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Krieg in SudanDie Menschen brauchen Schutz

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Anders als für Menschen aus der Ukraine gibt es für Sudanesen keine Fluchtrouten. Dabei werden auch sie mit russischen Waffen getötet.

Sudan, am 21. April: Menschen flüchten vor den Kämpfen in der Hauptstadt Kkartum Foto: Ebrahim Hamid/afp/getty images

K ann der mörderische Krieg in Sudan schnell wieder enden? Die Aussichten darauf stehen schlecht, nach einer Woche schwerer Kämpfe mitten in der Hauptstadt Khartum. Eine Waffenruhe nach der anderen wird nicht eingehalten, die Raketen und Bomben fliegen weiter und treffen vor allem die Zivilbevölkerung.

Die internationale Reaktion darauf ist, soweit ersichtlich, von atemberaubender Naivität. Dass die Bundesregierung eine Evakuierungsaktion für bedrohte Landsleute startet und die Flugzeuge schon auf dem halben Weg nach Sudan sind, bevor in Berlin mal jemand merkt, dass man in Khartum gar nicht landen kann, ist schon einigermaßen erstaunlich.

Noch verheerender allerdings ist der offenkundige Mangel an politischen Konzepten. Die Kämpfe im Sudan brachen ziemlich genau zu dem Zeitpunkt aus, als Verteidigungsminister Boris Pistorius und Entwicklungsministerin Svenja Schulze zurück in Berlin landeten, nachdem sie gerade in Niger und Mali eine neue deutsche Sahelpolitik präsentiert hatten, die Sicherheit und Entwicklung zusammendenken soll.

Wenige Tage davor hatte der Nachbar Tschad den deutschen Botschafter hinausgeworfen, weil er den fristgemäßen Übergang zur zivilen Demokratie angemahnt hatte. Was heißt das denn nun im Falle von Tschads Nachbar Sudan, wo es weder Sicherheit noch Entwicklung gibt und auch keinen fristgemäßen Übergang zur zivilen Demokratie?

Bedrohte Sudanesen müssen aus eigener Kraft fliehen

Fairerweise ist anzumerken, dass es andernorts darauf auch keine Antwort gibt. Internationale Vertreter reden fast immer mit Sudans Generälen anstatt mit der Demokratiebewegung, die seit vier Jahren todesmutig für ein Ende der Militärherrschaft eintritt. Kein Wunder, dass sich die Generäle für die einzigen relevanten Akteure halten. Und dass von Demokratie keine Rede mehr ist.

Nun konzentriert sich alle Welt darauf, bedrohte Staatsbürger aus Khartum auszufliegen. Bedrohte Sudanesen müssen dableiben. Die fliegt niemand aus. Sie müssen aus eigener Kraft fliehen, und dann landen sie in Schlauchbooten im Mittelmeer und im Ärmelkanal.

Legale Fluchtrouten nach Europa gibt es für bedrohte Sudanesen, anders als für bedrohte Ukrainer, nicht. Dabei werden sie beide mit denselben russischen Waffen umgebracht. Die Anerkennungsquote für asylsuchende Sudanesen liegt laut UNHCR in Deutschland und Frankreich bei mageren 40 Prozent – in Großbritannien, das wichtigste Aufnahmeland in Europa, sind es 95 Prozent, es geht also auch anders.

Türe auf für bedrohte Menschen aus Sudan und endlich ein gesicherter Status für die vielen, die schon da sind – das wäre jetzt der richtige Schritt. Wenn man schon nichts für Frieden in Sudan tun kann – für Menschen kann man immer etwas tun.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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13 Kommentare

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  • Der alte Propaganda-Spruch über Russland kommt in meinen Kopf: "Empire of Evil!"



    Die USA sind sicherlich nicht die Guten und schon garnicht Heilige!



    Aber Russland u China sind im Hintergrund immer am manipulieren und immer mit den



    Übelsten + grauenhaftesten Intentionen!!



    Nur wenn wir als Europa eine echte Einheit werden, könnten wir eine Alternative anbieten. Ähnlich wie Byzanz eine echt Alternative für fast 1000 Jahre zum blutigen



    West-Römischen-Reich war! Nicht perfekt, mit Fehlern behaftet, aber eine echte Alternative.

    • @Arjun G. G.:

      Die Geschichte Byzanz war eine von Bürgerkriege, Morden und Intrigen und gegen Überfälle aus Ost, Nord, Süd und West hat das Reich auch nicht besonders gut geschützt.

  • " Die internationale Reaktion darauf ist, soweit ersichtlich, von atemberaubender Naivität. Dass die Bundesregierung eine Evakuierungsaktion für bedrohte Landsleute startet und die Flugzeuge schon auf dem halben Weg nach Sudan sind, bevor in Berlin mal jemand merkt, dass man in Khartum gar nicht landen kann, ist schon einigermaßen erstaunlich."

    Das kann man auch andersrum sehen:



    Man hatte wohl angesichts des Zuckerfestes gehofft, dass diese Feuerpause vielleicht doch mal einige Stunden halten könnte. Aufgrund der Flugzeiten war es dann nicht möglich, die Aktion kurzfistig zu starten oder abzublasen, ohne wertvolle Stunden verstreichen zu lassen.

