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Abgeordneter über Olympia-Gedankenspiele„Es kommt zu Vertreibungen“

Der Abgeordnete Mehmet Yildiz warnt vor Olympia-Bewerbung Hamburgs. Da die Bevölkerung dies 2015 ablehnte, ignorierten solche Pläne deren Willen.

Hatten 2015 eine knappe Mehrheit der Hamburger überzeugt: Olympia-Gegner:innen Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Kaija Kutter
Interview von Kaija Kutter

Hamburg taz |: Mehmet Yildiz, Sie haben 2015 die „NOlympia“-Kampagne in Hamburg initiiert. Sind Sie immer noch gegen die Spiele?

Mehmet Yildiz: Ja, weil sich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dessen Vertragsbedingungen nichts geändert hat. Bedingung ist, dass eine gigantische Infrastruktur und Stadien gebaut werden, wobei die Städte komplett die Kosten übernehmen müssen.

Es ist nicht gut für die Stadt?

Nein, in sämtlichen bisherigen Austragungsorten hatte das negative Auswirkungen, strukturell und finanziell.

Was wissen Sie denn über die neuen Olympia-Pläne?

Bisher nur, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) eine Bewerbung für 2036 oder 2040 erwägt und die Sportbehörde in Hamburg über eine Beteiligung nachdenkt. Deshalb habe ich eine Anfrage gestellt, wie die Pläne aussehen. Als sich die Hamburger 2015 gegen die Olympiabewerbung für 2024 entschieden, ging es grundsätzlich um die Bedingungen von Olympia.

Was war damals passiert?

Im Interview: Neue Bewerbung für Olympia?

Soll Deutschland sich um die Olympischen Spiele in 2036 oder 2040 bewerben? Darüber, ob, und wenn ja, welche Städte dafür in Frage kommen, will der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bis Ende 2023 entscheiden. Angekündigt ist ein Dialog mit Sport, Politik und Gesellschaft.

Weil keine deutsche Kommune eine komplette Infrastruktur mehr vorhält, will der DOSB laut Hamburger Abendblatt mehrere Städte gemeinsam oder eine ganze Region ins Rennen schicken. Auch bei den Winterspielen in Peking 2022 lagen mehrere Hundert Kilometer zwischen den Wettkampfstätten.

Hamburg wäre – wahrscheinlich gemeinsam mit Berlin – einer der Kandidaten für die Sommerspiele 2036 oder 2040, berichtet der NDR. Da sich vor sieben Jahren eine dünne Mehrheit der Hamburger dagegen entschieden hat, sollten diesmal alle Menschen mitgenommen werden. Motto: „Allympics. Für alle. Mit allen“.

Die Hamburger Sportbehörde begrüßt den ergebnisoffenen Dialog. „Grundlage einer deutschen Bewerbung muss eine breite Akzeptanz der Bevölkerung sein“, sagt ihr Sprecher. Deshalb solle die übergreifende Nutzung mehrerer Sportstätten überlegt werden. Es sei die Chance, Menschen anderer Länder willkommen zu heißen und „Verbindungen zu schaffen“.

Hamburg bereitete 2015 schon mal unter dem Motto „Feuer und Flamme“ die Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 vor. Dagegen richtete sich die Kampagne „NOlympia“. Daneben starteten Olympia-Gegner 2015 die Volksinitiative „Stop Olympia Hamburg“. Gleichzeitig forderte die Bürgerschaft von sich aus am 29. November 2015 die Hamburger auf, über die Olympia-Bewerbung abzustimmen. Die knappe Mehrheit von 51,6 Prozent war dagegen.

Es gab ein Bürgerschafts-Referendum, ob 2024 in Hamburg die Sommerspiele stattfinden dürfen. Die Mehrheit, 51,6 Prozent der Hamburger, war dagegen. Bringt der Senat 2023 erneut eine Bewerbung ins Spiel, ignoriert er faktisch diese demokratische Entscheidung.

Ist es nicht legitim, etwas neu zu fragen? Es wird auch alle fünf Jahre wieder gewählt.

Ja, aber es ging damals um eine Grundsatzfrage: Wollen wir unter solchen Bedingungen des IOC die Spiele austragen? Die Erfahrung für die Austragungsorte ist, dass riesige Investitionen von 20 bis 50 Milliarden Euro gefordert werden, die letztendlich die Steuerzahler bezahlen. Die Städte müssen Knebelverträge unterschreiben. Es kommt zudem zur Vertreibung von ärmeren Menschen und Gentrifizierung. Die lokale Wirtschaft verdient nichts, sondern nur vom IOC ausgewählte große Sponsoren. Deshalb haben die Menschen dagegen gestimmt. Wir sollten dieses Geld lieber für Hamburg, für soziale Projekte und für Breitensport ausgeben. Immerhin erleben wir gerade eine Krise. Durch Krieg und Sanktionen sind Lebenshaltungskosten und Inflation noch weiter gestiegen. Da fehlt den Menschen jeder Groschen.

Nun sollen es diesmal Spiele sein, die alle Menschen mitnehmen. Und die auch nicht Hamburg allein austrägt, sondern etwa mit Berlin. Klingt doch vernünftig, oder?

Nein, die negativen Konsequenzen werden dann nur auf mehrere Städte verteilt. In der Regel dürfen sich auch nicht zwei Städte bewerben.

Aber in China waren mehrere Spielstätten beteiligt. Wenn sich jetzt ganz Deutschland mit vielen Städten bewirbt, könnte es doch eine schöne Sache werden?

Wir müssten auch dann den Knebelverträgen zustimmen.

Was ist daran so schlimm?

