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Der erste Social-Media-Star: Tardar Sauce, auch bekannt als Grumpy Cat Foto: Richard Vogel/ap

30 Jahre World Wide WebMegageile Kükenfarm

Vor 30 Jahren wurde das World Wide Web der Öffentlichkeit erstmals zur Verfügung gestellt. Ein Rückblick auf Irres, Krasses und Erstaunliches.

30. April 1993

S chon vor vier Jahren hat Tim Berners-Lee am Europäischen Kernforschungszentrum Cern eine schöne Sache entwickelt: das World Wide Web (WWW). Es macht das Internet für die Masse nutzbar. Bis dahin war es vor allem für E-Mails brauchbar und als komplexer Netzverbund, den vor allem Ex­per­t*in­nen bedienen konnten. Das WWW aber ist Netz aus vielen Seiten, die mit Hyperlinks miteinander verbunden sind und auf die man einfach so zugreifen kann – auch als Normalo. 1993 schenkt Cern den Code der Öffentlichkeit – ohne Lizenzgebühren, ohne Patentierung. Ein verrückter Schritt!

10. November 1993

Um das WWW nutzen zu können, braucht es Browser, am besten welche, die grafisch sind, also so gestaltet, dass sich Nut­ze­r*in­nen auch wirklich zurechtfinden. Einen der ersten liefern Eric Bina und Marc Andreessen mit NCSA Mosaic. Und zack, wissen die Menschen, dass und wo sie klicken können.

Der Erfinder des WWW: Tim Berners-Lee, hier 1998 bei einer Rede im CERN Foto: Pierre Virot/imago

1994

Jeff Bezos gründet Amazon. Tschüs Fußgängerzone, hallo ungezählte Vorwürfe über miese Arbeitsbedingungen für Lie­fe­ran­t*in­nen und La­ger­ar­bei­te­r*in­nen.

12. Mai 1995

Bezos bekommt Konkurrenz: taz.de

15. September 1997

Google geht online – und nie wieder weg. Stand Januar 2022 laufen weltweit circa 80 Prozent aller Desktop-Suchanfragen über die Suchmaschine.

30. September 1997

„Ultima Online“ wird veröffentlicht. Es ist das erste moderne Massively Multiplayer Online Role Playing Game. Bedeutet: Viele viele Spie­le­r*in­nen interagieren in einer erfundenen Welt, als würden sie gerade ein klassisches Rollenspiel spielen. Einer der bekanntesten Ableger: World of Warcraft.

9. September 1999

Es wird gesellig. „Knuddels“ geht online und wird eine der ersten erfolgreichen deutschen Social-Media-Plattformen. Massen chatten, finden Wahlfamilien und Sexualpartner*innen. Aber auch Gefahren: Immer wieder gerät die Plattform wegen Grooming, Mobbing und sogar Mord in die Schlagzeilen. Hier und bei vielen anderen Social Medias wie StudiVZ und Lokalisten lernen wir: Nicht alle sind so nett, wie sie tun.

März 2000

Die Dotcom-Blase platzt.

2001

Die Wikipedia macht sich im Internet breit. „Aber nicht mit Wikipedia arbeiten“, ist seitdem ein häufiger Ratschlag von Lehrer*innen. Unsinn! Wikipedia macht Wissen für viele Menschen billiger (Ciao Brockhaus!), breiter, aktueller und auch demokratischer, denn alle dürfen mitschreiben, vorausgesetzt, sie liefern glaubwürdige Quellen.

2002

Auf einer Fischfarm in Brandenburg wird gedreht. „Die megageile Küken-Farm“ hat einige Plot Holes und ein bekanntes Nebenprodukt: eines der frühesten deutschsprachigen Memes. Ein Handwerker soll einen Stromkasten im Stall reparieren. „Warum liegt hier überhaupt Stroh?“, fragt er die Auftraggeberin, die direkt kontert: „Und warum hast du ne Maske auf?“ „Dann blas mir doch einen“. Die Geschichte des WWW ist teils dadaistisch und auch die Geschichte der Pornografie.

