Drogenepidemie in den USA: Überdosis im Kinderzimmer
Mit Pillen aus der Apotheke fängt es an. Drogen zerfressen die Gesellschaft. Besonders die Mittelschicht ist betroffen, und die jüngsten Opfer sind Babys.
Dayton taz | Das Haus, in dem der kleine Lee seine letzte Nacht verbringt, liegt in einer Wohnsiedlung am Stadtrand. Ein zweistöckiger Klinkerbau im Herbstlicht. Davor ein alter Buick, zwei Frauen mit Zahnlücken, sie trinken Schnaps aus der Flasche. Die Eltern hatten Lee für die Nacht zum Onkel gegeben, damit er auf den Jungen aufpasst, wie so oft in der Vergangenheit. Als sie Lee am nächsten Morgen abholen, wirkt der Junge müde und lethargisch. Die Eltern fahren ihn ins nahe gelegene Good Samaritian Krankenhaus. Stunden später ist Lee tot. In seinem Blut finden die Ärzte Fentanyl. Drogen – eine tödliche Menge. Als Lee stirbt, ist er zwei Jahre alt.
Dayton im Bundesstaat Ohio. Vor hundert Jahren bauten hier die Wright Brüder das erste Propellerflugzeug. Heute ist die Stadt an der Kreuzung der Interstates 70 und 75 das Epizentrum einer Drogenepidemie, die in einem nie dagewesenen Ausmaß die USA erfasst hat. Und doch könnte Dayton überall sein. In Maryland an der Ostküste, wo man im ersten Halbjahr 70 Prozent mehr Drogentote zählte als im Vorjahr. In den Westküsten-Metropolen San Diego, Los Angeles oder San Francisco, wo Polizisten routinemäßig Notfallmedikamente mit auf Streife nehmen, um die nach einer Überdosis zusammengebrochenen Süchtigen zu retten. In Connecticut, wo in den Leichenhallen kein Platz mehr für die vielen Drogentoten ist.
Nie zuvor hat sich eine Drogenwelle so rasch und tödlich auf dem nordamerikanischen Kontinent ausgebreitet. Nie zuvor traf es die Mittelschicht so hart: Angestellte, Arbeiter, Schüler, Studenten, junge Mütter, Rentner – Millionen Amerikaner sind in den vergangenen Jahren in die Abhängigkeit geraten. Doch dieses Mal ist es nicht nur billiges Heroin, das die Städte, Parks und Schulhöfe überschwemmt. Noch schneller breiten sich synthetische Drogen wie Fentanyl aus. Das weiße Kristallpulver, das zur Gruppe der sogenannten Opioide gehört und für ein paar Dollar auf der Straße verkauft wird, ist 50 Mal so stark wie Heroin. Wenige zuckerkorngroße Kristalle, zwei Milligramm, können tödlich sein.
Der kleine Lee starb vor einem Jahr. Wie der pausbackige Junge mit dem tödlichen Pulver in Berührung kam, konnte nie geklärt werden. Fand er das Fentanyl in der Wohnung des Onkels, der früher wegen Drogendelikten verurteilt worden war? Lagen verschmutzte Spritzen auf den Wiesen hinter dem Reihenhaus, wo sich Junkies öfter einen Schuss setzen? Die Familie möchte mit niemandem reden. An der Haustür hängt eine Warnung, auf Pappkarton geschrieben: „Denke nach, bevor du was tust! Wir sind gut geschützt!“ Der Junge habe „nicht wirklich eine Chance“ gehabt, sagte Sheriff Phil Plummer den lokalen Medien.
Ganze Gemeinden zerbrechen am Rauschgift
Jedes Jahr wird in den USA die Bevölkerung einer Kleinstadt durch Drogen ausgelöscht. Eine Hochrechnung der New York Times kommt für 2016 auf 64.000 Rauschgifttote – fast ein Viertel mehr als im Vorjahr. Für US-Amerikaner unter 50 Jahren ist Rauschgift heute die häufigste Todesursache. Die Drogenschwemme übertrifft damit in ihrer Tödlichkeit selbst die Aids-Epidemie auf ihrem Höhepunkt. Und sie zerfrisst die Gesellschaft.
Wer heute durch die Inlandsstaaten Ohio, West Virginia und die einst stolzen Industriegebiete des Rust Belts fährt, erlebt Städte und Gemeinden, die am Rauschgift zerbrechen. Familien, die bereits in zweiter und dritter Generation Drogen spritzen. Jugendliche, die sich auf der Straße prostituieren, um ihre Sucht zu finanzieren. Firmen, für die es immer schwieriger wird, Arbeiter zu finden, die bei der Einstellung den Drogentest bestehen. Und Kinder, die leiden, weil niemand sich mehr um sie kümmert.
North Findlay Street, East Dayton. Das kleine Mädchen trägt den Namen Honor – „Ehre“. Er steht für das Versprechen auf eine bessere Zukunft. Vorsichtig macht das heute einjährige Baby einige Schritte über den grauen Teppichboden. Schütteres blondes Haar, große neugierige Augen. Doch für Honor begann das Leben mit qualvollen Schmerzen – den Schmerzen des Drogenentzugs. Weil ihre Mutter während der Schwangerschaft Rauschgift nahm und damit auch ihr ungeborenes Kind abhängig machte, musste Honor ihre ersten Wochen nach der Geburt auf einer Drogenentzugsstation verbringen. Wie mittlerweile Tausende andere Babys in den USA. „Um sie zu beruhigen, mussten die Ärzte ihr Morphium spritzen“, erzählt die Mutter Azaray.
