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Philosophie über HoffnungWer hofft, umarmt das Unbekannte

Über die Rolle von Hoffnung in der Klimakrise wird oft gestritten. Auch, weil nicht alle das Gleiche meinen, wenn sie davon sprechen.

Hoffnungsvoll oder Hoffnungslos? Klimaprotest auf Mauritius im März 2021 Foto: Christophe Van Der Perre/reuters

Wieder türmen sich schmutzige Teller, Tassen und Töpfe im Spülbecken, der Stapel wächst stetig an. Der Wasserhahn sieht daneben lächerlich klein aus. Aber Abwaschen? Keine Lust. Heute ist nicht der Tag, um Geschirrberge zu versetzen. Hoffentlich kümmert sich die Mitbewohnerin.

Etwa so verstehen die Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen von Extinction Rebellion Hoffnung. Hoffen, dass andere es machen. Die Gruppe lehnt den Begriff vehement ab. Clare Farrell, Mitgründerin von Extinction Rebellion, sagte im Podcast The Ideaspace „Hoffnung ist für mich das Gegenteil der Erkenntnis, dass man etwas tun muss. Ich hoffe, dass jemand anderes das Problem lösen wird.“ Eine solche Haltung hält sie für katastrophal, sie meint: „Die Hoffnung stirbt und das Handeln beginnt.“ Das ist auch der Slogan der Bewegung. Für sie bedeutet Hoffnung in erster Linie Passivität. Deshalb sei Hoffnung die falsche Antwort auf die Klimakrise. Aber wenn Hoffnung die Ak­ti­vis­t:in­nen nicht antreibt, was ist es dann? Wieso engagieren sie sich trotzdem?

Aktivimus entsteht durch Wut

Empirische Forschung dazu, was Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen von Hoffnung halten, gibt es wenig. Für meine Masterarbeit habe ich manche von ihnen zu diesem Thema interviewt. Viele Ak­ti­vis­t:in­nen sagen: Das Handeln, also die Waldbesetzungen, die Demos, das alternative Leben, ließe zwar hoffen, aber das Hoffen selbst führe umgekehrt nicht zum Handeln. Aktivismus entstehe eher durch Wut. Wut auf das politische System, auf Politiker:innen, die nicht schnell und umfangreich genug handeln. Noch motivierender sei aber das Gefühl, einem System zu trotzen. Aktiven Widerstand zu leisten.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Phi­lo­so­ph:in­nen irritiert dieser negative Blick auf die Hoffnung oft. Für viele von ihnen ist Hoffnung etwas Positives. Hoffnung sei eine Strategie, um mit Klimaangst umzugehen. Oder eine Tugend, die wir, so gut es geht, ausleben sollten. Was ist mit den Normalos, die nicht aus Wut und Trotz Bäume besetzen? Auch sie leiden unter Naturkatastrophen wie im vergangenen Jahr, als im Ahrtal ganze Häuser vom Erdboden verschluckt wurden. Oder wenn Sommer für Sommer der Wald verbrennt. Dürfen sie noch hoffen, dass sich alles zum Guten wendet?

Der Philosoph Brian Treanor von der Loyola Marymount Universität in Kalifornien argumentiert, der Klimawandel werfe essenzielle Fragen auf, weil er unsere Perspektiven auf die Ordnung und Sinnhaftigkeit der Welt in Frage stellt. Ist die Erde in ein paar Jahrzehnten noch für Menschen bewohnbar? Stirbt die Menschheit aus?

Für Treanor ist Hoffnung die richtige Antwort auf diese existenziellen Ängste. Denn „Hoffnung und Hoffnungslosigkeit sagen jeweils etwas über das Sein an sich aus – über die Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit davon“, schreibt er. Hoffnung habe demnach etwas Lebensbejahendes. Wer hofft, sieht einen Sinn im Leben. Wer sich hoffnungslos fühlt, sieht keinen Sinn. Auch in Bezug auf Angst ist nach dieser Logik eine positive Einstellung zum Leben hilfreicher als eine fatalistische.

