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Rassismus in „Tauben im Gras“Aus Fehlern darf gelernt werden

Ein Wolfgang-Koeppen-Roman soll Abiturlektüre werden, trotz rassistischer Passagen. Doch ihre Reproduktion taugt nicht für antirassistische Bildung.

Die Vermittlung von Vergangenheit ist wichtig, sollte aber zeitgemäß sein: Münchener City 1946 Foto: Alexander Wittmann/ SZPhoto

Ab­itu­ri­en­t:in­nen an beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg sollen für das Abitur 2024 Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“ als Pflichtlektüre lesen. Aufgrund des Rassismus in diesem Roman hat die Ulmer Deutschlehrerin Jasmin Blunt gegen diese Vorgabe eine Petition auf den Weg gebracht.

Das Kultusministerium in Stuttgart hat bisher abwehrend reagiert. Offenbar gibt es keinen Grund zur Sorge, weil Leh­re­r:in­nen in Fortbildungen ausreichend geschult worden seien und den Roman im Unterricht zum Anlass nehmen könnten, um über Rassismus zu sprechen.

Die Frage, ob der Roman für die Schullektüre überhaupt geeignet ist, wird nicht ernsthaft gestellt. Um sie zu beantworten, müssten allerdings ganz andere Fragen gestellt werden, nämlich erstens, was gemeint ist, wenn von Rassismus in Koeppens Roman gesprochen wird, und zweitens, mit welchem Ziel in der Schule eigentlich Literatur gelesen werden soll und welche Konsequenzen das für die Textauswahl hat.

Zur ersten Frage: In rassistischer Sprache drücken sich Einstellungen und Weltvorstellungen aus, die Menschen ihre Ebenbürtigkeit und Menschlichkeit absprechen. Entsprechend taucht Rassismus in Koeppens Roman auf, wenn Gefühle und Phantasmen von weißen zu Schwarzen Figuren beschrieben werden.

Reproduktion von Rassismen

Sie werden nicht einfach erzählt, sondern mittels einer Montagetechnik zusammengestellt, mit dem Effekt, dass ein sehr verdichtetes Porträt der Figuren wie auch ihrer Vorstellungswelt entsteht.

Die rassistischen Einstellungen der Figuren sollen durch diese Zuspitzung im Roman sicherlich kritisch vorgeführt werden. Wenn der Roman für seine Rassismuskritik jedoch im Modus der Verdichtung arbeitet, dann reproduziert er Rassismen (und Sexismen) in konzentrierter Form. Das macht ihn sehr gewalttätig.

Es sind zum Teil verstörende Passagen, wenn es zum Beispiel um die Figur Carla geht, die lustvoll von ihrer Vergewaltigung träumt: „In der sechsten Woche hielt Carla es nicht mehr aus. Sie träumte von N*****. […] Schwarze Arme griffen nach ihr: wie Schlangen kamen sie aus den Kellern“. – Es sind Passagen, die man eigentlich nicht mehr zitieren möchte oder zitieren sollte, aber offenbar angesichts des Insistierens vonseiten der Verantwortlichen in ihrer Drastik noch einmal zitieren muss.

Auch die Erzählinstanz selbst findet keine antirassistische Sprache, wenn sie Schwarze Figuren beschreibt – obwohl sie zu den „positiv“ gestalteten gehören sollen. Mit Blick auf den Versuch einer Rassismuskritik scheint dieser Rassismus ungewollt zu sein. Dennoch werden zentrale Schwarze Figuren vor allem über Körperlichkeit, Sexualität und Animalität bestimmt.

Wenn der Roman dazu das ganze Arsenal exotistischer und primitivistischer Stereotype der Moderne benutzt, von „Lendenstärke“ oder „Tierhaftigkeit“ spricht, dann zeigt sich vor allem, wie tief rassistische Vorstellungen in den 1950er Jahren verwurzelt sind – und wie schwierig es ist, eine nichtrassistische, gewaltfreie Sprache zu finden, um über Rassismus zu sprechen.

Wirkung muss kritische reflektiert werden

Ein literaturwissenschaftliches Lesen ist immer ein zweifaches: ein analytisch-distanzierendes und ein ästhetisches, das den Wirkungen eines Textes folgt – auch wenn sie dann kritisch reflektiert werden. Ästhetische Wirkungen sind trotzdem da und lassen sich nicht einfach ausklammern. Sie in einer gewaltfreien Sprache zu formulieren, ohne sie zu reproduzieren, ist eine große Herausforderung, auch in der Hochschullehre.