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Januar 2003

Ein Student der Psychologie und Informatik in Harvard stellt ohne Erlaubnis Bilder von Studentinnen online, damit Be­su­che­r*in­nen sie nach ihrem Aussehen bewerten. Nach wenigen Tagen geht die Seite offline. Ein Jahr später veröffentlicht der gleiche Student den Nachfolger der Seite: Mark Zuckerberg hat Facebook erschaffen.

Später im Jahr 2003

Kreative bekommen eine neue Plattform: MySpace. Besonders Musik ist dort zu Hause. Szenen können sich länderübergreifend miteinander entwickeln, Fans mit Idolen in Kontakt treten, Schulbands zeigen, was sie so (nicht) können. Für manche wird die Seite zum Start der Karriere. Bei einem großen Server-Umzug gingen 2019 allerdings alle Fotos, Videos und Audiodateien verloren, die bis 2016 hochgeladen wurden. Das digitale Album der eigenen subkulturellen Jugend in Pop-Punk, Emo- oder Hardcore: verloren.

2004

Der Begriff „Web 2.0“ geht um. Er bezeichnet das WWW, wie wir es seit den späten 1990ern kennenlernen, in dem Menschen nicht nur konsumieren, sondern selbst Beiträge erschaffen und teilen.

März 2005

Megaupload geht an den Start. Hier kann man Daten hoch- und auch runterladen. Prä Netflix ideal, um entgegen dem Urheberrecht Filme und Serien zu schauen. Es folgen Verfahren gegen viele Beteiligte, unter anderem gegen einen der Drahtzieher hinter der Seite, die vielleicht schillerndste WWW-Persönlichkeit Deutschlands: Kim Dotkom. 2012 wird die Seite wegen Ermittlungen des FBIs abgeschaltet. Ihr Nachfolger Mega ist weiterhin aktiv.

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23. April 2005

In „Me at the zoo“, dem ersten YouTube-Video überhaupt, erklärt Youtube-Mitgründer Jawed Karim vor einem Gehege, warum er Elefanten cool findet.

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21. März 2006

Twitter geht online und durch die Decke. Seit der Übernahme durch Elon Musk geht’s aber bergab.

2008

Die Hack­ti­vis­t*in­nen von Anonymous werden so richtig aktiv – auch analog. Weltweit demonstrieren sie, etwa gegen Scientology. Anonymous selbst ist ein schwer zu greifendes Phänomen aus Individuen und Gruppen. Sie setzen sich unter anderem gegen Zensur und repressive Gesetze ein. Zu ihren Strategien gehören besonders DDoS-Atacken, mit denen sie Websites lahmlegen, so etwa die der Polizeistation, deren Polizist George Floyd getötet hat.

Mai 2008

Die ARD Mediathek startet. Bis heute ist sie nicht nett zu ihren Nutzer*innen.

2010

Chelsea Manning, Angehörige der US-Streitkräfte, lädt knapp eine halbe Million Dokumente über den Irakkrieg und Afghanistan aus einer Militärdatenbank herunter und brennt sie auf CDs. Eine davon beschriftet sie mit „Lady Gaga“. Sie gibt die Daten an die Enthüllungsplattform Wikileaks weiter, die sie veröffentlicht. Unter anderem auch das Video „Collateral Murder“, das einen Angriff auf Bagdad zeigt, bei dem Zi­vi­lis­t*in­nen und Jour­na­lis­t*in­nen getötet werden. Die Dokumente zeigen zudem Hunderte Fälle von Folter. 2013 wird Manning zu 35 Jahren Haft verurteilt, nach knapp 7 Jahren ist sie wieder frei – begnadigt von Barack Obama.

Dezember 2010

Der Arabische Frühling beginnt. Blogs und Social Media unterstützen bei der Mobilisierung.

4. April 2012

Tardar Sauce wird geboren. Im September wird sie weltweit berühmt als Grumpy Cat.

2013

WWW gibt es jetzt auch mit Hunden. Das Meme „Doge“ wird populär, bald gibt es auch die Dogecoin, eine Krypto-Währung. Die Syntax des Memes setzt sich später auch ohne Bild durch und prägt Sprache. Much Doge, So Love!