Hoffnung ist auch Mathe

Darin, was Hoffnung genau bedeutet, sind sich For­sche­r:in­nen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen uneinig. Hoffnung kann zum Beispiel mathematisch ausgedrückt werden – Hoffnung heißt dann, dass man sich ein bestimmtes Ergebnis herbeisehnt, während dieses mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als null und weniger als eins eintreten kann.

Hoffnung habe eine kognitive sowie eine emotionale Komponente, heißt es häufig. Die kog­nitive Komponente von Hoffnung ermögliche es uns Menschen, uns bestimmte Wege zu überlegen und diese zu gehen, um schließlich zum Ziel zu ­gelangen. Ein Beispiel: Es war das große Ziel von Fußballsuperstar Lionel Messi, einmal in seinem Leben die Herren-Weltmeisterschaft zu gewinnen. Man könnte argumentieren, dass die argentinische Nationalmannschaft dazu auch deshalb in der Lage war, weil sie die Taktik von Spiel zu Spiel neu entworfen und auch erfolgreich ausgeführt hat.

Mit der emotionalen Komponente ist das ermächtigende Gefühl gemeint, das eintritt, wenn Menschen motiviert sind zu handeln, obwohl sie das letztendliche Ergebnis nicht vorhersehen können.

Diese Ungewissheit ist tatsächlich eine Voraussetzung für Hoffnung. Wenn das Ergebnis bereits bekannt ist, sprechen wir nicht vom Hoffen, sondern vom Wissen. Deshalb schreibt die Schriftstellerin Rebecca Solnit: „Hoffnung ist eine Umarmung des Unbekannten und Ungewissen, als Alternative zu der Gewissheit der Optimisten und Pessimisten.“ Sie meint damit: Im Unterschied zu Hoffenden glauben Optimisten und Pessimisten mit Sicherheit zu wissen, was geschehen wird. Die Optimistin ruft: „Das wird schon werden!“ Der Pessimist erwidert: „Das klappt eh nicht.“ Nur die Hoffende lässt Unsicherheit zu: „Ich hoffe, das wird irgendwie.“

Solnits Konzept hat auf den Klimawandel bezogen jedoch einen Haken. Auch wenn kein Klimamodell die Zukunft kennt, werden die Prognosen immer präziser. 1968 war die Genauigkeit der Wettervorhersage für den nächsten Tag so gut wie heute für den sechsten Tag. Das bedeutet wiederum: Der Raum für Ungewissheit wird immer kleiner. Die Art von Hoffnung, die sich auf Ungewissheit gründet, verliert in diesem Fall ihr Potenzial.

Die Zahlen sprechen gegen die Hoffnung, das Herz dafür

Der Philosoph Gabriel Marcel hat darauf eine Antwort. Er schreibt: „Hoffnung besteht in der Behauptung, dass es im Herzen des Seins, jenseits aller Daten, jenseits aller Inventare und aller Berechnungen, ein geheimnisvolles Prinzip gibt, das mit mir im Bunde ist.“ Laut Marcel ist Hoffnung also keine Mathematik. Im Gegenteil, Hoffnung höre nicht auf Zahlen und Daten, sondern auf das Herz. Das ist praktisch, denn zum Klimawandel gibt es einen gigantischen Haufen Daten, die allesamt gegen Hoffnung sprechen. Marcel erinnert daran, dass Hoffnung nicht in der Realität verankert sein muss. Sein Konzept erlaubt, trotz Klimakrise hoffnungsvoll zu sein.

