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Von Notz (Grüne) zu Reichsbürger-Razzien„Wir müssen wachsam bleiben“

Umsturzpläne müssen ernst genommen werden, fordert der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz und lobt die Entschlossenheit der Sicherheitsbehörden.

Polizisten mit einem Verdächtigen bei einer Razzia bei Reichsbürgern in Berlin am 7. Dezember Foto: Paul Zinken/dpa
Tobias Schulze
Interview von Tobias Schulze

taz: Herr von Notz, Reichsbürger sollen einen gewaltsamen Umsturz geplant haben. Wie gefährlich war das Netzwerk, das nun in einer groß angelegten Razzia ausgehoben wurde, Ihrer Einschätzung nach?

Konstantin von Notz: Viele haben Reichsbürger lange als harmlose „Spinner“ abgetan. Das ist brandgefährlich. Der Generalbundesanwalt hält die Planungen offenbar für so konkret und fortgeschritten, dass er nun diese massiven Maßnahmen veranlasst hat. Die fraglichen Personen haben oft Zugang zu Waffen und ihre bekannt gewordenen Umsturzpläne sind offensichtlich weit fortgeschritten. Ich kann allen Beteiligten nur raten, diese Gefahren sehr ernst zu nehmen und wachsam zu bleiben.

Es geht also um mehr als nur ein paar Spinner? Vieles, was über die Gruppe bekannt ist, klingt skurril.

Vieles, was Donald Trump die letzten Jahre gesagt hat, klang auch skurril bis hart abwegig. Das ändert nichts an der Ernsthaftigkeit und der Massivität der Umsturzpläne gegen eine gefestigte Demokratie, wie wir sie am 6. Januar 2021 in den USA gesehen haben.

Thesen von Extremisten klingen eben häufig abwegig, das ändert wenig an den von ihnen ausgehenden tödlichen Gefahren, ob bei dem Mord an Walter Lübke, an einem Polizisten in Georgensgmünd oder den rassistischen und antisemitischen Anschlägen von Hanau und Halle. Vom Blick in unsere eigene Geschichte ganz zu schweigen.

Das Netzwerk scheint weit verzweigt zu sein. Verbindungen gibt es offenbar zur Gruppe, die die Entführung von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach plante. Wie viel unsichtbares Gefahrenpotential könnte es in der Szene noch geben?

Die heutigen Durchsuchungen haben gezeigt, dass die Sicherheitsbehörden hier durchaus entschlossen agieren. Mit den jetzigen Durchsuchungen ist es aber zweifellos nicht getan. Die Behörden müssen am Ball bleiben und die genauen Hintergründe, aber auch Verbindungen zu anderen Netzwerken nun sehr entschlossen weiter aufklären.

Diesen Aufgaben müssen sich alle Verantwortlichen stellen – auch das Parlament. Daher haben wir Grüne für die kommende Sitzungswoche entsprechende Berichte in den zuständigen Ausschüssen und Gremien auf die Tagesordnung gesetzt.

Wieder mal gibt es Verbindungen zur Bundeswehr. Reichen die bisherigen Maß­nahmen gegen Rechtsextreme in den Sicherheitsbehörden und vor allem beim Kommando Spezialkräfte (KSK) nicht aus?

Das werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Klar ist aber doch, dass gerade diejenigen, die unseren Staat dienen und ihn repräsentieren, in einer ganz besonderen Verantwortung stehen. Ihre Integrität darf nicht in Frage stehen.

Reichen die Sicherheitsvorkehrungen des Bundestags aus?

Spätestens seit dem Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 wissen wir sehr genau, dass antidemokratischer Rhetorik auch schlimmste, gegen Demokratie und Parlament gerichtete Taten folgen können. Die Frage nach der Sicherheit des Deutschen Bundestags wird, das wurde gerade noch einmal deutlich, auch in Zukunft von großer Relevanz bleiben. Das Herz unserer Demokratie gilt es bestmöglich zu schützen.

Welches Sicherheitsrisiko stellt die AfD für den Bundestag dar? Berichten zufolge hatte die Richterin Frau Malsack-Winkemann als Ex-Abgeordnete der AfD immer noch Zugang zu Bundestagsgebäuden.

Deutlich wird, dass Privilegien wie der Zugang zum Parlament von amtierenden und ehemaligen Abgeordneten ausgenutzt werden können, auch um Personen in die Gebäude zu bringen, denen Demokratie, Parlamentarismus und frei gewählte Abgeordnete ein Dorn im Auge sind. Nach ähnlichen Vorkommnissen in der Vergangenheit, bei denen immer die AfD-Fraktion eine Rolle spielte, wurden die Sicherheitsvorkehrungen und Zugangsbeschränkungen bereits angepasst. Ob es angesichts der jüngsten Vorfälle weiterer Restriktionen bedarf, gilt es nun sehr genau zu prüfen.

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13 Kommentare

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  • Wachsam bleiben? Ja, wo denn?



    Ich habe mehrmals den Wohnsitz gewechselt und auf alles geachtet: Trinkwasserqualität, Verkehrslärm, Feinstaub-Belastung, Rauschgift-Hochburg und was es sonst so gibt an Lebens-Gefahren.



    Da ich mit Familie weder mitten unter Neo-Nazis noch Islamisten noch Reichsbürgern leben will, frage ich also:



    Wo, also konkret WO in Stadt oder auf dem Land, in welchen Bezirken bitte sehr leben denn diese Staats-Gefährder, denen meine Wachsamkeit gelten soll? Sie werden beobachtet, observiert, abgehört… und sind meine Nachbarn, hier im Viertel? Ich wüsste doch gern, wo diese Gefahren präsent sind, damit ich ihnen gehörig aus dem Weg gehen kann!

    • @Allesheuchler:

      Dem kann man nicht aus dem Werg gehen sondern muss sich in den Weg stellen.

      • @Chpf:

        Es bleibt dabei: wo?



        Ne bloße Gegen-Demo ist unzureichend!

  • Das Problem ist der Hintergrund: Wären alle Mitglieder der Gesellschaft gleich gut versorgt, würden solche Umtriebe kaum Anhänger finden. Aber nicht zuletzt nach der Wende im Osten, wo es sehr viele Verlierer gegeben hat, um die sich kein demokratisches Umfeld richtig kümmert, Kirche und Gemeinwohl-orientierte Organisationen (AWO, Malteser usw.) nur schwach entwickelt sind, ensteht ein Hohlraum, der den Verschwörern Rückhalt gibt. Zumal es auch nicht dadanach aussieht, dass mit dem Deutschland verlassenden Kapitalismus entscheidende 'Reformen' noch möglich sind. Ist erst einmal der bürgerlich-orientierte Informationskanal abgerissen, sind destruktiven Medien und Organisatoren Tür und Tor geöffnet. Wo bitte, geht es in dieser von Lindner & Co befeuerten Ellenbogengesellschaft zu einer Solidarität ? Die Fäulnis durchdringt immer weitere Kreise, wenn wir die Zukunftsgestaltung unfähigen Politikern überlassen.

    • @Dietmar Rauter:

      Ja, eigentlich geht es um faires und gleichwertiges Zusammenleben. Der Begriff Solidarität ist mir da zu klassenbezogen. Warum werden Übergewinne und überdimensionierte „Schonvermögen“ (frei nach Küpperbusch) also Kapitalkonzentrationen überhaupt möglich gemacht und damit die Übervorteilung von Mitmenschen?

  • Ein Dank die Polizei und die Sicherheitsbehörden wäre nun angesagt. Sie haben uns vor Schlimmerem bewahrt.

  • Symbolpolitik und stereotypisches Blabla. "Umsturzpläne müssen ernst genommen werden, fordert der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz" Warum etwas fordern, was schon besteht/umgesetzt/angewendet wird?

  • Natürlich müssen Terroristen bekämpft werden. Allerdings scheint mir der Plan irgendeinen bayrischen Prinzen als König einzusetzen sowas von hirnrissig, dass es mir schwer fällt die Truppe und ihre Ziele ernst zu Nehmen. Auf welchem Planeten leben die, dass die wirklich denken die Mehrheit der deutschen wollen in einer Monarchie leben?

    • @Sybille Bergi:

      "Auf welchem Planeten leben die, dass die wirklich denken die Mehrheit der deutschen wollen in einer Monarchie leben?" Streichen Sie Monarchie und setzen Sie wahlweise einige andere Regierungsformen unterschiedlicher Ausprägung. Die Frage nimmt für die eine oder andere Gruppierung an Spannung nicht ab.

    • @Sybille Bergi:

      Ob hirnrissig oder nicht, gefährlich allemal. Auch wenn das Ziel, eine neue 'Reichsregierung' einsetzen zu wollen, eher utopisch erscheinen mag, der Weg dorhin ist es m.E. nicht. Ich möchte mir nicht vorstellen wollen, was kranke Köpfe, dazu evtl. bewaffnet, durch entsprechende Aufhetzung, Fakenews u.s.w. alles anstellen können. Daher gilt es weiterhin wachsam zu sein und diese Damen und Herren mit aller Härte der Gesetze zu bekämpfen. Sie als Spinner abzutun, ist brandgefährlich.

    • @Sybille Bergi:

      Seit wann interessiert denn Antidemokraten, was die Mehrheit will ???

    • @Sybille Bergi:

      "... irgendeinen bayrischen Prinzen als König ..." o_O_O - mit schwant Böses...

      • @Bolzkopf:

        Ich kann Sie da beruhigen, der Prinz ist Thüringer.