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Abstieg von Turbine PotsdamDie Mär von der gewollten Vielfalt

Mit Potsdam verliert die Frauen-Bundesliga ein weiteres Feigenblatt der Eigenständigkeit. Das liegt nicht nur an den Fehlern von Turbine.

Große Enttäuschung: Noa Selimhodzic realisiert nach Abpfiff den besiegelten Abstieg Foto: imago

A uf der Homepage der Fußballerinnen des 1. FFC Turbine Potsdam war der Verein auch einen Tag später, am Sonntag um 12 Uhr, noch nicht abgestiegen. Es hatte einfach noch niemand Zeit gefunden, unter der Rubrik Top-News davon zu berichten, dass der einstige Champions-League-Sieger und mehrfache Deutsche Meister nach der 1:5-Niederlage gegen Bayer Leverkusen nicht mehr in der Bundesliga spielen wird.

Dieses Detail zeigt ganz gut, warum an dieser Stelle auf eine vertiefte Analyse zur ausbleibenden Professionalisierung im Verein verzichtet werden kann.

Interessanter als die Binnenperspektive ist bei diesem Abstieg ohnehin die Draufsicht auf das Große und Ganze. Denn mit Turbine Potsdam verliert die Liga eines seiner letzten beiden Feigenblätter, die für eine Tradition der eigenständigen Entwicklung des Frauenfußballs stehen. Mit der SGS Essen wird aller Voraussicht nach nächste Saison nur noch ein reiner Frauenfußballverein erstklassig spielen.

Heike Ullrich, die Generalsekretärin des DFB, hatte vor vier Jahren noch gesagt, sie fände beides gut: reine Frauenfußballvereine und das vermehrte Interesse der Lizenzvereine mit Profimannschaften bei den Männern. Der DFB müsse die Voraussetzungen schaffen, diese Vielfalt zu erhalten.

Subventionierter Wettbewerb

Im Rückblick lässt sich sagen, dass der Verband daran kläglich gescheitert ist. Wenn das wirklich erwünscht gewesen wäre, hätte es einfache Möglichkeiten gegeben. Reine Frauenvereine hätten etwa bei der Vergabe von TV-Geldern deutlich begünstigt werden können. Die Frauenvereine mit Männerabteilungen im Hintergrund arbeiten derzeit im Schnitt mit 1,5 Millionen Euro pro Saison defizitär und fangen das durch interne Quersubventionierung auf.

Diesen ungleichen Wettbewerb hat der DFB trotz seiner Bekenntnisse zur Vielfalt einfach laufen lassen. Kein Wunder, dass der Zweitligist SG Andernach im Frühjahr bekannt gab, im Falle des sportlichen Erfolgs gar nicht aufsteigen zu wollen. Der deutsche Frauenfußball hängt fast vollständig am Tropf der Männervereine. Beim DFB hofft man wohl auf ein neues Feigenblatt.

Der FC Viktoria Berlin, ein von sechs prominenten Frauen gefördertes Projekt, will den Frauenfußball ohne Männerklubhilfe revolutionieren. Sie trommeln mächtig, um Geld für ihre Erstligapläne zusammenzubringen. Viktoria wäre dann vermutlich schrill genug, um für die neue Vielfalt der Liga zu stehen. Und den DFB kostet das nichts.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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6 Kommentare

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  • Die Bevorzugung von reinen Frauenvereinen bei der Ausschüttung der TV-Töpfe würde doch das genaue Gegenteil von dem bewirken, was man in den letzten Jahrzehnten angestrebt hat: Die Vereine mit etablierten Herrenabteilungen und ihr Geld würden sich wieder verabschieden. Denn wer wird schon - indem er weiter brav die dann noch größeren Defizite seiner Damenabteilung ausgleicht - indirekt auch noch deren Konkurrenz sponsern?

    Das Ganze könnte frühestens funktionieren, wenn mal wenigstens ein paar Vereine tatsächlich eine Chance hätten, ohne Subventionen wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber dafür befarf es vor allem einer Veränderung: Mehr Zuschauer, die wirklich Frauenfußball sehen wollen (und ihn nicht im Wege planwirtschaftlicher Sendezeitverteilung aufgenötigt bekommen müssen).

  • Man wollte die Professionalisierung des Frauenfußballs. Man wollte mehr Geld im System für u.a. höhere Gehälter für Spieler*innen, mehr mediale Aufmerksamkeit und den Anschluss an den technischen und spieltaktischen Stand im Männersport. Genau das hat man bekommen.