Diese romantische Vorstellung der Hoffnung, mag für manche Menschen jedoch einen zynischen Unterton haben. Indigene For­sche­r:in­nen aus Nordamerika betonen seit Langem, dass die Klimakatastrophe, die viele als aktuell größtes Problem der Menschheit betrachten, für sie schon vor über 500 Jahren eingetreten ist. Dem Genozid an Indigenen, Resultat der europäischen Migration nach Amerika, folgte die Ausbeutung der dortigen Flora und Fauna, der Lebensgrundlage indigener Norderamerikaner:innen. Nun, da eine Klimakatastrophe auch den Rest der Menschheit umzubringen droht, diskutiert die Weltgemeinschaft Handlungsoptionen. Für viele über 500 Jahre zu spät.

Weil die Grundvoraussetzung für Hoffnung individuell unterschiedlich ist, entkoppeln Mo­ral­phi­lo­so­ph:in­nen sie von äußeren Umständen wie dem Klimawandel. Sie betrachten Hoffnung als Selbstzweck. Zu Hoffen schütze einen selbst vor negativen Gefühlen wie Panik und Verzweiflung, argumentiert der Philosoph Philip Pettit. Hoffen tut uns also gut. Eine wertvolle Botschaft der Philosophie könnte also lauten: Wenn die Welt einem keinen Grund zur Hoffnung gibt, so ist man selbst doch Grund genug.

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13 Kommentare

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  • @RUDOLF FISSNER

    Entzückend. Immer noch im "Kapmf der Systeme" verfangen. Sie sind sooo 1970er.

  • @DRABINIOK DIETER

    Die Marktfuzzis haben doch schon längst die Hoffnung gekapert. Wie erklären Sie sich sonst den aufgeblasenen "Marktwert" von Tesla?

    Mögen die alle pleite gehen.

    • @tomás zerolo:

      "Mögen die alle pleite gehen."

      Das ist aber nun eine Hoffnung aus dem tiefsten Keller der Konkurrenz.

  • Wie heißt es bei olle Bloch, der sein Hauptwerk der Hoffnung gewidmet hat:

    "Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt."

  • Herzlich willkommen, zum Finale im Spiel um unsere Lebensgrundlagen. Es stehen sich die Mannschaften "Hoffnung, Glaube, Liebe" und "Umsatz, Wachstum, Profit" gegenüber.



    Geben Sie ihre Wetten ab!



    Frohe Weihnachten!

    • @Drabiniok Dieter:

      Umsatz, Wachstum, Profit(Hoffnung, Glaube, Liebe) wird zusammenbrechen, wenn die Sonne in die Erde stürzt.....

    • @Drabiniok Dieter:

      Ich wette auf Umsatz & Wachstum mit Windkraftanlagen, Wärmepumpen und Wärmedämmung und hoffe, dass das heftig viel Profit abwirft. 🤪

  • Danke, sehr spannend. Mehrere Punkte fallen mir dazu ein:

    (a) wir wissen zwar immer genauer, wie sich das Klima entwickeln wird. Wir wissen aber immer noch zu wenig darüber, wie unsere Gesellschaften darauf reagieren werden. Der Klimabewegung geht es aber sehr darum, dass wir mit dem Fallout (den wir reichlich haben werden: jetzt sehen wir es erst, andere, wie Sie schreiben, schon lange) möglichst gerecht umgehen.

    (b) manche Akteure sind aber eher daran interessiert, dass es möglichst ungerecht zugeht. Sie verbreiten gerne Optimismus (wird schon gutgehen. KERNFUSION!1!!) oder Pessimismus. Der Aktivismus (KLIMAKLEBERTERRORISTEN!1!!) ist ihnen ein Gräuel.

    Die unter (b) sind die neuen Klimaleugner (eigentlich die alten, mit neuer Taktik).

    Also besser hoffen. Und wütend sein.

    • @tomás zerolo:

      Wo sind Sie medial unterwegs, dass Sie von Klimakleberterroristen schreiben?

      Passen Sie auf! Zuviel stöbern in abseitigen rechtspopulistischen Blättchen vernebelt die Wahrnehmung der Realität.

      Und transportiert gleichzeitig deren Wording und geben diesen eine Bedeutung, die sie nicht haben.

  • Ich würde meinen, wenn denn Hoffnung vorhanden ist, ist sie bei vielen ein Ausdruck von Naivität, Fortschrittsglauben, Unwissen über die Akutheit der Bedrohung durch die ökologischen Krisen. Ansonsten gibt es bei den Leuten sicher viel Verdrängung und Ignoranz. Es gibt den allgemeinen Wunsch nach Klima- und Umweltschutz aber, wenig Willen und Einsicht, diese als tatsächliche, konsequente Leitlinien ihres persönlichen und politischen Handelns zu nutzen. Bspw. 2 % leben in Deutschland vegan, 10 % vegetarisch, 57 Kilo Fleisch von Landtieren, 14 Kilo Fleisch von Tieren aus Gewässern konsumieren Deutsche im Schnitt pro Jahr, obgleich bekannt ist, dass Tierproduktion maßgeblich die ökologischen Krisen durch Vergiftung, Zerstörung und Treibhausgasemissionen befeuert. Und wenn mensch denn so gutmütig ist und den Grünen und Linken zumindest einen guten Willen bezüglich Klimapolitik einräumt, so sieht mensch anhand der Wahlergebnisse (Grüne 14,8 %,Die Linke 4,9 %), wie wenig Klima- und Umweltpolitik den Leuten wichtig ist bzw. wie sehr sie sich von den anderen Parteien haben einlullen lassen. Aber ja, jetzige Grünen-Politik lässt da auch nicht groß auf notwendige Klimapolitik hoffen, wenn sie denn mehr Stimmen bekommen hätten ... Insofern kann ich die Aktivisti der Letzten Generation und viele andere Klima- und Umweltaktivisti gut verstehen, wenn sie meinen, selbst Hand anlegen zumüssen.

    • @Uranus:

      Sorry, dieses Gedöns um die Bedeutung von Hoffnung ist mir zuviel. Die nüchterne und realistische Analyse von 'Uranus' trifft. Unser Problem ist unsere krasse Widersprüchlichkeit - im Privaten, Öffentlichen, Politischen...



      Die allermeisten von uns bekunden, nicht Tiere quälen zu wollen, nicht Luft, Böden und Grundwasser vergiften zu wollen, dass uns gesunde Lebensmittel wichtig sind, dass Ausbeutung von Mensch und Natur in Billiglohnländern überall in der Welt nicht gut ist usw. usw.



      Die allermeisten von uns aber leben, handeln, entscheiden so, dass sie/wir all das direkt oder indirekt 'unterstützen' - und haben allerhand Ausreden dafür parat. Das zu ändern, bedarf es neben Willen und Einsicht einer genügend tiefen Betroffenheit, uns alle müssten geradezu wiederholte und heftige innere Erschütterungen heimsuchen angesichts des Leids und der Zerstörung, die unser auf einem Auge blinde Wohlstand unbetstreitbar auch anrichtet.



      Da wiederum sehe ich wenig Hoffnung. Umso mehr wünsche ich uns allen zum neuen Jahr besagte Erschütterungen! Dann könnte es ein hoffnungsvolles Jahr werden, in dem wir notwendige Veränderungen an der Wurzal angehen.

  • Als Aktivist bei Extinction Rebellion habe ich das für mich so definiert:



    Hoffnung ist etwas passives und ich habe keine Hoffnung, dass das mit der Biodiversitätskrise und Klimakrise schon wird, denn die, die es richten müssten, wollen es offenkundig nicht richten. Ich habe jedoch Zuversicht in unser Handeln. Es müssen jedoch noch mehr Menschen ins Handeln aka auf die Straße kommen.



    Hope dies action begins! Die Passivität stirbt, die Aktivität beginnt.

  • Enno Schöningh ist möglicherweise in der Krise. Was treibt ihn, ein sooo dünnes Brett zu bohren statt den Mund zu halten?