Juni 2013

Das Internet ist für uns alle Neuland

Angela Merkel

Sommer 2014

Menschen schütten sich Eimer voller Eiswasser über den Kopf. Bei der Ice Bucket Challenge wollen sie auf die Nervenkrankheit ALS aufmerksam machen – und Likes abräumen. Aber es hilft: Die ALS-Ambulanz der Charité etwa bekommt innerhalb von zwei Wochen eine halbe Million Euro Spenden.

Aufmerksamkeit! Die Ice-Bucket-Challenge Foto: Zuma/imago

September 2014

Netflix kommt nach Deutschland! Sieben Jahre zuvor war es in den USA gegründet worden – als DVD-Verleih.

2015

Gold und weiß oder blau und schwarz? „The Dress“ möchte verändern, wie wir die Welt sehen, schafft es aber nur zum Diskussionsthema um 4 Uhr morgens bei den letzten Betrunkenen auf der WG-Party.

2017

Vor den Bundestagswahlen macht „Reconquista Germanica“ mobil. Das rechtsextreme Netzwerk will mit gezielten Kampagnen auf Social Media Algorithmen nutzen und Trends generieren, um die AfD zu stärken.

2018

Panik! Pädagog*innen, Eltern und irgendwie eh fast alle Erwachsenen haben Angst vor der Momo Challenge. Im WWW und bei WhatsApp soll die gruselige Person Momo plötzlich auftauchen und dann unter Anwendung psychologischer Gewalt Kinder und Jugendliche zu gefährlichen Aufgaben zwingen. Aber: Alles nur eine Lüge. Die Momo Challenge hat es nicht gegeben – erst die gesellschaftliche und mediale Panik hat Nach­ah­me­r*in­nen inspiriert. Das Gleiche wiederholt sich dann noch mal 2016/17 als „Blue Whale Challenge“.

15. März 2019

In Christchurch (Neuseeland) tötet der Rechtsterrorist Brenton Tarrant 51 Menschen bei einem Anschlag auf zwei Moscheen. Seine Taten streamt er live auf Facebook. Das Video wird millionenfach auf diversen Social-Media-Plattformen hochgeladen. Die Plattformen kommen mit dem Löschen nicht hinterher. Kurz vor dem Terroranschlag hat ein anonymer Account auf 8chan, das für rechtsradikale und -extreme Use­r*in­nen bekannt ist, einen Anschlag angekündigt und die Facebook-Seite des Attentäter sowie sein Manifest verlinkt. Ex­per­t*in­nen gehen mit Blick auf Tarrants Daten davon aus, dass er sich wie viele andere im WWW radikalisiert hat.

9. Februar 2021

Das 394. District Court von Texas lädt das Video einer Online-Anhörung auf Youtube. Anwalt Rod Ponton kämpft darin verzweifelt gegen den Filter eines niedlichen Kätzchens. „I'm not a cat!“ erzählt von digitalen Treffen während Corona, Filtern, mit denen wir schlechte Zeiten verdrängen wollen, und vom Unwohlsein, plötzlich nicht mehr Mensch, sondern computergeneriertes Süßmö zu sein.

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2022/23

KIs betreten massenwirksam Bildflächen im WWW. Sie schreiben Programme, generieren Bilder, Töne, Videos und Texte. Wohin es geht? Bisher nicht absehbar.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

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6 Kommentare

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  • 2016/17 tauchte im www die Frage auf: Hatte die gruselige Person Momo einen DeLorian DMC-12?

  • "Um das WWW nutzen zu können, braucht es Browser"

    Das gab es 1994 sicher noch nicht: das Sprach-verhunzende, unpersönliche "es braucht" mit Akkusativ.

  • Nostalgie!

    Der Text zu 1993 finktioniert einfach nicht, damals waren die Internet-User alles Experten ohne Geschlechtszusatz, ob nun Männlein oder Weiblein.