Wenn Menschen in unserer Gesellschaft nun sagen, dass sie sich durch die Sprache des Romans verletzt fühlen, haben sie möglicherweise Diskriminierungserfahrungen, die beim Lesen des Romans aktualisiert werden. Das nicht ernst zu nehmen, bedeutet, ihre Erfahrungen nicht ernst zu nehmen und andere Lebenserfahrungen und Lernbiografien bei der Auswahl der Pflichtlektüre zu privilegieren: solche, in denen Diskriminierung keine Rolle spielt.

Das widerspricht dem Grundsatz der Chancengleichheit und nimmt in Kauf, dass sich Schü­le­r:in­nen mit Dis­krimi­nie­rungs­er­fahrung erst durch ihre verletzenden, vielleicht traumatischen Erfahrungen hindurcharbeiten oder sie verdrängen müssen, bevor sie sich analytisch mit dem Text auseinandersetzen können.

Abgesehen davon ist es vielleicht auch für Schü­le­r:in­nen ohne Diskriminierungs­er­fah­rung nicht erstrebenswert, auf diese Weise mit Rassismus konfrontiert zu werden.

Zur zweiten Frage: Was soll Schü­le­r:in­nen im Literaturunterricht eigentlich vermittelt werden, wenn historische Texte gelesen werden?

Ein Literaturkanon muss inklusiv sein

Literatur hat ja keinen Wert an sich. Und unser Blick auf Literatur ist auch nicht unveränderlich. Im Gegenteil, mit der Veränderung unserer Gesellschaft verändert sich auch unser Blick auf das kulturelle Erbe und Gedächtnis.

Wie die gegenwärtige Restitutionsdebatte ist auch die Literatur von diesem Prozess nicht ausgenommen. Wenn Literatur ein positiver Bezugspunkt sein soll – und zwar für alle –, weil sie Wissen und Erfahrungen aus anderen Zeiten vermitteln kann, dann müssen wir mit Blick auf die gegenwärtigen Veränderungen und nicht zuletzt mit Blick auf die Diversität und Pluralität unserer Gesellschaft entsprechend auswählen.

Wir müssen überlegen, was wir dafür tun können und müssen, damit unser Literaturkanon auch in historischer Perspektive inklusiv und nicht exklusiv ist. Angesichts der Weltlage ist die Entscheidung, die Trümmer- und Nachkriegsliteratur in der Pflichtlektüre präsent zu halten, sicherlich richtig.

Aber es muss nicht unbedingt Koeppens Roman sein. Und ja, Rassismus gehört als Thema auch an die Schule und in den Deutsch- und Literaturunterricht. Wenn aber Lernen vor allem am Modell geschieht, dann macht es mehr Sinn, Texte zu wählen, die Rassismus in einer nichtrassistischen Sprache verhandeln. Dann wäre der Lernweg auch kürzer.

Darüber hinaus frage ich mich, warum wir Jasmin Blunt nicht danken. Offenbar ist keinem bei der Textauswahl aufgefallen, wie kontrovers die Koeppen’sche Rassismuskritik aus heutiger Perspektive diskutiert werden muss. Offenbar haben die, die wir – wie ich – zur weißen Mehrheitsgesellschaft ohne Diskrimi­nierungs­er­fah­rung gehören, selbst nach den vielen Black-Lives-Matter-Protesten 2020 auch in Deutschland immer noch nicht genügend Sensibilität und Erfahrung, es von allein zu bemerken.

Die Autorin ist Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Tübingen

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18 Kommentare

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  • Ich bin kein Deutschlehrer, sondern unterrichte Geschichte. Soll ich in Zukunft - in der Konsequenz des Artikels - im Unterricht zum Thema Nationalsozialismus nun keine Texte von Hitler, Goebbels, Himmler mehr - selbstverständlich ideologiekritisch - mit meinen SchülerInnen interpretieren dürfen? Weil sie jüdische SchülerInnen oder SchülerInnen mit Gewalterfahrungen verstören könnten? Soll ich auf Originalquellen aus den 50er Jahren verzichten, weil dort ständig und "beiläufig" Frauen diskriminiert werden? Ich halte die Forderungen im Artikel in ihren Konsequenzen für nicht durchdacht ... mal ganz abgesehen von der Frage, wo genau eine Grenze zu ziehen wäre und welche Ideologien (wieso ist eigentlich nur der Rassismus zu vermeiden und nicht auch Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Frauenfeindlichkeit?) nicht im Originaltext zu behandeln sind.