    Am Rande:



    Ein Grundmissverständnis bei der Einordnung des Frauensports (insgesamt, aber sehr exponiert beim Fußball) ist dass politisch interessierte Kreise von einer Geschlechterparität beim Sportkonsum ausgehen. Daher ist man der Meinung dass die Interessen der Frauen lediglich von einem männlich dominierten Verwertungsapparat unterdrückt werden.

    In der Realität ist Sportgucken, vorallem wenn es mit Tribalisimus (Fan-sein) verbunden ist, ein "Männerding". Somit muss der Frauenfußball sich auch in erster Linie an ein männliches Publikum (inkl. dessen Gewohnheiten) wenden, wenn er wachsen will. Das funktioniert offenbar besser in Form von Frauenabteilungen etablierter Marken.

    • @Chris McZott:

      Zum Einen ist es doch in der Realität so, dass man da bei den Fans gleich zweifach "Männerdominanz" sieht: Nicht nur sind die Fans mehrheitlich männlich, auch die weiblichen Sportfans sind nicht notwendigerweise interessiert weiblichem Sport.

      Zumindest in MEINEM persönlichen Bekanntenspektrum beschränkt sich das sogar sehr stark: Eigentlich zeigen dort quasi nur lesbische Frauen und/oder solche, die selbst in dem jeweiligen Sport aktiv sind, auch nur irgendein Interesse für Frauensport. Die Zahl derer, die sich lieber (oder auch betont NUR) Männersport anschaut, überwog immer um ein Mehrfaches.

      Es liegt auch nicht an der "Markenstruktur": Wenn ich den Artikel richtig verstehe, "laufen" die Frauenabteilungen der Vereine mit Herrenabteilung auch nicht besser. Sie werden nur quersubventioniert (was bei reinen Frauensport-Vereinen halt von außen kommen müsste, um finanzielle Waffengleichheit herzustellen).

      • @Normalo:

        Zu Ihren ersten beiden Absätzen: Ja das beobachte ich auch so, wollte es aber nicht so direkt schreiben.

        Aber:

        "Es liegt auch nicht an der "Markenstruktur": Wenn ich den Artikel richtig verstehe, "laufen" die Frauenabteilungen der Vereine mit Herrenabteilung auch nicht besser."

        Das sehe ich anders. Zum sind durch Synergieeffekte Spielqualität (Know-How und Trainingsbedingungen) und Organisation deutlich verbessert. Das ist augenfällig...(klar, es sind immernoch zu große Felder und vorallem zu große Tore für meinen Geschmack...)

        Die Zuschauerzahlen sind auch andere seitdem nicht mehr Turbine Potsdam und der 1. FFC Frankfurt sondern Bayern München und VfL Wolfsburg die Meisterschaft dominieren.

        • @Chris McZott:

          Ok, aber genau das könnte man eben auch als Effekt der beabsichtigten Quersubvention (oder meinetwegen auch "Synergie", aber bei dem Begriff erwarte ich normalerweise mehr Gegenseitigkeit...) sehen: Die Frauen-Bundesliga hat dank der aktiven Beteiligung der großen Vereine verschiedene Ressourcen - einschließlich übrigens auch der wohl mit sanftem Druck auf die lizenznehmenden Medien erweiterten Sendezeiten - vom Männerfußball erhalten. Das war so gewollt, und das ist offenbar auch weiter nötig.

          Ob auch die Namen nötig sind, und in äquivalenter Konstellation - gleiche Quersubvention, gleiche Sendezeiten, aber wieder 1. FFC Frankfurt, Turbine Potsdam, FCR Duisburg etc. in der Liga - die Zuschauerzahlen wieder sinken würden, vermag ich nicht zu entscheiden. Es ist aus meiner Sicht vor allem so, dass die "Mechanik" hinter dem Aufschwung stark vom Einsatz der im Männerfußball tonangebenden Vereine geprägt ist. Ob dann die auch ihre Namen auf den erarbeiteten Erfolg kleben wollten oder umgekehrt der Erfolg erst durch ihre Namen kam, ist ein wenig die Frage nach Henne und Ei...

  • Die Probleme bei Turbine Potsdam sind viel tiefergreifend als das Geld. Die Clubführung ist schon seit einer ganzen Weile auf Schlingerkurs und viele Spielerinnen haben dem Verein aus diesem Grund den Rücken gekehrt.