    Damals waren alle Menschen noch respektvolle Menschen und hatten sich nicht schon mit mit *innen -Geschleime in "Pseuso-Nett" und "Solide-Gebildet" angefeindet. Das fällt richtig auf.

    Das waren noch schöne, einfache und friedliche Zeiten ohne Hass, den keigentlich keiner braucht.

  • Schon vergessen: Die "Arabellion" (Arabischer Frühling) von 2010 bis 2011 war teils spontan via facebook und twitter organisiert! Ein echter Hoffnungsschimmer ging durch die arabische Welt, endlich gesellschaftlichen Fortschritt, z.B. Demokratie erreichen zu können, ein Alarmzeichen für Diktaturen wurde gesetzt, durch dass sie sich technische Mittel beschafften, um demokratische Internetkanäle in ihren Machtbereichen zu unterdrücken! Geschäftemacher erfanden als Gegenbewegung das "Darknet" für allerlei kriminelle Geschäfte.

    Politisch war der arabische Frühling am Ende ein Flop: Am Ende usurpierten eben andere Diktatoren die Macht, z.B. Sisi statt Mubarak - zwischenzeitlich demokratisch gewählte Herrscher Ägyptens wie Mursi hatten keine Chance. Die einzige, womöglich auch nur vorrübergehende Ausnahme Tunesien bestätigte die Regel! 10 Jahre durfte das eh am nächsten der EU stehende Mahgreb-Land mal Demokratie probieren, nun zerfällt die Freude daran in Korruption und daraus folgenden Missständen.

    In Syrien verkehrte sich youtubedokumentiert ehrlicher Aufstand der BürgerInnen nach einem Dreivierteljahr Bürgerkrieg durch Usurpation des Volks-Aufstandes durch Islamisten ganz anderer Herren Länder zur Flüchtlingsgenerierungsmaschinerie.

    Der Arabische Frühling war wiederum Inspiration zu diversen friedlichen Protestbewegungen weltweit, z.B. der Occupy-Bewegung, deren Kommunikation auch über Internetforen und facebook lief. Eine IMHO musterhafte Bewegung, die nach 4 Jahren ihr natürliches Ende fand. Was bleibt? Wegen Occupy sind die Menschen heute so sauer auf die "Letzte Generation". Der Occupy-Protest nämlich erreichte nur im fernen Portland ähnliche Blockadewirkung bei Hafenblockaden, und auch dort wurde nur die Wirtschaft, nicht die normalen Bürger in ihrem Alltag blockiert wie wenn Aktivisten auf der Straße festkleben. Wehmütig erinnert das Unterbewusstsein die von Blockaden betroffenen Menschen an die klare Gewaltfreiheitsausrichtung der Protestbewegungen von 2011!

    • @Uwe Kulick:

      Den sogenannten "Arabischen Frühling" von 2010/11, insbesondere den Sturz von Präsident Mubarak in Ägypten kann man sehr zwiespältig sehen. Er hatte 2007 die Weibliche Genitalverstümmelung (oder besser Klitoris-Amputation) verboten, die damals weit mehr als 90% der ägyptischen Mädchen über sich ergehen lassen mussten.

      Die islämfäschlstischen Muslimbrüder sind bei den folgenden, demokratischen Wahlen mit dem zentralen Versprechen angetreten, das Herausschneiden oder Ausschaben des sichtbaren Teils der Klitoris wieder zu erlauben (GOOGLE IT!). Sie wurden dafür von der Mehrheit der Ägypter gewählt!

      Nur ein Putsch des Militärs hat Schlimmeres verhindert.

      • @VanessaH:

        "Nur ein Putsch des Militärs hat Schlimmeres verhindert."



        Was meinen sie, vielleicht wär so ein Militärputsch ja hier bei uns auch mal eine feine Sache um irgendwas Schlimmeres zu verhindern? Irgendein General sollte sich doch finden lassen, der Bock hat seinem Land auf diese Weise zu dienen und anschließend kann man dem Ganzen dann mit einer 'Wahl' den Anschein von Legitimität geben. Wenn da genügend Soldaten neben den Urnen stehen wird das Ergebnis schon passen.