Die Städte oder Länder müssen die Gesamtkosten übernehmen. Wie kann es sein, dass Sponsoren und IOC durch Olympia Milliardengewinne machen und selber keinen Beitrag leisten? Während Olympia gibt es Bannmeilen, in deren Bereich ausgewählte Sponsoren die einzigen sind, die verkaufen dürfen, und die Läden vor Ort leiden. Wenn tatsächlich Olympische Spiele stattfinden sollten, was ich im Grundsatz befürworte, müssten auch das Gewerbe und die Menschen vor Ort davon profitieren. Die Kosten müsste das IOC tragen und nicht die Steuerzahler. Und es dürften keine Strukturänderungen wie der Neubau eines olympischen Dorfes oder aufwendige Sicherheitsvorkehrungen vorgeschrieben sein. Das könnte alle mitnehmen.

Und dann wäre es okay?

Ja. In Hamburg fand 2018 die Rollstuhlbasketball-WM statt. Das war ein richtig gutes Konzept, da wurde die ganze Stadt mitgenommen.

Sie sind im Thema. Würden Sie Hamburg helfen, eine gute Bewerbung zu formulieren?

Unter den jetzigen Bedingungen nicht. Das Problem ist das IOC, eine undemokratische, profitorientierte Organisation.

Wenn sich Demokratien nicht beteiligten, fände Olympia nur noch in Autokratien statt.

privat
Im Interview: Mehmet Yildiz

45, Elektroinstallateur, ist fraktionsloses Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und war 2015 Mit-Initiator der Kampagne „NOlympia“.

Wenn die Menschen in demokratischen Staaten sich gegen die Fußball-WM oder Olympia entscheiden, liegt das daran, dass sie die Autokratie der Fifa und des IOC ablehnen. Die müssen sich ändern, damit auch Menschen in Demokratien die Spiele gerne unterstützen.

Was kann Deutschland tun, damit das IOC sich verändert?

Der DOSB könnte sich stark machen und sagen: So beteiligen wir uns nicht. Wir könnten auch drauf verzichten, die teuren Fernsehrechte zu kaufen.

Ist nicht Olympia gerade jetzt wichtig, da völkerverbindend?

Sport hat etwas Verbindendes. Wir können aber auch selber internationale Feste organisieren.

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8 Kommentare

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  • Wenn der Herrscher - oder dr, der sich dafür hält - etwas wünscht, dann hat das so zu geschehen!



    Dein Wille geschehe!'

  • Es geht in der Tat auch ganz anders, da hat Mehmet Yildiz völlig Recht. Beispiel? Kieler Woche – internationale hochklassige Segelwettbewerbe und ein Rahmenprogramm aus Kultur, Musik, Sport und Festmeilen, von dem auch die gesamte Stadt und die regionale Wirtschaft etwas haben. Man muss tatsächlich einfach nur wollen.

  • "Wenn sich Demokratien nicht beteiligten, fände Olympia nur noch in Autokratien statt."

    Ja.

  • Die angeblichen Milliardengewinne des IOC sind zu oberflächlich betrachtet. Die Milliardeneinnahmen des IOC sind die eine Sache, aber dann muss man fairerweise auch schauen, was mit diesem Geld passiert. Ich weiß, dass es inzwischen zum guten Ton gehört, auf die IOC und andere Grossportverbände zu schimpfen, aber das IOC gibt 90% seiner Einnahmen für die Athletenverbände oder die nationalen Olympischen Komitees aus. Und auch die Sponsoren machen keinen Gewinn durch die Spiele, sondern finanzieren dies.

    • @Jürgen Meyer:

      Wenn die Sponsoren keinen Gewinn machten, würden sie die teuren Sponsorenrechte nicht kaufen – das ist immer ein Investition mit Profitstreben. Und die Ausschüttungen an die nationalen Verbände landen leider viel zu häufig auf den Privatkonten der jeweiligen Verbandsfunktionäre.

  • Für die Menschen in Hamburg bieten olympische Spiele keine Vorteile, es macht keinen Sinn mit öffentlichen Geldern Infrastruktur für ein vierwöchiges Event zu bauen, wenn man für das selbe Geld auch Infrastruktur für den dauerhaften Bedarf der Menschen bauen kann.

    Hamburg ist eine weltoffene, gastfreundliche Stadt, wir freuen uns über Touristen, aber wir wollen keinen Overtourism, wir brauchen nicht mehr Touristen als derzeit. Arbeitsplätze im Tourismus sind überwiegend schlecht bezahlt und überdies ist in Hamburg das Problem nicht Mangel an Arbeitsplätzen, sondern Msngel an Wohnungen. Zusätzliche Hotels oder Sportstätten für den Bedarf des Leistungs- und nicht des Breitensports würden Platz benötigen, den wir für den Wohnungsbau brauchen.

    Allerdings haben wir 2015 über die Bewerbung für 2024 abgestimmt (Abstimmungstext: Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewirbt) und nicht wie hier behauptet darüber, ob jemals olympische Spiele in Hamburg stattfinden.

  • "Die Städte oder Länder müssen die Gesamtkosten übernehmen. Wie kann es sein, dass Sponsoren und IOC durch Olympia Milliardengewinne machen und selber keinen Beitrag leisten?"



    Im Grunde genommen ein Geniestreich seitens der IOC-Leute. Und er zeigt leider auch, dass da zu viel Macht in den falschen Händen liegt, wie so oft.



    Das ganze Olympia-Theater gehört abgeschafft und von Grund auf neu erfunden. Völkerverständigung und sportlicher Wettbewerb geht auch anders.

  • Wo er Recht hat, hat er Recht