Was ist da passiert im Leben einer Mutter, dass sie die Gesundheit ihres neugeborenen Kindes aufs Spiel setzt? Was ist da passiert im Gewebe der amerikanischen Gesellschaft, dass mehr als sieben Millionen Bewohner dieses Landes heute abhängig von Rauschgift sind? Die Opfer der jüngsten Drogenkrise kommen aus keinen bestimmten Milieus – die meisten sind ganz normale Mittelschicht. Ihren ersten Rausch haben sie nicht bei einer Party bekommen, sondern nach einem Besuch beim Arzt. Denn die Schuldigen der Drogenepidemie sitzen in den Vorstandsetagen der Pharmaindustrie. Sie haben das Land jahrelang mit Pillen überschwemmt und damit in die Sucht getrieben.
Es war nach der Geburt ihrer ersten Tochter, Azaray hatte noch Entbindungsschmerzen, als der Arzt ihr ein Schmerzmittel verschrieb. Vor acht Jahren war das. Für die junge Mutter, die als Kellnerin arbeitete, erschienen die Tabletten als Erleichterung. „Ich fühlte mich großartig damit, war weniger müde und dachte, sie geben mir die Kraft, eine gute Mutter zu sein“, berichtet die heute 26-Jährige mit leiser Stimme. Eine Weile schrieb der Arzt ihr immer wieder neue Rezepte aus. Als das irgendwann stoppte, kaufte sie die Tabletten auf der Straße.
Der Absturz kam schnell und hart: Nach zwei Jahren Medikamentensucht lebte Azaray nur noch für die Beschaffung ihrer Drogen. Sie dealte, belog Freunde und Bekannte, bestahl ihre Eltern. Der Umstieg auf Heroin war eine ökonomische Entscheidung: Heroin kostet viel weniger als Schmerztabletten, die Wirkung auf den Süchtigen ist ähnlich. Sechs Jahre spritzte Azaray Heroin, rutsche noch weiter ab, kam ins Gefängnis und verlor das Sorgerecht für ihre erste Tochter. Im März dieses Jahres die erste Überdosis. „Ich wäre fast gestorben“, sagt Azaray und weint.
Es war in den Neunzigerjahren, als die US-Pharmaindustrie Schmerzmittel als neuen Wachstumsmarkt entdeckte. Mit geschönten Studien und viel Geld verführten Konzerne wie Johnson & Johnson, Pfizer und Novartis Ärzte dazu, den Patienten mehr Schmerzmittel zu verschreiben. Neue, stärkere Präparate wie Oxycontin wurden auf den Markt gedrückt, unterstützt von riesigen Marketingbudgets. Die Gefahr, abhängig zu werden, spielten die Konzerne herunter. Das Ergebnis: In dem Jahrzehnt bis 2011 verdreifachte sich die Zahl der Schmerzmittelverschreibungen – auf jährlich 219 Millionen Rezepte. Bis heute verschreiben US-Ärzte so viele Schmerzmedikamente, dass jeder erwachsene Amerikaner drei Wochen im Jahr ohne Unterbrechung im Rausch verbringen könnte.
Opioide wie Fentanyl sollten eigentlich nur bei sehr starken Schmerzen - zum Beispiel einer tumorbedingten Erkrankung - oder in der Palliativmedizin eingesetzt werden.
Verschreibung Für die Verordnung von Opioiden gibt es in Deutschland besondere Rezepte. Diese sogenannten Betäubungsmittelrezepte muss der verschreibende Arzt bei der zum Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugehörigen Bundesopiumstelle anfordern. Die Rezepte zeichnen sich durch einen dreifachen Durchschlag aus: einen für die Apotheke, einen für die Krankenkasse und ein dritter geht zurück an die Bundesopiumstelle. Es gibt damit in Deutschland eine hohe Kontrolle und Transparenz darüber, welcher Arzt wie viele Opioide verordnet. Die Hemmschwelle solche abhängig machenden Medikamente zu verschreiben, ist deshalb sehr hoch.
Werbung In Deutschland ist Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel verboten. In den USA hingegen dürfen Pharmakonzerne für alle rezeptpflichtigen Mittel werben - und damit auch für Opioide. Das hat laut Experten dazu geführt, dass Ärzte Fentanyl und andere Opioide schneller verschreiben. (aw/me)
Für Millionen Menschen bedeutete die Pillenschwemme der direkte Weg in die Sucht. Die verschriebenen Dosierungen waren zum Teil so hoch, dass Patienten schon nach einer Woche abhängig wurden. Überall im Land entstanden sogenannte „Pill Mills“ – Arztpraxen, in denen niemand mehr behandelt wurde, sondern die Ärzte nur noch im Minutentakt Rezepte für Schmerzmittel ausstellten. In Kermit, einer 400-Einwohner-Gemeinde am Tug Fork River in West Virginia, so zeigen es Statistiken der US Food and Drug Administration, gingen bei einer einzigen Apotheke in sechs Jahren neun Millionen Schmerzpillen über den Tresen. In Ohio erhielt vergangenes Jahr rund ein Fünftel der Bevölkerung Opioide auf Rezept. Das ist in etwa die gleiche Anzahl der Menschen, die jeden Tag Softdrinks trinken.
„Die meisten der Abhängigen, die wir nach einer Überdosis in Dayton finden, sind durch Schmerzmittel auf Rezept drogensüchtig geworden“, sagt Billy Brokschmidt, den alle Billy nennen. Der ehemalige Soldat war selbst drogensüchtig und ist heute Streetworker. Fast jeden Tag fährt er im Polizeiwagen mit, um den nach einer Überdosis zusammengebrochenen Menschen zu helfen. Mal sind es Teenager, deren bewegungslosen und blau angelaufenen Körper sie auf dem Küchenboden des Elternhauses finden. Mal sind es Obdachlose auf der Straße. Mal ist es ein erfolgreicher Anwalt, der in seinem SUV mit dem Tod ringt. Bis zu 50 Mal in der Woche rücken die Helfer in Dayton aus.
Die Rettungskräfte sprühen den im Koma liegenden Drogensüchtigen Naloxon in die Nase – Handelsname Narcan. Das Mittel wirkt wie ein sofortiger Entzug. Die Junkies kommen nach wenigen Augenblicken wieder zu Bewusstsein, fühlen sich aber elend. Für manche der gerade mit dem Leben davon gekommenen ist das eine Chance, sich auf eine Entziehungskur einzulassen. Andere sind einfach nur sauer, dass sie nicht mehr high sind. „Manchmal müssen wir zwei Mal an einem Tag den gleichen Typ von einer Überdosis zurückholen“, sagt Billy. Immer öfter jedoch kommen die Helfer zu spät: In den ersten neun Monaten dieses Jahres starben in Dayton 484 Menschen durch Drogen. Im ganzen Land kostet die Epidemie jeden Tag 175 Menschenleben. Billy: „Wir verlieren eine ganze Generation.“
Und diese Generation lässt ihre Kinder zurück. Wer kümmert sich um sie, wenn die Eltern nur an den nächsten Schuss denken können? Wenn Väter und Mütter neben dem Spielplatz oder beim Einkaufen an einer Überdosis zusammenbrechen, weil immer häufiger Heroin, Koks und manchmal sogar Marihuana mit dem tödlichen Fentanyl gestreckt sind, sodass selbst die Dealer nicht mehr wissen, was sie den Abhängigen verkaufen?
Das Horror-Auto mit dem Enkel auf der Rückbank
250 Meilen östlich von Dayton am mächtigen Ohio River liegt East Liverpool. Vor einem Jahr fiel dem Polizisten Kevin Thompson ein dunkelgrauer Ford auf, der neben einer Kirche parkte. Auf dem Fahrersitz traf Thomson auf einen mittelalten Mann, der nur noch lallen konnte. „Sein Kopf wackelte vor und zurück“, schrieb Thomson ins Protokoll. Auf dem Beifahrersitz lag eine Frau im Tanktop, die Gliedmaßen verrenkt, das Gesicht blau angelaufen. Beide waren nicht mehr ansprechbar.
Das Paar hatte sich kurz vor der Fahrt einen Schuss gesetzt und eine Überdosis erwischt. Doch sie waren nicht allein. Auf dem Rücksitz: ein blonder Junge im blauen Drachen-T-Shirt. Der vierjährige Enkel der Frau. Das Foto, das die Beamten von der Szene machten, ging um die Welt. Das Schlimmste sei gewesen, sagten die Polizisten später, dass der Junge nicht einmal geweint habe. Er habe mit „ leerem, emotionslosem Gesicht“ im Kindersitz gesessen.
Wenn sie Glück haben, kommen die Kinder irgendwann zu Debra Hawkins. Die rundliche Frau leitet das Harmony House in Wheeling, auf der anderen Seite des Ohio Rivers in West Virginia. Das mit Spielzeug und bunten Möbel vollgestellte Büro ist eine Hilfsstelle für misshandelte Kinder. „Durch die Opioid-Krise hat sich die Zahl der Fälle deutlich erhöht“, sagt Hawkins. Oft würden die Kinder aus völlig verwahrlosten Wohnungen gerettet. „Die Kinder sind traumatisiert. Viele sind unter- oder übergewichtig. Manche reißen sich die Haare aus.“ Meinst bleibt den Behörden nur, die Kinder von ihren Eltern zu trennen.
West Virginia hat in den USA die höchste Rate an Kindern, die nicht mehr bei den Eltern aufwachsen. Eines von achtzig Kindern lebt bei Pflegeeltern oder in Heimen – Ende 2015 waren das 4.959 Jungen und Mädchen. Weitere 24.004 Kinder wurden von den Großeltern aufgezogen. Immer öfter sind Drogen der Grund. Im August holten Polizisten in der Stadt Moorefield drei Kinder aus einer Wohnung, die von den Eltern als Drogenlabor benutzt wurde. Im April stoppte der Sheriff in New Lexington einen Vater, der auf der Rückbank seines Autos eine mobile Produktionsanlage für Meth aufgebaut hatte. Zwischen den Plastikflaschen mit Chemikalien saß der zweijährige Sohn.
„Ich habe schon Kinder- und Jugendarbeit gemacht, als die Crack-Welle unterwegs war. Aber diesmal ist der Schaden für die Familien viel größer“, sagt Hawkins. Die Drogen ließen die Eltern oft „komplett ausfallen“. Oder schlimmer noch, selbst zu Tätern werden. Kinderschutzorganisationen berichten von immer mehr Fällen, bei denen drogensüchtige Eltern ihre Kinder für Sex verkaufen. „Der Kinderhandel findet oft nicht mal im Verborgenen statt, das passiert ganz öffentlich“, sagt Hawkins.
Private Initiativen und ein untätiger Staat
Obwohl das Weiße Haus mittlerweile eine Kommission zur Bekämpfung der Drogenkrise eingesetzt hat, gibt es für die Abhängigen kaum staatliche Hilfe. Die wenigsten Drogensüchtigen haben eine Krankenversicherung, die einen Entzug bezahlt. Wer die Behandlungskosten in Höhe von mehreren Zehntausend Dollar nicht aufbringen kann, hat kaum eine Chance, von der Sucht los zu kommen. In den nächsten zehn Jahren, schätzen Experten, könnte die Drogenwelle eine halbe Million Menschenleben fordern. Doch die Städte und Landkreise werden von Washington alleine gelassen.