    • @Plewka Jürgen:

      "Soll ich in Zukunft (...) im Unterricht zum Thema Nationalsozialismus nun keine Texte von Hitler, Goebbels, Himmler mehr (...) mit meinen SchülerInnen interpretieren dürfen? "



      Nein, natürlich nicht, aber geht ja nicht um Geschichtsunterricht. Mein Kampf oder Ergüsse eines Julius Streichers sind eben keine Romane. Wir lesen ja auch die von Feuchtwanger, Singer oder Bellow aber warum nicht die von Baldwin, Ellison oder Morrison. Ich teile zwar die Bedenken, die hier von vielen Foristen geäußert werden, aber nachdem ich knapp die Hälfte des Buches gelesen habe, kann ich den Vorwurf zur rassistischen Reproduktion gut nachvollziehen. Frau Köhler bringt es, wie ich finde hier auf den Punkt:



      "Dennoch werden zentrale Schwarze Figuren vor allem über Körperlichkeit, Sexualität und Animalität bestimmt."

    • @Plewka Jürgen:

      Sie haben ja völlig recht. Leider.



      Mit Harry Rowohlt gesprochen:



      “Sagen was frauman denkt. Und vorher was gedacht haben: Wäre fein.“

  • @REINHARDT GUTSCHE

    Doch, sind sie es. Wie dünn Ihr Eis ist merkt mensch schon daran, dass Sie die Situation in der Schulklasse mit der in einem germanistischen Seminar vergleichen.

    Zwischen den Zeilen scheinen Sie also zu suggerieren, dass das Buch nicht mehr behandelt werden soll, was im o.a. Text nie (auch nur indirekt) vorkommt. Dort wird lediglich dafür argumentiert, dass das Buch nicht in die Schule gehört.

  • "Doch ihre Reproduktion taugt nicht für antirassistische Bildung."

    Wenn ich das Wort "Reproduktion" lese, werde ich sofort skeptisch. "Reproduktion" bedeutet immer nur eine Wiederholung einer reinen Zeichen- oder Lautfolge, unabhängig von Bedeutung und Kontext. Wenn man lediglich auf "Reproduktion" abzielt hat das irrationale Konsequenzen. Dann wäre etwa die Erwähnung des N-Worts in einem Zitat genauso schlimm, wie tatsächlich eine schwarze Person damit zu beleidigen. Oder aber, Ortsnamen (wie dieses Dorf: de.wikipedia.org/wiki/Neger_(Olpe) müssten geändert werden, wie etwa die ISD und Anatol Stefanowitsch fordern, obwohl sie eine völlig andere Bedeutung haben (z.B. besagtes Dorf ist benannt nach dem gleichnamigen Fluss, der sich etymologisch wahrscheinlich von niederhochdeutsch "Nachen" ableitet).

    Mir scheint das eine Konsequenz des Poststrukturalismus zu sein. Wenn jede Bedeutung und jeder Kontext dekonstruiert wird, bleibt am Ende nur das reine Zeichen über, welches daraufhin fetischisiert wird.

    "Wenn Menschen in unserer Gesellschaft nun sagen, dass sie sich durch die Sprache des Romans verletzt fühlen, haben sie möglicherweise Diskriminierungserfahrungen, die beim Lesen des Romans aktualisiert werden."

    Auch mit der Aussage wäre ich vorsichtig. Bisher höre ich den Vorwurf der "Verletzung" immer nur von Leuten, die ohnehin im postcolonial/critical race-Theoriecluster verwurzelt sind. Hier denke ich eher, es handelt sich um eine self-fulfilling prophecy. Aber nehmen wir an, es gibt Personen, bei denen tatsächlich das Lesen einer Zeichenkette mit Diskriminierungserfahrungen verknüpft ist. Wäre dann die richtige Lösung, diese Zeichenkette zu tabuisieren? Die kognitive Verhaltenspsychologie rät hier eher zur kontrollierten Exposition.

    • @yeoldelloyd:

      Danke für die Erinnerung an 9 1/2 Jahre Westfälisch Sibirien. Als ich mir als Frischling von einem sattsam dorten bekannten Dorfbewohner einen Befangenheitsantrag einfing: “ich hätte ihm das Urteil bereits am Telefon bekanntgegeben!;)



      & Däh



      “Neger ist ein in die Dörfer Unter-, Mittel- und Oberneger aufgeteilter Stadtteil der nordrhein-westfälischen Kreisstadt Olpe. Der Name leitet sich möglicherweise vom Dorfbach Neger ab[1], was im Dezember 2020 in anderem Zusammenhang rezipiert wurde.[2]“



      de.wikipedia.org/wiki/Neger_(Olpe)



      & [2]



      www.welt.de/vermis...ung-gefordert.html



      &



      “Besser Nager statt Neger?



