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Weibliche AltersarmutMehr Geld für Frauen!

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Trotz Vollzeitjobs und 40 Jahren Erwerbsarbeit bekommen Millionen Frauen eine Rente von unter 1.000 Euro. „Frauenjobs“ müssen endlich aufgewertet werden.

Im Arbeitsalltag viel Verantwortung, im Altersalltag wenig Rente, Erzieherin mit Kita-Gruppe Foto: Peter Kneffel/dpa

S tellen Sie sich vor, Sie sind eine Frau, steigen mit Mitte 20 ins Berufsleben ein, arbeiten 40 Stunden in der Woche, also Vollzeit, und ziehen das mindestens 40 Jahre durch. Sie bekommen vielleicht noch Kinder und kehren nach kurzer „Familienphase“ auf Ihre Vollzeitstelle zurück. Sie machen das, weil Sie regelmäßig lesen, dass Sie, sollten Sie weniger arbeiten, in der Altersarmut landen. Das wollen Sie natürlich unbedingt vermeiden.

Aber dann bekommen Sie Ihren Rentenbescheid – und darauf steht eine Zahl, die Sie erschreckt, denn Sie haben sie nach lebenslanger Schufterei so nicht erwartet: ein Altersgeld von rund 1.100 Euro brutto. Davon bleiben, nach Abzug von Steuern, Kranken- und Pflegekassenbeiträgen, nicht einmal 1.000 Euro netto. Sollte das bei Ihnen so sein, sind Sie eine von 2,7 Millionen Frauen, denen es dem Arbeitsministerium zufolge genauso geht.

Und dann fragen Sie sich, sollten Sie allein leben, ganz gewiss: Wie soll ich davon meine Miete bezahlen? Heizen, einkaufen, kochen? Es ist ein fieser wie bekannter Kreislauf: Wer wenig verdient, bekommt eine geringe Rente. Davon betroffen sind vor allem Frauen. Sie beziehen laut dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen eine Durchschnittsrente von 809 Euro im Westen, im Osten 1.072 Euro. Männliche Ostrentner bekommen durchschnittlich etwa 70 Euro mehr, Westrentner im Schnitt 400 Euro mehr.

Bislang gilt: Frauen haben ein geringeres Ruhegeld, weil sie seltener als Männer Vollzeit arbeiten, längere Familienphasen haben und danach meist auf Teilzeitstellen ausweichen. Die Regel „Arbeite Vollzeit für eine auskömmliche Rente“ ist durch die aktuellen Zahlen des Hauses von Hubertus Heil (SPD) nun gebrochen. Das ist ein Skandal.

Denn schlecht bezahlt werden vor allem Jobs, in denen überwiegend Frauen arbeiten: in der Kranken-, Pflege- und Erziehungsbranche, im Dienstleistungssektor, in Büros, in der Postzustellung. Stellen, ohne die der Alltag der meisten Menschen zusammenbrechen würde. Diese „Frauenberufe“ müssen besser bezahlt und damit aufgewertet werden. Sofort!

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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7 Kommentare

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  • Auch ein auf die Zukunft ausgerichteter Aussgleich würde am bestehenden Übel kaum etwas ändern.

    Das Problem besteht jetzt, und notwendig ist ein Ausgleich, der jetzt greift. Alles, was auf eine weiter entfernte Zukunft ausgerichtet ist, enthält erfahrungsgemäß den Faulfraß in sich selbst, weil es jedwede zukünftige Regierung je nach Kassenlage oder neu aufkommender Spitzfindigkeiten wieder untergraben kann, bevor es überhaupt wirksam geworden ist.

  • Das stimmt ja alles. Aber das Hauptproblem sind niedrige Löhne. Und die betreffen auch viele Männer.

    Statt einen Geschlechterkampf aufzumachen, sollten wir uns lieber mit den betroffenen Männern zusammentun und gemeinsam gegen das Hauptübel vorgehen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wo wird in dem Artikel denn ein Geschlechterkampf aufgemacht...?

      Es ist sicher richtig, diese "Frauenberufe" besser zu bezahlen. Trotzdem lösen höhere Löhne nicht das ganze Problem. Es gibt nämlich eine Menge gänzlich unbezahlter Arbeit, die auch überwiegend von Frauen gemacht wird. Diese Arbeit ist zum größten Teil überaus wichtig bzw. gesellschaftlich notwendig.



      Und es wäre falsch, sie auch in Erwerbsarbeit umzuwandeln, siehe dazu www.nzz.ch/meinung...ckgasse-ld.1715474

      Deswegen gehören Menschen unabhängig von Erwerbsarbeit und Erwerbsbereitschaft finanziell abgesichert, ein Leben lang.



      Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen.



      (Ich weiss schon, dass ich mich gelegentlich wiederhole...)

      • @Eric Manneschmidt:

        "Mehr Geld für Frauen!"

        Muss eigentlich heißen "Mehr Geld für Niedriglöhner". Eine Aufteilung nach Geschlechtern spaltet nur.

        "Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen.

        (Ich weiss schon, dass ich mich gelegentlich wiederhole...)"

        Ja. Sie lassen keine Gelegenheit aus :-)

        PS: Den eigenen Haushalt zu führen ist keine "Arbeit", sondern eine Notwendigkeit, wenn man nicht Verhungern und Verdrecken will. Die Tätigkeiten unter den Mitgliedern des Haushaltes gerecht aufzuteilen, können nur die Mitglieder des Haushaltes machen.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Den eigenen Haushalt zu führen ist keine "Arbeit", sondern eine Notwendigkeit"

          Und die Angehörigen pflegen ist auch keine Arbeit oder wie?

          Machen beides überwiegend Frauen.

          Kochen, putzen, Haushalten, Kindergeburtstage organisieren, Kinderklamotten kaufen sind alles Notwendigkeiten aber eben auch gleichzeitig Dinge, für die es auch Berufe gibt.

          Sie mögen ja glauben das es alles "Schnee von Gestern" ist aber die Realität sieht nunmal so aus das die Frauen einen grossteil dieser Aufgaben übernehmen und dafür weniger verdienen können.

          Unser Steuersythem fördert ein solches Verhalten durch das Splitting.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Das mit der gerechten Aufteilung der Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege usw. kann aber nur dann wirklich gerecht funktionieren, wenn beide vergleichbar hohes Einkommen haben.



          Verdienen Frauen weniger, werden sich immer die Männer mehr auf ihren Beruf außer Haus konzentrieren, ranklotzen, Überstunden machen, berufliche Weiterbildung auch in der Freizeit vorantreiben usw. Einfach, weil sich dieser Einsatz bei ihnen mehr lohnt, was ihnen ein Blick in den Geldbeutel bestätigt.



          Und die unbezahlte und evtl. auch ungeliebte Arbeit zu Hause bleibt bei der Frau hängen, der Mann kann dort einfach nicht so viel Zeit investieren, er muss für Einkommen sorgen, siehe oben.



          Ich plädiere auch für das bedingungslose Grundeinkommen.

          • @abraxas:

            "Das mit der gerechten Aufteilung der Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege usw. kann aber nur dann wirklich gerecht funktionieren, wenn beide vergleichbar hohes Einkommen haben."

            Das ist doch Schnee von Gestern. In einer modernen Beziehung spricht man sich sinnvoll ab. Und das letzte, was man tut, ist sich gegenseitig die Handgriffe vorzurechnen.

            Sollte noch jemand in den 50ern festhängen, schmeißt Frau ihn raus. In der DDR funktionierte das wunderbar. Trotz Lohngefälle.

            PS: Wie stellen Sie sich eigentlich gleichgeschlechtliche Partnerschaften vor? Wer beutet da wen aus?