Wegen eines Hotelneubaus: 200-jährige Eiche soll weichen
Am ehemaligen Omnibusbahnhof im schleswig-holsteinischen Heide sollte eine alte Eiche für ein Hotel gefällt werden. Bürger haben die Pläne gestoppt.
Aktuell prüfe die Kommunalaufsicht die Unterschriften, berichtet Heides Rathaussprecher Christoph Hecht. Nach ersten Zählungen reicht es für einen Bürgerentscheid. Dieser würde den geplanten Hotelbau verzögern, vielleicht sogar unmöglich machen, falls der Investor abspringt. „Das Thema kocht hier grade richtig hoch“, sagt Hecht.
Dabei schien aus Sicht der Verwaltung alles geklärt. Bereits 2019 hatte der Bauausschuss der 22.000-Einwohner*innen-Stadt empfohlen, den ZOB an den Bahnhof zu verlegen, damit Reisende, die von der Bahn in einen Überlandbus umsteigen wollten, nicht mehr durch die halbe Stadt laufen müssen. Der alte ZOB steht inzwischen leer. Ein „städtebaulicher Missstand“, sagt Hecht.
Da kam aus Sicht der Stadt der Hamburger Investor gerade recht, der ein Hotel mit rund 80 Zimmern und ein Apartmenthaus mit 25 Mini-Wohnungen für längere Aufenthalte bauen will. Das Grundstück ist aus planerischer Sicht ein Filetstück, da es einerseits an der Durchgangsstraße, andererseits noch in Laufnähe zum Bahnhof und noch näher am Marktplatz liegt. Der ist mit rund 4,7 Hektar der größte unbebaute Markt Deutschlands und Heides Wahrzeichen.
Anfangs keine Bedenken
Der Stadtrat stimmte den Plänen zu, auch aus Sicht der Bürger*innen gab es anfangs keine Bedenken: Bei einer Versammlung im vergangenen Herbst – das Protokoll ist auf der Homepage der Stadt zu finden – drehten sich die meisten Sorgen darum, dass Hotelgäste den Einheimischen die Parkplätze wegschnappen könnten. Heides Bürgermeister, Oliver Schmidt-Gutzat (SPD), warb für den Bau: Die Stadt entscheide sich mit dem Hotel für die Weiterentwicklung. „Heide muss sich anpassen“, so Schmidt-Gutzat.
Doch kurz vor dem Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung starteten die Heiderinnen Claudia Kracht, Susanne Leonhardt und Constanze Windberg eine Unterschriftensammlung, um die alte Eiche und ein Dutzend weiterer Bäume zu retten. Am Tag vor Heiligabend überreichten die Initiatorinnen ihre Listen im Rathaus.
Um sie fristgerecht an die Kommunalaufsicht schicken zu können, seien eigens Stadtbeschäftigte aus dem Weihnachtsurlaub geholt worden, berichtet Sprecher Hecht. Dass einige Bäume verschwinden müssen, sei „schade“, sagt er. Aber im Sinne einer Verdichtung der Innenstadt sei die Bebauung sinnvoll.
Ökologisch wertvoll sei die Fläche nicht, heißt es in einem Gutachten der Naturschutzbehörde. Sie stellte eine „stark eingeschränkte Bodenfunktion“ fest. Die großen Bäume könnten zwar Tieren als Siedlungsraum dienen, doch wegen der Lage an der Straße sei „von einer gering ausgeprägten Artenvielfalt auszugehen“.
Der BUND Dithmarschen widerspricht: Mehrere der 15 Bäume, die für den Hotelbau geschlagen werden müssten, seien ortsbildprägend, darunter neben der 200-jährigen Stileiche eine Blutbuche und mehrere Ahorne. „Die Stadt Heide verfügt über verhältnismäßig wenige Bäume dieser Größenordnung“, schreibt der BUND. „Gerade diese aber sind in der Lage, das Mikroklima in der Stadtmitte positiv zu beeinflussen.“
Sowohl Klima- und Naturschutz als auch die Ethik würden es gebieten, diese alten Bäume zu bewahren und einen anderen Standort für einen Hotelneubau in der Stadt zu suchen. Die Stadt habe sich immerhin verpflichtet, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in der Bauleitplanung umzusetzen: „Diese Ziele werden hier geradezu konterkariert.“
Der BUND und auch die Bürgerinitiative schlagen vor, das Hotel auf einem Grundstück westlich der Bahnschiene zu bauen. In die Planungen der Stadt würde das nicht passen, sagt deren Sprecher: Auf dem zurzeit noch freien Platz könnte ein neues Kreis- und Rathaus entstehen. Vor allem hänge es vom Investor ab: „Er sucht eben ein Innenstadt-Grundstück.“
Ein Weg, um die Bäume zu retten, wäre, sie umzupflanzen. „Wir haben das geprüft“, sagt Hecht. Doch angesichts von mehreren 100.000 Euro Kosten bei unsicherem Erfolg sei die Idee verworfen worden.
Die Grünen in Heide hoffen auf den Bürgerentscheid: „Wenn die Parteien im Stadtrat so sicher sind, dass ihre Entscheidung für einen Hotelneubau dem Willen der Bevölkerung entspricht, dann dürften sie keine Angst davor haben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke