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Geschlechtergerechtigkeit bei FinanzenMehr Angst vor Altersarmut

Wie viel Geld haben Frauen zur Verfügung und wie legen sie es an? Der Bankenverband hat Frauen zu ihren Finanzen befragt.

Frauen und Geld – sie haben im Durchschnitt weniger als Männer und investieren weniger Foto: Westend61/imago

Berlin taz | Für die Altersvorsorge ist sie wichtig, aber wenige wollen oder können sich mit Geldanlage beschäftigen. Vor allem Frauen fühlen sich schlecht informiert, haben deutlich weniger Geld zur Verfügung als Männer und sorgen sich um ihr Auskommen im Alter, wie eine repräsentative Umfrage des Bundesverbands deutscher Banken ergibt. Immerhin: Wenn sie investieren, stecken sie mehr Geld in Aktien, die langfristig mehr Ertrag versprechen als andere Anlagen.

„Ohne finanzielle Unabhängigkeit gibt es keine Freiheit. Denn ohne eigenes Geld fehlt der Spielraum, Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen“, sagt Henriette Peucker, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers beim Bankenverband. „Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse unserer Studie besonders ernüchternd: Frauen beurteilen ihre wirtschaftliche Situation nicht nur weniger gut, sondern haben monatlich im Durchschnitt tatsächlich auch rund 400 Euro weniger zur freien Verfügung als Männer.“ Die Marktforscher von Infas Pro aus Nürnberg befragten für die Studie Anfang Februar bundesweit mehr als 1.300 Personen.

Rund 1.000 Euro können Frauen im Schnitt frei ausgeben. Wobei der Wert durch besonders hohe Einkommen verzerrt ist: 72 Prozent der Befragten gaben an, über weniger als 1.000 Euro verfügen zu können. Und das hat Folgen für die Altersvorsorge: Frauen können weniger zurücklegen. Etwas mehr als ein Viertel der Frauen spart nur bis zu 100 Euro monatlich, bei den Männern ist es ein Fünftel. Mehr als 200 Euro legen 28 Prozent der Frauen zurück, bei den Männern sind es 38 Prozent.

Männer fühlen sich kompetenter bei Finanzthemen

Wer weniger sparen kann, hat später weniger zur Verfügung: Die Hälfte der Frauen erwartet laut der Studie, dass es ihnen im Alter nicht so gut gehen wird, bei Männern ist es mehr als ein Drittel. Aber auch diejenigen, die sich finanziell gut oder sehr gut aufgestellt sehen, müssen zum Teil ihren Lebensstil ändern. „71 Prozent der Frauen denken, dass sie sich zur Rente hin deutlich einschränken werden müssen, von den Männern glauben das von sich lediglich 55 Prozent“, sagt Peucker. „Diese Situation ist nicht hinnehmbar.“

Frauen halten sich beim Sparen möglicherweise auch zurück, weil sie zu wenig über Finanzthemen wissen. 25 Prozent der Frauen interessieren sich stark oder sehr stark für Finanz- und Wirtschaftsthemen, bei Männern sind es 49 Prozent. Letztere behaupten auch, sich gut in Geldfragen auszukennen: Drei Viertel der Männer sehen das so, aber nur knapp die Hälfte der Frauen. Vor allem beim Börsenwissen hapert es: 71 Prozent der Frauen und 52 Prozent der Männer erklärten, keine Ahnung davon zu haben, was an der Börse geschieht.

Die Umfrage offenbart auch, dass viele Geldanlagen und Bankgeschäfte zu kompliziert finden. Das sagt nichts darüber aus, ob Geldanlagen und Bankgeschäfte wirklich schwierig und eher undurchsichtig sind. Das Gefühl könnte aber ein Grund sein, warum viele solche Themen nur ungern oder gar nicht angehen. Vor allem in der Schule und von den Banken wünschen sich alle Befragten mehr Informationen.

Am wichtigsten bei der Geldanlage ist allen Befragten Sicherheit – mit weitem Abstand vor Gewinn und Verfügbarkeit. Im Vergleich zur Umfrage 2019 sind allerdings alle etwas mutiger geworden. Für künftige Geldanlagen können sich 43 Prozent der Männer vorstellen, ein höheres Risiko einzugehen. Frauen sind deutlich zurückhaltender: Bei Ihnen sind es nur 20 Prozent.

Frauen bevorzugen sichere Anlagen

Möglicherweise deshalb setzten sie 2023 wie auch schon 2019 am liebsten auf ein Sparbuch (36 Prozent) oder auf Tagesgeld (34 Prozent). Beide Anlageformen brachten in den vergangenen Jahren wegen der Niedrigzinsphase praktisch keine Erträge, hatten aber auch kein Verlustrisiko, anders als Aktien oder Aktienfonds.

Und hier zeigt die Umfrage eine deutliche Änderung: „Frauen investieren wesentlich mehr in Aktien als noch 2019. Das ist eine erfreuliche Entwicklung“, sagt Peucker. „Heute besitzen 30 Prozent der Frauen Aktien, Fonds oder andere Wertpapiere – 2019 waren es nur 18 Prozent.“ Bei Männern sind es allerdings 47 Prozent. Wobei auch sie auf Tagesgeld (39 Prozent) und Sparbücher (32 Prozent) setzen.

„Bei Frauen wie bei Männern haben Wertpapiere und Tagesgeld gegenüber 2019 am stärksten zugelegt, wobei fehlende Kenntnisse viele Frauen noch immer vom Wertpapierkauf abhalten“, fasst Bankenverbands-Vizechefin Peucker zusammen. „Wir stellen fest, dass die Distanz zwischen Frauen und Wirtschaft weiterhin groß ist. Nur wer die Vorteile eines Vermögensaufbaus an der Börse versteht, kann jedoch sinnvoll und langfristig vorsorgen.“

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6 Kommentare

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  • Der Bankenverband fährt eine Kampagne, um Frauen zum Aktien Kaufen zu bewegen. Ich hätte von der TAZ eine kritische Einordnung erwartet. Z. B. fällt kein einziges Mal der Begriff Nachhaltigkeit. Unreflektiert werden Aktieninvestitionen als wünschenswert hingestellt. Der Bankenverband reibt sich die Hände

    • @CarlaPhilippa:

      Die Studie zeigt im Wesentlichen, dass Frauen ein weitaus geringeres Interesse an Finanzthemen haben als Männer. Das ist in vielerlei Hinsicht bedauerlich.



      Je früher man sich mit dem Thema befasst, desto einfacher ist es die Rentenlücke zu schließen.



      Ein größeres Interesse ist i.d.R auch mit mehr Achtsamkeit bei den Ausgaben verbunden. Das Eigenkapital fehlt dann bspw. für den Immobilienwunsch. Mit etwas mehr Kostenbewusstsein im Alltag lässt sich viel Geld über die Jahre ansparen ohne auf viel Lebensqualität zu verzichten.



      Das ganze hat auch eine politische Dimension. Mangelndes Interesse für Finanzthemen geht auch mit einem geringen Interesse für Politik und Wirtschaftsthemen und somit der öffentlichen Meinungsbildung einher.

  • Dass Frauen im Durchschnitt 400 Euro weniger zur Verfügung haben ist das eigentliche Skandal. Daran müssen wir als Gesellschaft etwas ändern.

    Ob es eine gute Idee wäre, sei dahingestellt.

    Meines Erachtens sollten Kleinanleger*innen die Finger davon lassen: sie werden nie Waffengleichheit mit Grossanleger*innen erreichen.

    In Zeiten schrumpfenden bis nicht existenten Wachstums heisst das nur, dass Letztere die Ersteren abzocken.

    Liegt im Trend: die Ungleichheit steigt.

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    Vielleicht mal folgende Einordnung aus statistischem Blickwinkel: Die genannten Geschlechterunterschiede entsprechen "kleinen bis mittleren Effekten". Ich bin daher irritiert, dass es die Expertin mehr aufwühlt, die eher (aus statistischer Sicht) geringen Unterschiede zwischen Mann und Frau auszugleichen als die Tatsache, dass mehr als 50% der Bevölkerung sich im Rentenalter deutlich einschränken werden müssen.

    Achja ich persönlich lege weniger als 100 Euro pro Monat zurück. Hat biographische Gründe.

  • Ich frage mich, was an Aktieninvestitionen erfreulich ist. Sowohl als auch ein Armutszeugnis.

    • @Gerhard Krause:

      Das hat mich auch irritiert. Ich hab meine komplette Kohle in mein Haus gesteckt und kann zwar keine Aktien, aber dafür mit 38 ein abbezahltes Eigenheim vorweisen. Ist das jetzt schlecht?