolerieren. Diese Ausnahmeregelung wurde nun im Nachhinein vom obersten Verwaltungsgericht des Landes für illegal erklärt.

Die Note ungenügend verdient Macron auch im Bereich der Energiewende. Zwar ließ er, wie schon von seinem Vorgänger versprochen, das älteste AKW in Fessenheim abstellen, doch gleichzeitig leitet er ein massives Investitionsprogramm ein: Sechs Reaktoren mit der EPR-Technologie sind bestellt, acht weitere als Option vorgesehen, und zudem soll Frankreich „Minireaktoren“ entwickeln. Die „Ausstiegs“-Zielvorgabe, den Anteil der mit Atomenergie produzierten Elektrizität wenigstens schrittweise auf 50 Prozent zu reduzieren, wurde aus Ma­crons Energiepolitik fast unbemerkt gestrichen.

Frankreich setzt auf fossile Energien

Dagegen gehört Frankreich nicht nur zu den Staaten, die weiterhin mehr in fossile Energien investieren als in erneuerbare; zudem ist es der einzige EU-Staat, der beim Ausbau der erneuerbaren Energien die Zielsetzungen nicht erreicht hat. Da der derzeitige AKW-Park wegen Inspektionen und Defekten teilweise außer Betrieb war, musste Frankreich auf ein altes mit Kohle betriebenes Kraftwerk zurückgreifen und Strom importieren.

Diese Mängelliste nicht gehaltener Versprechen des Präsidenten, der für sein Land eine Vorreiterrolle beanspruchen wollte, ließe sich verlängern. Dessen ungeachtet hat seine Premierministerin Elisabeth Borne am letzten Montag – ohne mit den Wimpern zu zucken – ein „beschleunigtes“ Programm zum Kampf gegen die Klimaerwärmung angekündigt.

Bis 2030 müsse Frankreich den Schadstoffausstoß im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent, das heißt doppelt so schnell wie bisher, vermindern. Für den Verkehr, die Landwirtschaft, die Industrie oder den Bausektor sind die Vorgaben mit schönen Diagrammen präzisiert. Und Borne kommentiert: „Wenn wir diesen Aktionsplan verwirklichen, erreichen wir unsere Ziele für 2030.“ Was die Zeitung Libération zu einer kritischen Anmerkung veranlasst: „Einfach auf dem Papier, viel komplizierter in den bereits vom Klimawandel betroffenen Bereichen.“

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8 Kommentare

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  • Macron hat eine erhabene Sicht auf die Franzosen, weswegen er sie auch nicht mehr erreicht.



    Hinzu kommt eine problematische Beziehung zu seiner ehemaligen Lehrerin, die sicher hier Frankreich nicht weiter untersucht wird. Beruflich kommt er nach dem hochgradigen Studium in die globale Finanzwirtschaft. Aus dieser Position heraus beginnt er seinen Schachzug, die klassischen französischen Parteien durchzuschütteln.

    Dabei helfen ihm publikumswirksame Sprüche, die seinen Weg pflastern (Beispiel: „La République en marche“ oder „Make the Planet Great Again“)

    Nun steht die Zeit nach seiner Präsidentschaft an, denn er kann nicht wiedergewählt werden. Um das Feld nicht kampflos Marine Le Pen zu überlassen, braucht Macron bzw. seine rechte Mitte die Wähler im Umfeld der Landwirtschafts- und Wirtschaftslobby, egal um welchen Preis (ob Glyphosat oder Wasser- bzw.Energieknappheit).

    Wegen sehr wahrscheinlicher Wasserknappheit und den daraus resultierenden Problemen mit der Kühlung der (nicht in Reparatur befindlichen) AKW im Sommer muss jetzt beispielsweise ein lothringisches Kohlekraftwerk reaktiviert werden.

    Noch ein Punkt zum Thema AKW: Bei der angeblichen CO2(-fast)-Neutralität darf man wirklich nicht vergessen, dass die Atommüll-Endlagerproblematik bei diesen willkürlich gewählten, die Atomenergiebilanz gut aussehen lassenden Systemgrenzen WILLKÜRLICH gewählt wurden. Würde man in der Systembilanz die CO2-Bilanz der Hunderttausend Jahre der zwangsweise sicheren Lagerung von hoch- und schwach-radioativem Müll sowie die Gewinnung des Rohstoffs Uran mit einrechnen, sähe die Atomenergiegewinnung in ihrer Umweltbilanz miserabel aus. Davon will in Frankreich aber keiner was wahrnehmen.

    Die AKW werden diesem Planeten aufgrund des unstillbaren Energiehungers seiner Bewohner wohl weiter nicht erspart bleiben. Bis vermeintlich ungefährlichere Fusionskraftwerke technisch stabil und sicher laufen, dürfte es noch 40 Jahre dauern. Bis dahin produzieren wir weiter Müll

    • @Knuth W.:

      Das neue finnische Endlager (Baukosten ca. sechs Milliarden EUR) wird nach Befüllung mit alten Brennstäben versiegelt. Ein Monitoring gibt es anschließend nicht, noch nicht einmal ein Hinweisschild wo sich einst der Eingang zum Endlager befand. Grund: die beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure sehen keinen Sinn darin. Damit sind die Ewigkeitskostengleich Null. Emissionen fallen also auch nicht mehr an.

  • "Macrons miserable Ökobilanz" ?

    CO2 pro Kopf in Tonnen (2021):



    Frankreich 4,74t



    Deutschland 8,09t

    Ich würde eher "Scholz miserable Ökobilanz" sagen.

  • Es gibt immer Kritikpunkte aber man sollte anerkennen, dass F die CO2 Emissionen pro Kopf deutlich reduziert hat und liegt bei ca 50% des Wertes in China.

  • "Da der derzeitige AKW-Park wegen Inspektionen und Defekten teilweise außer Betrieb war, musste Frankreich auf ein altes mit Kohle betriebenes Kraftwerk zurückgreifen und Strom importieren."

    Herrlich, selbst auf rund 130 Kohlekraftwerken sitzen, fuer die selbe Menge Strom im Vergleich mindestens 6 mal soviel CO2 ausstossen, aber das eine Kohlekraftwerk in Frankreich kritisieren.

  • Die Mängelliste ist lang das ist richtig. Jedoch fehlt ein Zusamenhang. Macrons Politik sorgt für ein moderates Wirtschaftswachstum und einen Strompreis von 17 Cent je Kilowattstunde für private Haushalte. Bei Zuständen und Strompreisen wie in Deutschland wäre er längst nicht mehr Präsident, sondern eine Frau Marine Le Pen. Wär das besser?

    • @Kristina Ihle:

      Für die 17cent schickt Frankreich auch seine Fremdenlegion wenn der Urannachschub gefährdet ist und hinterlässt im Niger ein Umwelt- und Gesundheitsdesaster.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    "...musste Frankreich auf ein altes mit Kohle betriebenes Kraftwerk zurückgreifen und Strom importieren."

    Wie Deutschland, oder?