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Streit um Klimapolitik in der AmpelStillstand beim Verkehr

Schnellerer Autobahn-Bau im Gegenzug für mehr Klimaschutz im Verkehr: So könnte ein Deal zwischen Grünen und FDP aussehen.

Die A643 bei Mainz führt durch ein Naturschutzgebiet – und ist eines der Ausbauprojekte Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Berlin taz | Der Streit um die Planungsbeschleunigung – also die Frage, ob in Zukunft nur Schienen und Brücken schneller geplant und gebaut werden sollen oder zusätzlich auch neue Autobahnen – schwelt schon seit Langen unter den Ampelpartnern. Vor allem zwischen den Grünen und der FDP.

Im Vorfeld des Koalitionsausschusses hieß es daher, dass es beim Verkehr möglicherweise eine Art Doppelpaket geben könnte, um so zwischen den verfahrenen Positionen in der Ampel überhaupt einen Kompromiss herbeizuführen.

Die Grünen könnten demnach beim Bau neuer Straßen Verkehrsminister Volker Wissing entgegenkommen und bei einigen ausgewählten Vorhaben am Ende doch zustimmen. Im Gegenzug könnte der Liberale Wissing dann beim Klimaschutz im Verkehrssektor mit konkreten Maßnahmen nachlegen.

Zu einem sogenannten Klimaschutzsofortprogramm ist der Minister ohnehin gesetzlich verpflichtet. Nachdem der Verkehrssektor dem neuen Bericht des Bundesumweltamtes (UBA) zufolge seine Klimaziele zum wiederholten Male deutlich riss.

Dem Vernehmen nach ist eine Einigung im Koalitionsausschuss bislang aber nun weniger wegen des Streits um die Planungsbeschleunigung ausgeblieben. Obschon für die Grünen die sogenannten gern als „Lückenschluss“ bezeichneten Bauprojekte, etwa bei der umstrittenen Küstenautobahn wie der A20 in Schleswig-Holstein, auch einige Hunderte von Kilometern neuen Asphalt bedeuten könnten.Vielmehr steht eine Einigung im Verkehrsbereich aber noch aus, weil Bundesverkehrsminister Wissing sich wohl weiterhin querstellt bei der Vorlage von konkreten Maßnahmen, die den CO2-Ausstoß im Verkehr in naher Zukunft tatsächlich nachweislich deutlich senken könnten.

Verkehrsminister Volker Wissing ist gesetzlich ohnehin zu mehr Klimaschutz verpflichtet

Die Position der FDP bestand in dieser Frage bislang vor allem darin, dass sie ein Aufweichen der Sektorziele einfordert. Sprich: dass Bereiche wie Verkehr, Gebäudesektor oder Industrie nicht mehr einzeln auf die Einhaltung der Klimaziele hin überprüft würden, sondern dass Einsparungen miteinander verrechnet werden könnten. Dabei scheint bislang keiner der Sektoren das Defizit im Verkehrssektor überhaupt annähernd ausgleichen zu können.

Wie schwer die Debatte in dieser Frage weiterhin werden könnte, zeigt nicht zuletzt der gerade parallel ausgefochtene Streit zwischen Berlin und Brüssel bei der Frage um das Verbrenner-Aus ab 2035.

Wissing und seine FDP drängten maßgeblich darauf, dass der eigentlich längst geplante Beschluss so wohl nicht mehr unverändert in Kraft treten wird. Stattdessen will Wissing in Zukunft Verbrenner weiter erlauben, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, fahren.

Diese gelten mit Abstand als deutlich ineffizienter in ihrer Klimabilanz als E-Autos, was den Wirkungsgrad angeht. Parteikollege und Finanzminister Christian Linder fordert nun aber sogar, E-Fuels künftig auch steuerlich zu vergünstigen. Wegen der geringen Mengen, die bislang ohnehin nur zur Verfügung stehen, sind E-Fuels derzeit allerdings sehr teuer in der Herstellung.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich beim Streit in Brüssel zuletzt hinter Wissing und die FDP gestellt und ihnen den Rücken gestärkt. Das könnte den Grünen mit der SPD auch beim Koalitionsausschuss blühen.