      DEUTSCHLAND | 30.12.2020



      www.dw.com/de/nege...ssismus/a-56093976



      &



      Zu allem Überfluss wurde dann auch noch der Bau der Negertalsperre vom OVG NW verhindert!



      Da kann frauman doch nur noch schwarzsehen! Wollnichwoll.

    • @yeoldelloyd:

      Sehr gut durchdacht. Hat mir etwas gebracht.

  • Man könnte auch umgekehrt argumentierten. Nämlich dass sich durch ehrliches und kritisches Behandeln dieser alten Texte PoCs endlich Ernst genommen fühlen und dass es einmal um sie geht; und Mitschüler:innen sind dabei "gezwungen", sich in die Lage der als N bezeichneten Personen zu versetzen. Es kommt doch darauf an, was die Lehrperson daraus macht. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.

  • @REINHARDT GUTSCHE

    Das meiste wird den Schüler*innen "vorenthalten". Der o.a. Text nennt überzeugende Gründe dafür, dass gerade Koeppens Text nicht besonders geeignet ist dafür. Darauf gehen Sie erst gar nicht ein.

    Was zudem im o.a. Text nur am Rande berührt wird und mir auch wichtig erscheint: wie gut ausgestattet werden die Lehrer*innen sein, um mit diesen Konflikten fertig zu werden? Höcke war, erinnern wir uns, Geschichtslehrer. Wie viele von dieser Sorte gibt es in deutschen Schulen?

    Also: auch ich bin (wie die Autorin) Frau Blunt dankbar für ihren Mut.

    • @tomás zerolo:

      Höcke fällt nicht unter den Radikalenerlaß

      Zitat @ tomás zerolo: "..wie gut ausgestattet werden die Lehrer*innen sein, um mit diesen Konflikten fertig zu werden? Höcke war, erinnern wir uns, Geschichtslehrer. Wie viele von dieser Sorte gibt es in deutschen Schulen?"

      Gute Frage. Daß Typen wie Höcke in der Bundesrepublik beamtete Lehrer sein dürfen, ist allerdings nun weiß Gott nichts Neues. Auch solche biografischen Highlights wie eine SS-Mitgliedschaft seit 1933 und die Leitung des „Exekutionskommandos 99“ des KZ Buchenwald, das u. a. 8000 sowjetische Kriegsgefangene im sog. Pferdestall per Genickschuß oder Erhängen an Wandhaken ermordete, waren kein Hindernis, in dieser Republik als Geschichtslehrer tätig zu sein, wie Wolfgang Otto, der nach seiner Verurteilung zu 20 Jahren Knast durch das US-Militärgericht in Dachau nach 4 Jahren wegen „guter Führung“ entlassen wurde...

    • @tomás zerolo:

      Bärendienst

      Zitat @tomás zerolo: "Der o.a. Text nennt überzeugende Gründe dafür, dass gerade Koeppens Text nicht besonders geeignet ist dafür.“

      Nein, diese Gründe sind keinesfalls überzeugend, sowenig wie es sehr vergleichbare Gründe für ein Verbot von Mark Twain oder James F. Cooper Cooper oder Karl May wären.

      Wir haben im Studium an der Humboldt-Universität auch den inkriminierten Roman von Koeppen behandelt. Rassisten hat die Lektüre aus uns nicht gemacht, ganz im Gegenteil. Dazu bedurfte es keiner volkspädagogisch-heliokopterelternhafte Vorkehrungen. Wir waren selbst in der Lage, „mit diesem Konflikt fertig zu werden“. Mit dieser publicity-trächtigen Aktion gegen einen der wichtigsten Autoren der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur erweist die Lehrerin ihrem ehrenwerten Anliegen einen Bärendienst.

  • Rassismus verschweigen heißt ihm Vorschub leisten

    Der Roman von Wolfgang Koeppen ist - nicht ausschließlich, aber doch auch - ein zeitgenössisches literarisches Zeugnis einer verbreiteten Stimmung in der frühen Bonner Republik wenige Jahre nach der opferreichen Zerschlagung des Hakenkreuzler-Regimes. Der tradierte Rassismus hierzulande gehörte zu diesen tief eingebrannten Stimmungen. Deren authentische Darstellungen den heutigen Schülern vorzuenthalten bedeutet, ihnen das Dargestellte vorzuenthalten, als sei dies nicht geschehen. Den damaligen manifesten Rassismus durch Zensur im Unterricht heute mit Schweigen zu übergehen führt zwangsläufig dazu, die Schüler von der Aufforderung fernzuhalten, sich dagegen ethisch und kulturell zu sensibilisieren, damit seiner Renaissance nur Vorschub leistend.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Ganz recht! Das Problem des Rassismus ist ja nicht so sehr, dass Manche nicht auf das N-Wort verzichten wollen, sondern dass die in fast allen von uns (Weißen, auch den "Guten") vorhandene rassistische Prägung von uns selbst erkannt werden muss; und dass diese nicht einfach durch Wortkosmetik verschwindet. Während man vorher vorgefasste Urteile über N... hatte hat man sie heute halt über People of colour...

      • @rolf platiel:

        Danke in diesen Teil der Runde - du kommst bi lütten aus dem Schüttkoppen (Kopfschütteln h.deutsch) nicht raus.

  • "Wenn Menschen in unserer Gesellschaft nun sagen, dass sie sich durch die Sprache des Romans verletzt fühlen, haben sie möglicherweise Diskriminierungserfahrungen, die beim Lesen des Romans aktualisiert werden. Das nicht ernst zu nehmen, bedeutet, ihre Erfahrungen nicht ernst zu nehmen und andere Lebenserfahrungen und Lernbiografien bei der Auswahl der Pflichtlektüre zu privilegieren: solche, in denen Diskriminierung keine Rolle spielt."

    Das ist der entscheidende Passus. Böse gesagt: da sitzen halt deutsche Mainstream-Menschen zusammen und brüten Empfehlungen aus.



    Mehr Diversität täte gut in deutschen Klassenzimmern -- und zwar am Lehrerpult.

    • @Libuzzi:

      Nun ist aber nicht gesagt, dass PoC-Lehrer alle automatisch dem Tenor des Artikels zustimmen. Es gibt genügend PoC, die die Diskussion absurd finden und eben nicht jede noch so stark kontextualisierte "Reproduktion" von Rassismus als "Gewalt" oder gar Trauma empfinden.

      Warum sind deren Ansichten weniger wert? Wer hat das Recht, zu sagen, dass "PoC als solche" so oder so zu empfinden und zu denken haben?

      Wo bleibt da das Individuum?

    • @Libuzzi:

      Ihr letzter Satz trifft den Nagel auf den Kopf! Qualifizierte Lehrer mit Migrationshintergrund werden händeringend gebraucht.

  • Interessiert gelesen. But.

    Mach mal einen vllt etwas perfiden Einwand.



    “Wir müssen überlegen, was wir dafür tun können und müssen, damit unser Literaturkanon auch in historischer Perspektive inklusiv und nicht exklusiv ist.“



    Aufgehängt am Rassismus im Werk. Woll.



    & Kanon & Reich-Rainicki



    “ Tauben im Gras gilt als bedeutende deutsche Literatur. Marcel Reich-Ranicki nahm den Roman in seinen 20 Bände umfassenden Kanon deutschsprachiger Werke auf.“



    de.wikipedia.org/wiki/Tauben_im_Gras

    Ergo gefragt: erklärt sich diese Diskrepanz ernst allein dadurch:



    “Literatur hat ja keinen Wert an sich. Und unser Blick auf Literatur ist auch nicht unveränderlich. Im Gegenteil, mit der Veränderung unserer Gesellschaft verändert sich auch unser Blick auf das kulturelle Erbe und Gedächtnis.“



    Oder ketzerisch gefragt: Sind wir mal wieder Zeitzeugen einer letztlich geschmäcklerischen Modeerscheinung?!



    Befeuert durch pc-ler & ähnliche subalterne Wichtigtuer.

    unterm——-



    Mir haben weder Wolfgang Koeppen noch gar Marcel Reich-Rainicki viel bedeutet.



    Beide komplett überbewertet. Aber darum geht’s hier nicht.



    Im übrigen würd ich zur Kontrolle mal Mark Twain ins Spiel bringen!



    & nochens Frau Professorin - mal als Richter a.D. -



    “Wenn aber Lernen vor allem am Modell geschieht, dann macht es mehr Sinn, Texte zu wählen, die Rassismus in einer nichtrassistischen Sprache verhandeln. Dann wäre der Lernweg auch kürzer.“



    Diese in sich unschlüssige Sentenz - würde ich doch nochmals überdenken!



    Viel Glück. Ahne zwar - was Sie sagen wollen!



    Nur steht das textexegetisch da aber nicht.



    Frauman nennt solches für gewöhnlich:



    “Wasch mir den Pelz - aber mach mich nicht naß!“



    Get it? Fein. - always at your servíce - 🙀🥳 -