In Dayton sind es private Initiativen, die als einzige den Drogenabhängigen Hilfe anbieten. An diesem Abend treffen sich die Families of Addicts (FOA) zum wöchentlichen Gesprächskreis. Rund 80 Menschen sind in das „Life Enrichment Center“ gekommen, einem schmucklosen Betonbau im ehemaligen Industrieviertel. Einige der Teilnehmer haben selbst gebackene Kuchen mitgebracht, die zusammen mit Chips und M&M’s zu einem kleinen Buffet aufgebaut sind.
Die Gesichter an den runden Tischen zeigen, wie tief sich die Drogenkrise in das soziale Gewebe dieser Stadt gefressen hat. Da sitzen junge Männer in Muskelshirts und Frauen mit Tattoos, die durch die Sucht und das Leben auf der Straße grau und verhärmt sind. Eltern, die nicht wissen, ob ihr erwachsener Sohn oder Tochter die nächste Überdosis überlebt. Großeltern, die über Nacht wieder Kleinkinder aufziehen müssen, weil die drogensüchtigen Eltern ausfallen. Sie sprechen sich hier gegenseitig Mut zu. „Ich feiere heute, dass ich neun Monat clean bin und einen Job habe“, sagt eine junge Frau. Die anderen Teilnehmer klatschen Beifall.
„Bei uns werden die Abhängigen nicht verurteilt. Deshalb kommen sie zu uns“, sagt Lori Erion. Die 57 Jahre alte Mutter hat FOA vor vier Jahren zusammen mit anderen Betroffenen gegründet, um ihrer drogensüchtigen Tochter zu helfen. Mittlerweile treffen sich jede Woche mehrere hundert Abhängige, Familienangehörige und Helfer in Dayton und anderen Orten. Es gebe kein Patentrezept, das für alle Drogensüchtigen gelte, sagt Erion. „Wir können nur versuchen, jedem einzelnen zu helfen.“ FOA unterstützt die Abhängigen bei der Suche nach Entzugsplätzen. Wer clean ist, wird in ein Half-Way-House vermittelt, das sind Wohngemeinschaften, in denen die Abhängigen wieder einen normalen Tagesablauf erlernen. Morgens aufstehen, Frühstück machen, den Kühlschrank putzen. Es sind viele kleine Schritte, mit denen das von Drogen zertrümmerte Leben wieder aufgebaut wird.
Auch Azaray und Honor sind an diesem Abend bei dem Treffen. Trotz der späten Stunde ist Honor noch munter, zieht ihre Mutter am Arm durch den Raum. Drei Monate habe sie in einer Entzugsklinik verbracht, erzählt Azaray. Jetzt sei sie glücklich, wieder bei ihrer Tochter zu sein. Sie hält deren kleine Hand, während das Mädchen glucksend durch den Saal läuft. Azaray weiß, dass sie noch einen langen Weg vor sich hat. Vor Kurzem hatte sie einen Rückfall. „Wieder eine Überdosis“, sagt sie und ihre Stimme klingt müde und resigniert. Das zweite Mal in diesem Jahr. Azaray wird für den Rest ihres Lebens gegen die Sucht ankämpfen müssen. Nur dann hat Honor eine Chance.
Leser*innenkommentare
rero
Natürlich hätte der Junge auch sterben können, wenn er Haushalsreiniger getrunken hätte oder vom Auto überfahren worden wäre.
Ist er aber nicht. Und genau das macht den entscheidenden Unterschied.
Deshalb hat es sehr wohl per se mit Drogen zu tun.
Rudolf Fissner
Donald Trump hat übrigens Oktober 2017 deswegen den gesundheitlichen Notstand ausgerufen: http://www.handelsblatt.com/politik/international/opioidepidemie-trump-verhaengt-wegen-drogenkrise-gesundheitsnotstand/20511796.html
Velofisch
Das Beispiel des kleinen Lee ist zwar herzzerreißend aber unpassend. Lee wäre auch gestorben hätte er einen Zigarettenstummel gegessen. Er hätte auch sterben können, wenn er ein für Erwachsene lebenswichtiges Medikament geschluckt oder Haushaltsreiniger getrunken hätte. Das hat nichts per se mit diesen Drogen zu tun.
Ansonsten ist der Artikel sehr treffend und gut geschrieben. Wir können uns inzwischen über Medikamente optimieren. Es geht nicht mehr (nur) um den Rausch oder die Flucht aus der Realität. Es geht um eine Selbstoptimierung mit mittel- bis langfristigen Nebenwirkungen. Wir können mit diesen Substanzen heute mehr leben, müssen dies aber morgen bezahlen. Von daher ist das nicht viel anders als ein unüberlegter zu hoher Kredit, der einen in die Schuldenfalle treibt.
supergeil
Upper, downer, alles easy, man trifft sich in der Mitte.
Pfanni
„Ganze Gemeinden zerbrechen am Rauschgift“
Mögen alle diesen Beitrag lesen, die die Freigabe von Rauschmitteln hierzulande fordern, ja sogar schon eine „Hanfparade“ hierfür veranstaltet haben. Mit tatkräftiger Unterstützung von „Linken“ und „Grünen“. Schädlicher als Alk und Tobak sei Cannabis doch gar nicht (und vielleicht gibt’s ja auch bald „Bio-Gras“) !
So wird der Eindruck vermittelt, Rauschgiftgenuss sei fast schon ein Menschenrecht. Und außerdem ginge es ja „nur“ um Cannabis. Falsch! Denn das wäre nur ein erster Schritt zur Freigabe aller Rauschmittel, die weiteren würden nach und nach folgen, bzw. erkämpft werden.