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33 Kommentare

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  • Wirklich wichtig ist den Autoverkehr radikal zu reduzieren.Man stelle sich vor, 1 oder 2 % weniger Autoverkehr pro Jahr. Das wäre wirklich hilfreich und würde für den einzelnen sogar bessere Mobilität bringen.

    • @Ralph Gutschmidt:

      Ich habe meine gefahreren Kilometer in 15 Jahren um 50% reduziert, den Benzinverbrauch sogar um 75%. Als Dank zockt mich meine grüne OB jetzt über die Anwohnerparkgebühren ab.

  • Die Grünen sollten die Koalition im Zweifelsfall platzen lassen. Es gibt für sie nichts mehr zu gewinnen, so wie es sich aktuell entwickelt.

  • „Mitte der 80er Jahre waren in Brasilien bis zu 95 Prozent reine Alkohol-Autos unterwegs“



    Quelle: www.auto.de/magazi...anol-statt-diesel/



    Es geht momentan gar nicht darum, ob e-fuels wirtschaftlich erzeugbar sind, sondern ob man wirklich nur noch auf Batterie und Wasserstoff setzen will und alle anderen Antriebsarten pauschal verbieten.



    Brasilien war mit Alkohol aus Zuckerrohr für ihre PKWs sehr erfolgreich, die CO2-Bilanz war nicht perfekt aber um Welten besser als Öl und Gas. Bis wir kamen und ihnen den Alkohol weg gekauft haben, damit wir unseren Sprit "sauberer" machen können.



    Mir ist egal, womit ein Auto fährt, sofern es nicht dreckiger fährt als andere Autos.



    Ob sich e-fuel als sinnvoll erweist, als bezahlbar, als in der Herstellung vom Wirkungsgrad real machbar, als ökologisch genug, regelt der Gesetzgeber und der Markt von ganz alleine.



    Keiner haut sich Sprit für 10€/l rein, wenn es anders viel günstiger geht. Und wenn einer von 10.000 es doch so will, dann lasst ihn hat machen. Er bezahlt ja genug dafür.

    • @Rudi Hamm:

      Und wieviel Autos gab es insgesamt im Brasilien der 80er Jahre? Wahrscheinlich sehr wenig.

      Wieviele gibt es heute? Wahrscheinlich deutlich mehr.

      Also - Skalierbarkeit ist das Problem!

  • Hört auf Klimaschutz als Abschaffung des Autos zu definieren. Es reicht. Ohne Auto gibt es keine Lebensqualität, weder auf dem Land noch in der Stadt.

    • @Gorres:

      Also diese Meinung entbehrt doch jeder Grundlage.

      Natürlich gibt es auch ohne ein Auto Lebensqualität, Millionen zufriedene Menschen in diesem Lande machen das tagtäglich vor!

    • @Gorres:

      Die Moderation: Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an unsere Nettiquette.



      Die Autos, die zugehörige Infrastruktur sowie die durch Autos mißbräuchlich genutzte Infrastruktur ist das, was Lebensqualität zerstört.

      • @0 Substanz:

        Ohne Auto gib es keine Lebensqualität.

        Was ist sinnvoll an dieser Behauptung?

    • @Gorres:

      Lieber Gorres, gibt es denn jemand, der Abschaffung des Autos fordert?

      • @Ralph Gutschmidt:

        Ja, Juhan Vaho, siehe sein Post von 17:40

    • @Gorres:

      Doch, der Individualverkehr muss drastisch zurückgehen für den Klimaschutz und gerade in Städten geht damit eher ein Gewinn an Lebensqualität einher. Diese Gesellschaft ist einfach zu sehr ans Auto gewöhnt - car brains - und kann sich ein Leben weitestgehend ohne gar nicht mehr vorstellen. Mit den richtigen Maßnahmen bzgl. öffentlichen Nahverkehr geht das jedoch auch sehr schnell in die andere Richtung.

      • @fourorty:

        "Doch, der Individualverkehr muss drastisch zurückgehen für den Klimaschutz "

        Und jetzt wissen Sie auch, warum Klimaschutz ein Gift an der Urne ist.

      • @fourorty:

        Stimmt nicht. Ich habe viele Jahre meines Lebens ohne Auto gelebt und nun seit 10 Jahren wieder mit. Die Lebensqualität IST de fakto mit Auto deutlich höher als ohne, auch in den Städten, selbst wenn es nur am Wochenende genutzt wird.

      • @fourorty:

        Das Problem ist immer alles aus städtischer Sicht zu sehen.

        • @Der Cleo Patra:

          Ich bin Städter und kann Ihnen sagen, auch in der Stadt ist das Auto ein Plus an Lebensqualität.

  • Das wäre schon ziemlich abenteuerlich, wenn die Grünen Vorhaben der FDP zustimmt, damit Wissing im Gegenzug dann beim Verkehr die Gesetze zum Klimaschutz einhält.

  • @FRANZ FRAGE

    eFuel ist in erster Linie ein Marketingwort [1]. Es bezeichnet aber vor allem synthetische Treibstoffe, die mehr oder weniger unverändert in die Porsches dieser Typen reingekippt werden kann.

    Derzeit führt der Weg da hin über elektrolytisch gewonnem Wasserstoff und CO2 (mal -- ehrgeiziger und energieaufwendiger, direkt aus der Luft, mal aus Industrieprozessen).

    Nächster Schritt Syngas (also CO, H2), dann meist Methanol, und bergauf.

    An sich keine schlechte Idee, aber erst dann sinnvoll, wenn wir einen deutlichen Überschuss an erneuerbaren Primärenergien haben. Und das ist nicht heute. Auch morgen nicht. Übermorgen vielleicht.

    Wie sinnvoll das ist sehen sie an diesem [2] Pilotprojekt. Ja, Porsche ist dabei.

    [1] en.wikipedia.org/wiki/Electrofuel

    [2] www.kontextwochenz...chwindel-8638.html

  • Mehr Klimaschutz im Verkehr kann realistisch gesehen nur eines bedeuten: keinen Ausbau bestehender Autobahnen und keinen Neubau von Autobahnen. Alles andere ist Unfug!

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Stimmt - Klimaschutz und Ausbau von Autobahnen stehen absolut im Widerspruch zueinander. Wissing setzt die Tradition ignoranter Verkehrsminister tatsächlich fort. Ist Verbohrtheit/Ignoranz eigentlich ein unabdingbares Einstellungskriterium für diesen Posten?

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Kann jemand E-Fuel genauer definieren? Gehört da auch Wasserstoff dazu z.B. für die Autos von Toyota?

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Nein, Wasserstoff bzw. Brennstoffzellenautos gehören nicht dazu. E-fuels ist im Endeffekt synthetisches Benzin, das mit Hilfe von Strom aus Wasser und CO2 hergestellt wird (frag mich nicht wie genau), und dann in einen normalen Verbrennungsmotor gekippt wird. Daher auch der richtig miese Wirkungsgrad.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Ich frage mich gerade: Habe ich da richtig gelesen: Die Grünen wollen in der Debatte über den Neubau von Autobahnen nachgeben, damit der Herr Wissing Massnahmen in Sachen Klimaschutz im Verkehrssektor einleitet, zu denen er sowieso gesetzlich verpflichtet ist??

      Kann das war sein? Ein deutscher Minister macht seine Arbeit, zu der er gesetzlich verpflichtet ist, nur dann, wenn er ein "Zuckerchen als Belohnung" bekommt?

      Deutschland ist also auf Suppenkasparniveau angekommen? Ist das wirklich wahr?

      • @Heinz Kuntze:

        Minister müssen sich nicht an Gesetze halten wie Normalbürger. Minister sind Politiker, und die machen Gesetze. Wissing weiß, dass zu viel Klimaschutz zur Abwahl führt - nicht der Grünen, aber ihrer Koalitionspartner.

