Osnabrücker Ausstellung zum Welthandel: Sammelsurium mit Plastik-Steak
Das Museum Industriekultur steckt sich mit seiner Ausstellung „Welthandel. Geschichte, Gegenwart, Perspektiven" viele Ziele - und erreicht keines.
Eines muss man dem Museum Industriekultur (MIK) lassen: Seine Sonderausstellung „Welthandel. Geschichte, Gegenwart, Perspektiven“ beginnt mit einem Schauwert. Der Eingang ist ein Frachtcontainer. Ein schlichtes, starkes Bild.
Aber gleich dahinter beginnt die Irritation. „Die Handelsleute nennen sich mit gutem Rechte Stützen der öffentlichen Wohlfahrt“, darf der zurecht vergessene Autor und Kaufmannsfamilienabkömmling Johann Peter Willebrand im Prolog sagen, „und sie verdienen, dass man sie hoch schätze.“
Gut, das stammt von 1767. Aber ist das als Motto gemeint? Je tiefer man in die Ausstellung vordringt, desto mehr wächst jedenfalls der Verdacht, dass vor allem die Vertreter der Logistikbranche, die das MIK als Kooperationspartner an Bord geholt hat, die Schau als Raum zu Selbstdarstellung, zum Eigenlob haben nutzen dürfen.
Dabei ist der Anspruch groß. Die Ausstellung soll sich auch für Kinder eignen, nicht nur für Erwachsene. Sie soll auch Lokales zeigen, nicht nur Globales. Sie will Jahrhunderte überspannen, nach der Wirkung des Welthandels auf Gesellschaft, Politik, Wissen und Umwelt fragen, Konflikte und soziale Ungleichheiten diskutieren, Auswirkungen des Warenverkehrs auf die Natur, den Klimawandel. Sie will die Beziehung zwischen dem Welthandel und dem Frieden thematisieren. Viele Ziele; alle eine Titanenaufgabe.
Neun Themeninseln erwarten uns. Handelsorte zeigen sie uns, Handelnde. Es geht um Bilanzen, Waren, Regeln und Normen. Auch die in Osnabrück ansässige Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat die Ausstellung, die nach Osnabrück auf Wanderschaft geht, mit rund 120.000 Euro gefördert. Sicher, die Ausstellungsarchitektur setzt auf Upcycling. Und auch Hilfsorganisationen wie HelpAge und terre des hommes kommen zu Wort. Aber schnell ist klar: Die Schau will zu viel, und das bringt sie zu Fall.
Eine Flut von Diagrammen und Tabellen brandet auf uns ein, von Karten und Zahlen. Videos traktieren uns mit Fachsprech. Text reiht sich an Text, und dass viele nackenbrechend hoch angebracht sind, lässt uns den Chiropraktiker herbeiwünschen. Am besten käme auch gleich ein Augenarzt mit: Manchmal sind die Erklärungen unlesbar in Orange auf Gelb gedruckt, andere Texte kommen als designverspielte Collage daher.
Hunderterlei tritt uns entgegen, vom Degen bis zur Drohne; ein Overkill an Kleinteiligkeiten, ein Wimmelbild frustrierender Zerstreuung. Die Botschaft? Man weiß es nicht; vermutlich ist es nicht nur eine. Vieles wird angerissen, schlaglichthaft, fragmentarisch. Manches wirkt wie pro forma. Nichts geht in die Tiefe. Alles plätschert vorbei.
Eine Luntenschlossmuskete von 1625 ist zu sehen und ein Exoskelett für Logistikmitarbeiter, eine Bierflasche aus Haarlem und das Modell eines Containerschiffs. Ein Steak aus Plastik ist zu sehen und ein Spielzeug-Sturmgewehr. Es geht um Kamele als Packtiere, Farbfächer für die Beurteilung von Äpfeln, um Ellenmaße, die Uiguren-Versklavung, Sandelholz, Handheld-Barcode-Scanner, Trillerpfeifen von TTIP-Gegnern und Ballastwassertanks von Schiffen.
Wir sehen eine Kanone mit dem VOC-Logo der 1602 gegründeten niederländischen Vereenigde Oostindische Compagnie und das Modell eines Überseekabels, mit deren Verlegung Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen wurde.
Irgendwann wird Opium erwähnt. Ein Geschäftskalender wird ausgestellt. Autobahnstaus und Kartoffeln aus Peru sind fotografiert worden. Es geht an einer Stelle auch um Kinderarbeit.
Welthandel. Geschichte, Gegenwart, Perspektiven: bis 15. 10., Osnabrück, Museum Industriekultur, Osnabrück
Zudem kommen Emissionen, Datenbrillen, Tranleuchten, Stadtentwicklung, Elfenbeinschmuck und eine Großflächen-Sämaschine vor sowie die Osnabrücker Proteste gegen den Ausbau der A33 Nord, um noch ein wenig Lokalbezug herzustellen.
Um Einhörner geht es irgendwie auch. Furchtbar. Weißes Rauschen. Dass der Katalog auf „Einfache Sprache“ setzt, ist pure Augenwischerei: Die Schau selbst ist in ihrer Konfusion das glatte Gegenteil von Barrierefreiheit.
Ihr Schlusskapitel soll dann Visionen des Welthandels im Jahr 2050 entwerfen. Sie bleiben übersichtlich: Es wird ihn geben, denn Konsumverzicht allein ist keine Lösung. Und die Logistiker, die sich hier so werbewirksam in Szene setzen dürfen, werden an ihm verdienen.
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