Die Zeche zahlen am Ende zunächst mal die Süchtigen selbst, indem ein mehr oder weniger großer Teil des Einkommens für „Hasch“ draufgeht und sie womöglich an den Spätfolgen der Sucht leiden werden. Außerdem Arbeitslose, die den dann voraussichtlich kommenden Drogentest bei der Einstellung nicht bestehen.
Darüber hinaus auch alle Krankenkassen-Beitragszahler, die außer für die Behandlung von Qualmern, Säufern und Extremsportlern, dann auch verstärkt für Kiffer aufkommen müssen!
33293 (Profil gelöscht)
Gast
@Pfanni Hier biete ich Ihnen eine etwas differenziertere Art der Betrachtung an. Sie werden allerdings einiges lesen müssen: Differenzierung eins: Es gibt verschiedenen Art von `Drogen`. Der Konsum einige dieser Substanzen, die unter diesem Begriff subsumiert werden sind tatsächlich für den einzelnen und die Gesellschaft von geringem Schaden, können unter Umständen sogar der geistigen Gesund dienen (siehe dazu1.: //http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/rangliste-alkohol-gefaehrlicher-als-ecstasy-und-lsd-a-473515.html. ---- 2.://http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/rangliste-alkohol-gefaehrlicher-als-ecstasy-und-lsd-a-473515.html). Des weiteren geht es in den vorliegenden Artikel ja über Substanzen, die von der Pharmaindustie genutzt werden um Sucht zu erzeugen. Es geht also nicht um den Lustgewinn des Einzelnen in freier Entscheidung eine Substanz zu nehmen, sondern um die Zuführung suchterzeugender Substanzen durch einen Dritten. Ein beträchtlicher Unterschied. Womit ich zum Schluss komme: Nicht Haschisch etc. sollte illegal sein, sondern die Macht der Konzerne (Pharma) sollte gebrochen werden. Denn, obwohl die Geschichte des Drogenverbots weit in der Vergangenheit reicht und wahrscheinlich mit den christlichen Missionaren ihren Anfang genommen haben mag, so war es doch zu Beginn des 20 Jhd. vor allen die Pharmaindustrie und die Texilindustrie, welche das Verbot Psychoaktiver Substanzen befeuert haben. Es ging schlicht um Marktmacht. Das Ergebnis sieht man nun in den USA. Die Pharmaindustrie nutzt diese Marktmacht schamlos aus.
Jakob Cohen
Wo haben Sie diesen Schwachsinn her?
Cannabis ist Einstiegsdroge...
In dem Artikel geht es nicht um THC sondern um Fentanyl etc. Und dessen Wirkung.
Es gibt keine Spätfolgen von Cannabis, dass behauptet ja noch nicht einmal die ansonsten überaus verlogenen Pharmaindustrie.
Durch ihren Hinweis auf THC hälftige Produkte verharmlosen sie die enorme Gefahr die in diesem Artikel beschrieben wird.
Aber ich weiß das man solche Leute wie Sie nicht aufklären kann!
EDL
Mitlerweile sprechen sich auch FDP und teile der SPD für eine Legalisierung von Cannabis aus.
Das Suchtpotential von Cannabis liegt weit unter dem von Alkohol und Nikotin und ist fast gänzlich rein psychischer Natur (im Gegensatz zu Alkohol, Nikotin, Heroin, Kokain etc.).
Irreparable Auswirkungen eines Cannabis-Misbrauchs (wenn man so will also Spätfolgen eines Dauerkonsums) sind, sofern nicht im Kinder/Jugendalter exessiv damit begonnen, nicht existent.
Cannabis ist auch Medizin und hilft bei zig Krankheiten und Beschwerden. Wirtschaftlich gesehen dürfte es von Vorteil für die Krankenkassen sein, wenn teure Medikamente eine Alernative finden, die sich jeder im Blumentopf züchten kann. Eine Alternative, die im Gegensatz zu Pharmaprodukten, keine Organe schädigt und kein gefährliches Abhängigkeitspotential besitzen.
Es ist schade, dass in dem Artikel zu wenig die eigentliche Ursache für die Drogenproblematik in den USA beleuchtet wird. Neben sozialem und wirtschaftlichem Abstieg ist das nun mal der leicht mögliche Medikamentenmisbrauch begünstigt durch Pharmakonzerne und Ärzte.
Gesunde Menschen ohne Stress, Sorgen, Not kommen gar nicht auf die Idee Schmerzmittel oder ferner illegale Substanzen einzunehmen um sich das Leben erträglicher gestalten!
Pfanni
@EDL: Leider habe ich mich ungenau ausgedrückt. Mir ging es NICHT um Industriehanf (zur Faserproduktion) und auch nicht um Hanfprodukte für medizinische Zwecke, die erlaubt sind und hierfür erfolgreich angewendet werden. Sondern um die ausdrücklich als Rauschmittel erzeugten und verwendeten Produkte, wie Haschisch und Marihuana. Insofern bleibe ich bei meiner Meinung.
Dass „gesunde Menschen ohne Stress, Sorgen, Not“ gar nicht auf solche Ideen kämen, möchte ich bezweifeln. In manchen Kreisen gehört Haschischgenuss einfach dazu („Hascht du Haschisch in den Taschen, hascht du immer wasch tschu naschen“).
Und für Menschen MIT „Stress, Sorgen, Not“ sollte es Möglichkeiten geben, die Ursachen zu bekämpfen und nicht die Auswirkungen scheinbar erträglicher zu machen!
42161 (Profil gelöscht)
Gast
Zitat:"So wird der Eindruck vermittelt, Rauschgiftgenuss sei fast schon ein Menschenrecht."
Ob Sie es glauben oder nicht, aber "Rauschgiftgenuss" IST ein Menschenrecht, oder besser gesagt, ein Grundrecht, er fällt unter das Grundrecht auf Selbstbestimmung.
GG, Art 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, (...)
Und eben weil der Genuß von Rauschmitteln ein Grundrecht ist, in das der Staat nicht eingreifen darf, ist der Genuß bzw. der Verbrauch von Rauschmitteln auch nicht strafbar - wenngleich auch so ziemlich alle anderen Handlungen, die mit dem Gebrauch von Rauschmitteln in Verbindung stehen, also Erwerb, Besitz, Handel, Weitergabe, Einfuhr, Ausfuhr etc., welche aber im Hinblick auf den Schutz der gleichen Rechte von Anderen strafbar sind.
Die Legalisierung von Cannabis wäre in der Tat nur ein erster Schritt zur Freigabe aller Rauschmittel, ein Schritt allerdings, der nur zu begrüßen wäre, weil damit der Weg in eine sinnvolle Rauschmittelpolitik geöffnet werden würde.
Wenn die Verbraucher von Rauschmitteln in Zukunft die Zeche selbst zahlen, dann wäre dies durchaus eine Maßnahme im Sinne einer vernünftigen Rauschmittelpolitik, weil eine solche nur das Ziel haben kann, die Verantwortung der Verbraucher zu fördern. Mit dem Verbrauch von Rauschmitteln entstehen gewisse besondere Risiken, die von den Verbrauchern selbst getragen werden sollten, und gegen die sich die Verbraucher auch besonders absichern sollten. Deshalb wäre es eine vernünftige Maßnahme, wenn Verbraucher eine Konsumversicherung abschließen würden, um bei möglichen Unfällen die Krankenkassen nicht zusätzlich zu belasten.
Und zuletzt: Die Tatsache, daß ein Mensch Rauschmittel verbraucht, sagt zunächst einmal nichts über seine Fähigkeiten aus, weshalb auch Drogentests bis auf wenige Ausnahmen nicht dazu führen dürfen, daß Arbeitslose nicht eingestellt werden.
- Dies war ein Plädoyer für die Etablierung einer Rauschmittel-Lehre im deutschen Bildungssystem. -
Rudolf Fissner
Was dabei nicht zu vergessen ist. Es gibt die Diskussion und die Forderung um Schmerzfreiheit als Menschenrecht.
Demnach wird sich so mancher Arzt in den USA geradezu verpflichtet gefühlt haben, die süchtigmachenden Schmerzmittel auch zu verschreiben.
GarretJaxt
Schlecht recherchiert. Wer produziert denn Oxycontin in USA UND z. B . in Deutschland? Wer hat es in den Markt gedrückt und 2007/ fast 700 Mio Dollar Strafe gezahlt? Doch nicht die genannten Konzerne. Da nuss man natürlich schon ein paar Minuten mehr googeln. Tip: Die Zeit und LA. Times. Stichwort : Opoid war.
Jan Berger
Es ging glaube ich eher um die Auswirkungen der Drogenschwemme auf die Gesellschaft und nicht in erster Linie um Schuldzuweisungen.
Aber erst mal "schlecht recherchiert" rufen. -_-
Picard
Ich finde den Artikel lohnend und aufschlußreich. Besser kann Aufklärung nicht gelingen, indem man anstehende Probleme deutlich macht und beim Namen nennt. Hier hat sich jemand sehr viel und gute Arbeit gemacht.
Daß Ideologie eine gedanklich wirksame Droge sein kann, wird mit dem Studieren der Kommentare nebenbei klar. Wer nicht bekommt, was er sich in seinem unreflektierten Hirn einbildet, empfindet was nicht ihn selbst betrifft, äußerlich fremd und gefährlich. Durchhalten, Taz!
El-ahrairah
Der amerikanische Traum ist ausgeträumt . Der Schmerz wird betäubt.
SomeoneOutThere
Ich muss Ihnen offen sagen, dass ich diesen Artikel teilweise unreflektiert finde. Zumindest von der taz hätte ich mir einen besseren Umgang mit dem Thema gewünscht. Ich werde Ihnen auch meine Zeit dafür Opfern, Ihnen genau zu erklären, warum ich so denke.
"sie trinken Schnaps aus der Flasche. [...] In seinem Blut finden die Ärzte Fentanyl. Drogen – eine tödliche Menge." Und Schnapps ist wohl keine Droge? Hier beschwören Sie eine allgemeine Gefahr, wobei es sich doch eher um das Problem einer einzelnen Substanz handelt - nämlich deren Potenz und damit zusammenhängende schwierige Dosierbarkeit. Sowas kenne ich von der Springerpresse. Schon mal gewundert, warum gerade diese Substanz gebraucht wird?
"tödlichen Pulver" Das Pulver ist in sich natürlich tödlich. Klar, Dosis ist egal.
"Süchtige" Gebraucher*in=Süchtige. Ist ein Unterschied, nicht?
"Rauschgift" BKA-Sprech.
"Jedes Jahr wird in den USA die Bevölkerung einer Kleinstadt durch Drogen ausgelöscht." Was sind denn nun Drogen?
"Rauschgifttote" Sind das auch Alkoholtote?
"Und sie zerfrisst die Gesellschaft." Sprachliche Floskeln um das Horrorszenario zu bekräftigen? Ja, die Situation ist schlimm, aber warum solche Phrasen?
"Firmen, für die es immer schwieriger wird, Arbeiter zu finden, die bei der Einstellung den Drogentest bestehen." Und das liegt nicht daran, dass Cannabis eine so hohe Nachweiszeit hat? Und warum fordern Arbeitgeber*innen dort allgemein "Drogentests"?
"Wer clean ist, wird in ein Half-Way-House vermittelt, das sind Wohngemeinschaften, in denen die Abhängigen wieder einen normalen Tagesablauf erlernen." Das scheint mir ein sehr unkritischer Blick auf diese Art Einrichtung zu sein.
Für dieses sensible Thema ist mir der Artikel zu reißerisch geschrieben. Ein Thema, wo es sich gelohnt hätte weiter nach dem warum zu fragen - gerade bei einer linken Tageszeitung. Es ist nicht nur der Verfügbarkeit einer Substanz, die zu solchen Problemen führt, das Lebensumfeld gehört auch dazu.
42161 (Profil gelöscht)
Gast
Ich denke mehr oder weniger das Gleiche, ich wollte es nur nicht so schreiben, weil mir das Herummäkeln an einem grottenschlechten Artikel wenig konstruktiv und vor allem wenig fruchtbar erscheint. Immerhin geht es hier doch um ein ernstes Thema. Aber ja: Die BILD-Zeitung hätte es nicht besser gekonnt.
Zitat:"Denn die Schuldigen der Drogenepidemie sitzen in den Vorstandsetagen der Pharmaindustrie."
Es sollen also die bösen Bosse der Pharmaindustrie sein, die dafür verantwortlich sind, daß Babys sterben, und daß Mütter ihre Kinder unverholen auf den Strich schicken, und daß ein ganzes Land im Abgrund zu versinken scheint. Aha, da weiß man doch gleich, wen man ins Visier nehmen und wen man bekämpfen soll. Der Rest des Artikels ist Makulatur.
Tja, wenn es nur so einfach wäre, dann müßten wir nur die Bosse bestrafen, ein bischen Wirbel machen und für ein paar Gesetzesänderungen sorgen und schon wäre das Problem gelöst.
Nur, leider, so einfach ist es nicht. Eine sinnvolle Politik zum Umgang mit Rauschmitteln setzt nicht bei den Mitteln an und schon gar nicht bei den Menschen, die solche Mittel produzieren und vertreiben, sondern sie setzt bei den Menschen an, die solche Mittel verbrauchen, eben weil das Problem nicht die Mittel sind, sondern die Verbraucher, oder besser gesagt, ihr Unvermögen, mit den Mitteln sinnvoll umzugehen.
Die Formel ist einfach: Sind sie zu stark, bist du zu schwach. Die Lösung wäre also, entweder Bedingungen zu verbessern oder Fähigkeiten zu fördern. Beides muß geschehen, weil Vermögen und Unvermögen in Relation zur Umwelt stehen.
Was wir also brauchen, ist eine Lehre, mit deren Inhalten und Methoden der Gebrauch von Rauschmitteln unterrichtet werden kann. Doch dazu brauchen wir erst einmal einen grundlegenden Paradigmenwechsel, und eine Ethik, die mit neuen Normen die Eignung der Verbraucher zur Prämisse des Handelns macht. Was wir also brauchen, das sind neue Prämissen, und ein modernes Brauchtum, das auf diesen Prämissen beruht.
Jakob Cohen
Sie hätten den Artikel lesen sollen, als nur daraufhin zu untersuchen ob er reißerisch ist oder nicht. Vielleicht wäre Ihnen dann auch Fakten aufgefallen, die die von Ihnen in Schutz genommene Pharmaindustrie doch als Verursacher des Drogenproblems erkennen lässt!
Sie hätten die Frage nach der Verursachung des Drogenmissbrauch beantworten können, wie es aus dem Anfang des Kommentars erwartet hatte.
Statt dessen, viel leere Luft!
42161 (Profil gelöscht)
Gast
"Sie hätten die Frage nach der Verursachung des Drogenmissbrauch beantworten können, wie es aus dem Anfang des Kommentars erwartet hatte."
Ja, möglich, aber nicht mit 2000 Zeichen im Kommentarbereich der TAZ und das auch noch mit der Aussicht, meine Arbeit nicht veröffentlicht oder nicht bemerkt zu sehen, da könnte ich auch jeden Tag mein Fahrrad neu streichen. Ich beschränke mich also weiterhin darauf, Denkanstöße zu geben.
Wuff
Es ist ein bisschen so wie im Fernsehen: Sehr sachliche Dokus gucken nicht viele, entsprechende Zeitungsartikel werden nach dem ersten Absatz nicht mehr weitergelesen. Ich gebe Ihnen recht, der Artikel ist reisserisch geschrieben, aber das macht ihn doch interessant! Halten Sie denn die Zeitungsleser nicht für fähig, das reisserische und die Fakten zu trennen?
Zum Artikel: Ich frage mich, mit welchem zeitlichen Abstand auch diese Welle Deutschland erreichen wird? Bis jetzt ist noch jede "Mode" irgendwann auch hier aufgetaucht.
Arne Babenhauserheide
Mein Arzt verschreibt in den letzten Jahren deutlich häufiger erstmal Schmerzmittel, z.B. bei Nebenhöhlenentzündung - interessanterweise habe ich kurz bevor das anfing einen Artikel gesehen, in dem stand, dass Schmerzmittel bei vielem helfen.
Jetzt frage ich mich, von wem der Artikel finanziert wurde :/
Christoph Wagenseil
Ich finde es spannend, dass hier vollkommen ohne wirtschaftliche Entwicklung, Abstiegsängste und ähnliches ausgekommen wird. Statt nach motivationalen Gründen zu fragen, geht es nur um Interessen von Pharma-Konzernen, die zu viele und zu gute Schmerzmittel verschreiben. Und da es eine amerikanische Story ist, wäre zudem denkbar, dass dort das Thema eignet, um mit dem Thema Obamacare in Verbindung gedacht zu werden. Jedenfalls läuft das - die Linie der übernommenen Anekdoten und Beispiele - doch darauf hinaus, den Zugang zu den medizinischen Schmerzmitteln zu beschränken. Warum nur wird hier ein Thema, das sich links eignet, rechts abgehandelt, und das in der Taz?
Ano Nym
Es geht tatsächlich nicht um "Entwicklung, Abstiegsängste und ähnliches"...
Es geht um die massenhafte Verschreibung von Opitaten und die daraus resultierende Abhängigkeit, gerade in der (evtl leicht gehobenen) Mittelschicht... Es sind nicht die typischen armen Schweine (kaputtes Elternhaus, Ghetto, Perspektivlosigkeit), die dort süchtig werden, sondern Mütter, Hausfrauen, Vielarbeiter, 2-Auto-Besitzer...
42161 (Profil gelöscht)
Gast
Zitat:"Azaray wird für den Rest ihres Lebens gegen die Sucht ankämpfen müssen."
Sehr geehrter Harald Maass,
man kann nicht "gegen die Sucht ankämpfen", zum Einen, weil Sucht keine Krankheit ist, zum Anderen, weil "Sucht" nicht vernichtet und somit auch nicht bekämpft werden kann.
Das, was der Volksmund und leider auch heute noch große Teile der Fachwelt als "Sucht" bezeichnen, ist ein neurobiologischer Anpassungsprozeß des Organismus an erhöhte Konzentrationen von Substanzen im Blutkreislauf. Die physiologischen Entzugserscheinungen sind ebenfalls (rückläufige) Anpassungsprozesse an verringerte Konzentrationen im Blut. Die Fähigkeit zur Anpassung ist ein Überlebensmerkmal von Organismen. Auf der biochemischen Ebene ist Sucht ist also keine Krankheit, sondern eine LEISTUNG des Organismus.
Auch auf neuropsychologischer Ebene kann "Sucht" nicht als Krankheit aufgefaßt werden. Die neuropsychologische Abhängigkeit von körpereigenen Opioiden ist natürlich und ebenfalls ein Überlebensmerkmal. Endorphine sind für die menschliche Funktionalität notwendige Bestandteile, Abhängigkeit ist also NOTWENDIG.
Die neuropsychologische Abhängigkeit von künstlichen Opioiden geht aus Verhaltensweisen hervor und beruht damit auf KONDITIONIERUNG. Die sogenannte "psychische Abhängigkeit" von künstlichen Opioiden ist also einem Lernprozeß zuzuschreiben, der von den Verbrauchern durch den Verbrauch der Mittel selbst eingeleitet und fortgeführt wird.
"Sucht" stellt sich damit als ein natürlicher PROZEß dar, der durch LERNEN und ANPASSEN bewußt gelenkt werden kann.
Künstliche Opioide sind wie das Glück aus der Tube, sie sind praktisch und schnell zur Hand. Die größte Gefahr von Opioiden liegt deshalb auch in ihrem Nutzen, weil sie als Schnellstraße zum Glück den kürzesten Weg bereit halten, und sie sind vor allem dort eine Gefahr, wo andere Wege zum Glück fehlen. Wer "Sucht bekämpfen" will, muß das wahre Glück fördern, weil nur die NATUR eine Alternative zur KUNST sein kann.
Ute Krakowski
@42161 (Profil gelöscht) was ein Schwachsinn! Bitte auf den Boden der Tatsachen zurückkommen, Danke!
Jan Berger
@42161 (Profil gelöscht) Und könnten wir jetzt wieder zum Wesentlichen des Themas zurückkommen? Ich bezweifle, dass Wort-Definitionen und Bedeutungen das Hauptproblem der Gesellschaft sind.
42161 (Profil gelöscht)
Gast
"Und könnten wir jetzt wieder zum Wesentlichen des Themas zurückkommen? Ich bezweifle, dass Wort-Definitionen und Bedeutungen das Hauptproblem der Gesellschaft sind."
Hier geht es nicht um Wortdefinitionen sondern um die Auffassung von Sucht, also um ein Paradigma, das seinerseits verantwortlich dafür ist, daß wir in unserer Gesellschaft (wie auch in anderen Gesellschaften) nicht zu Werten und Normen finden, die das Problem des Umgangs mit Rauschmitteln beseitigen helfen. Dieses Paradigma ist das zentrale Element, es ist sozusagen die Wurzel allen Übels. Wenn Sie das für nebensächlich halten, dann haben Sie offenbar das Problem noch nicht erkannt.
Markus Müller
Vielen Dank für diesen Beitrag.
So habe ich das noch nie erklärt gefunden.
Age Krüger
Es gibt tatsächlich Untersuchungen, die in diese Richtung gehen und festgestellt haben, dass man, wenn der Körper sich gegen Abhängigkeiten wehrt, dies auch ein Hinweis auf eine Gesundheitsproblematik sein kann.
So hat man festgestellt, dass in der Gruppe von Menschen, die leicht mit dem Rauchen wieder aufhören konnten, also wohl wenig Abhängigkeit zum Nikotin entwickelt haben, mehr Personen später an Parkinson erkrankten als diejenigen, die deutliche Entzugsschwierigkeiten haben. Ich weiß aber nicht, inwieweit diese Studie verifiziert wurde, weil man als Raucher ja auch früher stirbt, insofern die Gefahr, an Parkinson zu erkranken an sich schon geringer ist.
Cededa Trpimirović
Class action law suits?