        Wissing will wiedergewählt werden, und zwar nicht von Ihnen, sondern von mir. Und ich werde nicht mehr FDP wählen, wenn das Autofahren zu stark eingeschränkt wird.

      • @Heinz Kuntze:

        Ja!

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Gute Frage

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Ich versuche mal eine Einordnung, um auf Ihre Frage zu E-Fuel zu beantworten.

      1. Elektroauto: Ein solches Auto wird von einem Elektromotor angetrieben, welches als Energiespeicher eine Batterie verwendet.

      2."Wasserstoffauto" Das ist auch ein Elektroauto, nur hat es als Energiespeicher das Gas Wasserstoff, wobei mittels einer Brennstoffzelle aus dem Wasserstoff der Strom für den Motor gewonnen wird. Der Wasserstoff kann mittels Strom aus Windkraft oder Photovoltaik über Elektrolyse hergestellt werden, dann ist ein solches Auto im Betrieb klimaneutral.

      3. E-Fuel: Aus dem Wasserstoff wird über mehrere ( physikalisch bedingt sehr ineffiziente) Prozessschritte sozusagen eine künstliche Kopie von Benzin bzw Diesel hergestellt. Solche E-Fuels können dann in konventionellen Autos mit Verbrennermotor genutzt werden, allerdings wie bereits beschrieben wegen des langen Herstellungsprozesses mit einer extrem niedrigen Effizienz.

      • @Heinz Kuntze:

        Wegen der niedrigen Effizienz von e-Fuels sehe ich diese auch eher im Flugverkehr, wo Alternativen zum Jet schwierig sind, und zum Betrieb von Oldtimern, wo der Preis des gefahrenen Kilometers eine untergeordnete Rolle spielt.

      • @Heinz Kuntze:

        Nicht zu vergessen sind die Stickoxid-Emissionen und der Feinstaub, welche bei Verbrennungsreaktionen anfallen. Mit einer guten Schummelsoftware merkt es aber niemand, zumindest nicht in Deutschland.

      • @Heinz Kuntze:

        Anmerkung zu 1. Elektroauto:



        Wird mit Strom geladen, der aus einem Strommix mit ca. 50% fossiler Brennstoffe kommt. Diese Kraftwerke haben einen Wirkungsgrad in der Erzeugung des Strom (ohne Wärmenutzung) von ca.40-45%, verpuffen also auch über die Hälfte der Energie.



        Ein E-Auto ist nur dann im Antrieb optimal, wenn es nur mit "sauberem" Strom geladen wird.



        Wird es aber nur mit "sauberem" Strom geladen, ist der Strommix für den Rest der Bürger noch dreckiger.



        Rechnet man die Wärme als Fernwärme hinzu, so muss man dies fairerweise auch bei 3. E-Fuel-Erzeugung machen

        Ergo: So lange nicht genug sauberer Strom zur Verfügung steht ist ein E-Auto nur bedingt ein "sauberer" Antrieb.



        Trotzdem bin ich mir sicher dass die Zukunft dem E-Auto gehören wird.

        • @Rudi Hamm:

          Richtig. Stromverwendung ist eine notwendige, keine hinreichende Voraussetzung für sauberen Betrieb.

        • @Rudi Hamm:

          "Rechnet man die Wärme als Fernwärme hinzu, so muss man dies fairerweise auch bei 3. E-Fuel-Erzeugung machen".

          E-Fuels sollen in Chile oder anderen abgelegenen Orten hergestellt werden. Was nützt denn da die Fernwärme?

          Die Verbrennungswärme im Auto lässt sich jedenfalls nicht nutzen und hier liegt eine große Energieentwertung!

          • @Manzdi:

            "Was nützt denn da die Fernwärme?"



            Die Frage müsste heißen: Was nützt UNS denn da die Fernwärme?



            Denn Chile kann sie auch verwenden, die haben auch viele Monate mit kalten Nächten.