    Ja, Prinzip Hoffnung, aber nach der Kabulaktion finde ich eine Aversion gegen zu langes Zögern und zu große Vorsicht nur verständlich.



    Zumal die Verluste sich in diesem Falle auf Kerosin, Flugzezeugabnutzung und PR beschränken. Letzteres hätte man aber auch verloren, wenn die Feuerpause ungenutzt verstrichen wäre.

  • Hat nicht die EU ausgerechnet den Hametti, jetzt Anführer einer der Kriegsparteien seinerzeit [1] gepäppelt, damit der uns die lästigen Flüchtlinge vom Leibe hält?

    Diese an Repression und "Sicherheit" orientierte Flüchtlingspolitik trägt alle Merkmale eines Suchtverhaltens: es wird immer mehr davon brauchen.

    Abgesehen davon ist sie rassistisch und menschenverachtend.

    Guckt auf die schrille Braverman um zu sehen, was uns als nächstes blüht.

    Ich möcht' kotzen.

    [1] taz.de/EU-Fluechtl...im-Sudan/!5355404/

    • @tomás zerolo:

      "Hat nicht die EU ausgerechnet den Hametti, jetzt Anführer einer der Kriegsparteien seinerzeit gepäppelt"

      Aus dem verlinkten Artikel geht nirgends vor dass die EU den Hametti gefördert hat.

      Da ist zwar viel von Förderergeldern die Rede, aber keine Aufschlüsselung wohin es floss.

      Es wird erwähnt dass Sudan nach Grenzschutz-Ausrüstung gefragt hat, aber auch:



      "Sudans Wunschliste für Ausrüstung wurde hingegen endgültig abgelehnt."

      Ich ersuche Sie bessere Nachweise zu liefern, sonst muss ich die angebliche Unterstützung für Hametti für eine Falschnachricht halten.

  • Die Konzentration auf den Ukrainekrieg hat den Focus sehr in die Nähe verstellt.



    Als sehr praktisch in der Berichterstattung hat sich auch die schwarz/weiß Zuordnung der Akteure gezeigt.



    Grautöne ließ man unter den Tisch fallen.



    In diesem Konflikt erscheint die Verantwortung viel diffuser. Ein " guter" Akteur ist schwer zu erkennen.



    Immer leidtragend bleibt die Zivilbevölkerung.



    Erfahungsgemäß sind die meisten Flüchtlinge in Kriegen Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge in die Nachbarländer.



    Somit ist ein weiteres Wirtschaftliches , schulpolitisches und sozialpolitisches Engagement in der Region, wie von der Bundesregierung angeschoben, richtig. Den Konflikt löst es leider nicht .

  • "Internationale Vertreter reden fast immer mit Sudans Generälen anstatt mit der Demokratiebewegung".



    In Belarus wurde der umgekehrte Weg gegangen. Gebracht hat dies gar nichts.

  • Eine 95%ige Asylanerkennungsquote in Großbritannien hat wohl nichts mit einer großen humanitären Tat zu tun, sondern eher mit dem schlechten Gewissen einer ehemaligen Kolonialmacht. Daher sollte zuerst über die Aufnahme in GB und in den afrikanischen Nachbarländern gesprochen werden, bevor dies für die EU relevant werden sollte.

  • Der Sudan ist (u.a.) Mitglied in der arabischen Liga, der afrikanischen Union, der Organisation für Afrikanische Einheit und der Gemeinschaft der Sahel-Saharanischen Staaten. Der Sudan grenzt im Norden an Ägypten, im Osten an Eritrea, im Südosten an Äthiopien, im Süden an den Südsudan, im Südwesten an die Zentralafrikanische Republik, im Westen an den Tschad und im Nordwesten an Libyen. Diese Organisationen und (Nachbar)Staaten sind jetzt in erster Linie gefragt, die Lage im Sudan zu stabilisieren, eine politische Perspektive zu entwickeln und Hilfe sowie Fluchtkorridore für die bedrohten Menschen im Sudan bereitzustellen.

    • @Stefan Schaaf:

      Zuerst sollten die aufgedeckt werden, die die Unruhen bewaffnen...

      • @Fakta Füchsin:

        Recht einfach:



        Das meiste Material kommt aus Russland und China.



        Ausbildung der RSF kam von Wagner (für "Rechte" an den Goldminen)

  • "in Großbritannien, das wichtigste Aufnahmeland in Europa, sind es 95 Prozent" - von absolut WIEVIELEN ? Fernhintermkanal, so mutmaßt es sich doch, sind das womöglich einfach nicht so viele ...

  • "atemberaubende Naivität" - Standard bei Notlagen in WEITWEITWEG: siehe Afghansitan bis zum bitteren Ende und die noch jetzt rotzfrech fortgesetzte Untätigkeit gegenüber den Ortskräften. Und in GANZNAHDRAN: siehe Ahrtal. Demokratien schwemmen halt keine Profis an die Spitze, und Bürokratien offenbar auch nicht.