piwik no script img

US-Präsident in MexikoKeine einfache Agenda

Joe Biden hat erstmals die US-mexikanische Grenze besucht. Neben der Migration steht bei seiner Visite in Mexiko ein weiteres schwieriges Thema an.

US-Präsident Joe Biden mit Grenzschutzbeamten in El Paso, Texas Foto: Andrew Harnik/ap

Berlin taz | Fentanyl und Migration – damit sind die wesentlichen Themen umrissen, die derzeit das Verhältnis zwischen den USA und Mexiko prägen. Folgerichtig stehen das Geschäft mit der tödlichen Droge und die Einwanderung ganz oben auf der Agenda, wenn sich in diesen Tagen US-Präsident Joe Biden und sein mexikanischer Amtskollege Andrés Manuel López Obrador treffen. Bereits am Sonntag ist der Staatschef aus Washington nach Mexiko-Stadt gereist. Am Montag landete zudem Kanadas Premierminister Justin Trudeau, um bis Mittwoch am Nordamerikagipfel teilzunehmen.

Es ist das erste Mal, dass Biden als Präsident das südliche Nachbarland besucht, und die Vorzeichen des Treffens hätten kaum prägnanter sein können. Vergangenen Donnerstag verhafteten Sicherheitskräfte Ovidio Guzmán, einen der Anführer des Sinaloa-Kartells und Sohn des in den USA einsitzenden Mafiachefs Joaquín „El Chapo“ Guzmán. Bereits während der Festnahme nahe der Stadt Culiacán kam es zu heftigen Schusswechseln zwischen Militärs und Kriminellen, Kartellmitglieder terrorisierten zudem die nordmexikanische Metropole. Sie setzten LKW in Brand, errichteten Barrikaden und drangen in Krankenhäuser ein, um Ärzte zu zwingen, ihre Verwundeten zu behandeln. Zudem beschossen sie den Flughafen, um den Abtransport von Guzmán, auch „El Ratón“, die Maus, genannt, zu verhindern. Zehn Soldaten und 19 mutmaßliche Kriminelle starben.

Nicht wenige in Mexiko fragen sich, ob die Verhaftung gezielt im Vorfeld des Treffens durchgeführt wurde. Schließlich blicken US-Drogenfahnder immer wieder skeptisch auf das zunächst zurückhaltende Vorgehen López Obradors gegen die Mafia. Dessen Politik der „Umarmungen statt Kugeln“, mit der er die Eskalation der Gewalt eingrenzen wollte, lieferte nicht die erwünschten Erfolge. Das wurde etwa deutlich, als Soldaten im Oktober 2019 „El Ratón“ bereits verhaftet hatten und ihn angesichts des Terrors seiner Truppen wieder freilassen mussten.

Dass nun ein Anführer jenes Kartells verhaftet wurde, das große Mengen Fentanyl über den Rio Bravo schmuggelt ist ein wichtiges Zeichen. In den USA ist die Droge ein großes Problem. Fast 200 Menschen sterben täglich an dem Rauschgift, dessen Zutaten meist aus China stammen und das in Mexiko zusammengebraut wird. John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, sprach nach der Verhaftung letzter Woche „bedeutsamen Schritt“ im Kampf gegen Fentanyl.

Gestrandete Migranten an der geschlossenen US-Grenze

Mexiko will monatlich 30.000 aus den USA abgeschobene Menschen aufnehmen

Genauso symbolträchtig war die Anreise Bidens. Vor seiner Ankunft in Mexiko-Stadt besuchte er die US-Grenzstadt El Paso, wo ihm der republikanische Gouverneur Greg Abbott „Versagen“ in der Einwanderungspolitik vorwarf. „Ich weiß, dass die Migration die Spannung in den Gemeinden an der Grenze erhöht“, sagte der US-Regierungschef. Um eine Migrationspolitik durchzusetzen, die sich zumindest leicht von seinem rechten Widersachern und dem Vorgänger Donald Trump unterscheidet, ist der Präsident auf die mexikanische Regierung angewiesen. Diese wiederum kämpft damit, dass zunehmend Menschen an der geschlossenen US-Grenze stranden.

Vergangene Woche kündigte Biden an, monatlich 30.000 Mi­gran­t*in­nen aus Haiti, Nicaragua und Kuba aufzunehmen und ihnen eine zweijährige Arbeitsgenehmigung zu erteilen – eine Maßnahme, die für Ve­ne­zo­la­ne­r*in­nen bereits vorher bestand. Wenn jedoch ein Antrag abgelehnt werde oder die Betroffenen illegal eingereist seien, würden sie nach Mexiko angeschoben, stellte der US-Präsident klar. Die mexikanische Regierung erklärte sich im Gegenzug bereit, im Monat 30.000 Menschen aus diesen Ländern aufzunehmen, die aus dem Norden abgeschoben werden. Damit übernimmt Mexiko weiterhin Aufgaben der US-Migrationsbehörden. Schon jetzt werden Asyl­be­wer­be­r*in­nen in das Nachbarland zurückgebracht, um dort auf die Entscheidung ihres Antrags zu warten.

Das „kaputte System“ sollten alle Seiten „reparieren“, kündigte Biden am Sonntag an. Ob das klappt, ist fraglich. Versuche des US-Präsidenten, einen von Trump eingeführten Paragraf (der gesundheitspolitische Titel 42) zur schnellen Abschiebung aufzuheben, scheiterten zuletzt am Obersten Gerichtshof.

Auf dem „Gipfel der Three Amigos“, wie der Nordamerika-Gipfel genannt wird, wollen López Obrador, Biden und Trudeau am Dienstag auch über regionale Integration, Gesundheitspolitik und Klimawandel sprechen. Die USA und Kanada, die mit Mexiko in einem Freihandelsvertrag verbunden sind, kritisieren die Energiepolitik López Obradors. Der Mexikaner stellt die nationale Industrie sowie die Förderung fossiler Brennstoffe in den Vordergrund und bremst internationale Investoren aus.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare