Frauen-Bundesliga im Fußball: Der Kick zum Geld
Der FFC Frankfurt heißt bald Eintracht Frankfurt. Der Trend zu den Männerprofiklubs setzt sich fort. Vereine wie Turbine Potsdam sind skeptisch.
„Im Trend der Zeit“ liegen beide Vereine, sagte Siegfried Dietrich, der Manager des 1. FFC Frankfurt. Der Frauenfußballverein, siebenfacher Deutscher Meister und vierfacher Champions-League-Sieger, schlüpft ab der Saison 2020/21 unter das Dach von Eintracht Frankfurt, einem Männerprofibetrieb. Seit Donnerstag ist das offiziell. Und der 62-jährige Dietrich, der gerade bei der Weltmeisterschaft in Frankreich die deutschen Spiele im Stadion verfolgt, scheint von einer gewissen Zufriedenheit erfüllt zu sein.
Er kann sein Lebenswerk in wohlhabende Hände übergeben, er hat den Schritt in die Moderne doch noch geschafft. Vor zehn Jahren spielte noch die Minderzahl der Frauenbundesligisten, nämlich fünf, mit der Unterstützung eines Männerprofibetriebs im Rücken. Mittlerweile ist die Zahl auf acht angestiegen. Müssen nun die verbliebenen vier Vereine ohne Männerunterstützung um ihre Zukunft in der Eliteliga fürchten? Angesichts des „Trends der Zeit“? Folgt der Deutsche Fußball-Bund dem Beispiel der Engländer, den neuen Trendsettern im europäischen Frauenfußball, und verpflichtet die männlichen Profivereine bald per Lizenzauflagen zur nachhaltigen Förderung des Frauenfußballs?
Heike Ullrich, DFB-Direktorin für Frauen- und Mädchenfußball, meidet Bekenntnisse in die eine oder andere Richtung. Sie finde beides gut, das verstärkte Interesse der Lizenzvereine mit Profimannschaften bei den Männern, aber auch die Frauenfußball- oder Mehrspartenvereine, sagt sie: „Der DFB muss die Voraussetzungen schaffen, diese Vielfalt zu erhalten.“ Eine zwangsläufige Entwicklungsrichtung kann sie nicht erkennen. Die SGS Essen sei mit aktuell fünf deutschen Nationalspielerinnen bei der WM ein Beispiel dafür, dass nicht allein große Namen und Budgets zählen.
In Essen ist man entsprechend selbstbewusst. „Wir haben keine Angst vor der Zukunft. Wir können schon einiges, was Klubs, die dazustoßen, erst noch lernen müssten“, sagt Dirk Rehage, Aufsichtsratchef der SGS. Er verweist auf die gute Jugendarbeit, doch dem vom DFB bekundeten Frieden um der Vielfalt willen traut er nicht. „Es gibt auch durch die Entwicklung in England schon eine gewisse Dynamik zu mehr Frauenklubs unter dem Dach von Profimännervereinen.“ Der Verein habe natürlich einen Plan B und C in der Schublade. Vorgespräche mit Schalke 04 und Borussia Dortmund habe es bereits gegeben, aber die Vereine hätten gerade andere Sorgen. Rehage warnt, es sei nicht gut für den Sport, wenn „Frauenfußball nur als Anhängsel von Männerprofivereinen“ betrieben wird.
Jetzt drängt auch noch RB Leipzig in den Frauenfußball
Beim badischen Dorfverein und Erstligisten SC Sand gibt es keine Notfallpläne. Vorstandssprecher Klaus Drengwitz erklärt: „Wir haben Spaß am Frauenfußball, und den lassen wir uns nicht nehmen. Das ist mittelfristig bis langfristig der Plan.“ Die eigene Unabhängigkeit wolle man sich bewahren. Er könne sich vorstellen, dass man beim DFB lieber noch mehr Klubs mit Männerprofiabteilung sehen würde, weil das der bequemere und für den Verband günstigere Weg sei. Doch wenn alle Klubs ein wenig mehr Geld vom DFB ausgeschüttet bekämen, könnte die Bundesliga mit anderen Ligen in Europa konkurrenzfähig bleiben. Realistisch erscheint diese zusätzliche Unterstützung eher nicht.
Rolf Kutzmutz, der Präsident des 1. FFC Turbine Potdam, erinnert sich, dass unter der Führung des früheren DFB-Präsidenten Reinhard Grindel im Verband der Satz kursierte, man müsse aufhören, die Frauenliga zu alimentieren. Wenn der DFB Geld sparen wolle, schlägt Kutzmutz vor, könne man doch den Klubs mit Männerprofis die Unterstützung entziehen. Einer Verquickung des Männer- und Frauenfußballs steht Kutzmutz skeptisch gegenüber: „Auch bei der jüngsten Strukturreform beim DFB hat man alle Frauenbereiche eingegliedert. Ich weiß nicht, ob die Frauen sich da immer durchsetzen werden, ob das der richtige Weg ist.“
Bei Turbine habe man ebenso „hin und her überlegt“, aber sich entschieden, „unseren eigenen Weg“ als reiner Frauenfußballverein zu gehen. Es wäre „ein Frevel“, einfach aufzugeben, nachdem man so viele Jahre mit Herzblut gearbeitet habe. Kutzmutz glaubt daran, auch in den nächsten Jahren mit Turbine Potsdam oben mitspielen zu können. Aber er betrachte die Entwicklung hin zu mehr Bundesligisten mit Männerprofiabteilungen mit Sorge.
RB Leipzig unternimmt seit geraumer Zeit intensive Bemühungen und wird in den nächsten zwei, drei Jahren vermutlich auch in der ersten Liga angelangt sein. Vor Kurzem verpflichtete der Verein die frühere Nationalspielerin Anja Mittag, um den Aufstieg in die Zweite Liga zu schaffen. Und der DFB selbst schiebt diese Entwicklungen trotz aller Bekenntnisse zur Vielfalt mit an. DFB-Direktorin Heike Ullrich sagt zu möglichen Auflagen für Männerprofiklubs, den Frauenfußball zu fördern: „Das Beispiel der Women’s Super League in England wird intensiv mit den Vereinsvertretern (der Frauen-Bundesliga; Anm. der Redaktion) diskutiert.“ Eine entscheidende Voraussetzung sei, dass die Vereine „voll und ganz hinter dem Thema Frauenfußball stehen und es in die strategische Ausrichtung integrieren“.
Noch sind die Sätze zu vage formuliert, um daraus konkrete Handlungskonzepte ableiten zu können, Rolf Kutzmutz bemängelt: „Für uns wäre eine klärende Ansage des DFB, in welche Richtung man gehen möchte, hilfreich. Es geht um die Basis unserer Arbeit und es macht keinen Sinn, dieses Thema zu meiden, um dann irgendwann überrascht zu werden. Deshalb werden wir bei der Managertagung Anfang Juli auch entsprechende Fragen stellen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht