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Universitätsbesetzungen sind zurückAb in die Hörsäle

Studie­rende sind von vielen Krisen direkt betroffen. Nun entdecken sie die Besetzung von Universitäten als Protestform wieder.

Erfurt, Jena, Wien: Es werden wieder Hörsäle besetzt Foto: imagebrpker/imago

Nach den letzten Coronasemestern wünschen sich Studierende vielerorts eine Rückkehr zum normalen Unibetrieb. Viele empfinden die Pandemie und ihre Folgen nach wie vor als belastend. Und auch die nun folgende Energiekrise trifft die Studierenden hart, insbesondere diejenigen, die ohnehin schon wenig Geld haben.

Wie funktioniert das Universitätsleben unter dieser Mehrfachbelastung? Wie lässt sich gemeinsam eine demokratische Lehre gestalten? Und wie können die Studierenden dabei ihre Bedürfnisse artikulieren? Die Universitäten müssen ein Ort des Austauschs sein. Um das sicherzustellen und ihre Forderungen durchzusetzen, entdecken Studierende nun offenbar ein altbewährtes Mittel wieder: die Universitätsbesetzung.

Ob es nun um die Rettung der einzigen Geschlechterfakultät in Jena geht; darum, zu verhindern, dass die Universität Erfurt ihre Energiesparmaßnahmen auf die Studierenden abwälzt; oder um eine klimagerechte Unilehre in Wien – das Protestmittel der Wahl ist für viele Studierende heute wieder die Besetzung. Wie schön, dass sie nach den Einschränkungen durch die Coronapandemie offenbar nicht aus der Mode gekommen ist.

Besetzungen von Hörsälen oder anderen Lehrgebäuden haben nicht nur in der deutschen Universitätsgeschichte Tradition. Mediale Aufmerksamkeit erfuhren vor allem die Besetzungen 2009 im Vorfeld der bundesweiten Bildungsstreiks. Die Studierenden kritisierten die hohen Studiengebühren. Die Aufregung über die Proteste sorgte für weitreichende bildungspolitische Debatten. An einigen Universitäten, beispielsweise in Heidelberg, wurden die Studiengebühren in der Folge gesenkt. Ein direkter Erfolg für die Protestierenden.

Eine Tradition in Deutschlands Universitätsgeschichte

2009 wurde auch das erste und letzte Mal die Universität in Erfurt besetzt. Zumindest bis vergangenen Donnerstag. In Erfurt, wo es an der Universität bisher wenige studentische Aktionen gab, mobilisierten sich nun in kürzester Zeit etwa 100 Studierende. Sie besetzten die Bibliothek, die seit Neuestem verkürzte Öffnungszeiten hat und am Wochenende vollständig geschlossen bleibt. Eine Energiesparmaßnahme, heißt es von der Universitätsleitung.

Sie vergaß dabei wohl, dass die Heizung zu Hause dann aus der Tasche der Studierenden selbst bezahlt werden muss – ein Handeln, das die Prekarisierung dieser Gruppe immer weiter vorantreibt. Und nicht nur das Geld spielt dabei eine Rolle. Die Bibliothek ist für viele ein Ort des Austauschs, der Lernmöglichkeit, die unter Umständen im Wohnraum nicht gegeben ist, und bietet freien Zugang zum Uni-Wi-Fi. „Besetzen'‘ lautete deshalb die Idee einer Planungsgruppe in Erfurt. Um sich den Raum zurückzuholen und Druck auf die Universität auszuüben. Und dieser zeigte offenbar sogleich seine Wirkung: Das Unipräsidium sagte den Be­set­ze­r*in­nen noch am selben Tag einen Gesprächstermin zum Austausch zu.

Auch in Jena war die Besetzung das Mittel der Wahl, um Forderungen mit einer besonderen Dringlichkeit darzulegen. Die unterscheiden sich von denen der Studierenden in Erfurt, denn sie kritisieren die geplante Abschaffung des bundesweit einzigen Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte. Gerade angesichts anhaltender Forderungen der Thüringer AfD, die bereits seit mehreren Jahren ein Ende der Genderlehrstühle wünscht, erwarten die Studierenden ein klares Signal ihrer Universität. Die Besetzung, als eine radikale Form der Druckausübung, hilft auch ihnen, ihre Forderungen zu unterstreichen.

Die Proteste an den unterschiedlichen Hochschulen und Universitäten haben aber noch einen weiteren Effekt: Sie empowern die Studierenden. Sie schaffen – wortwörtlich – einen Raum, der für Austausch unter ihnen sorgt und weitere Aktionen ermöglicht. Diese Räume sind an Universitäten nur noch selten vorgesehen.

„Es war krass zu bemerken, dass man so schnell etwas auf die Beine stellen kann. Und dass dann Leute beim Protest dabei sind, die ich nicht einmal kannte. Aber zu wissen, dass wir alle für die gleiche Sache einstehen, das war wirklich ein krasses Gefühl“, sagte eine der Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen der Bibliotheksbesetzung in Erfurt der taz. Und eine Beteiligte der Besetzungen in Jena sagte: „Der besetzte Hörsaal als Raum der Politisierung, zum Lernen, zum Quatschen mit Freun­d*in­nen ist auch als physischer Raum ganz wichtig für den Zusammenhalt der Studierenden.“

Es gibt ihn also noch, den Zusammenhalt, den Wunsch nach Veränderung und Teilhabe unter Studierenden. Sie schaffen es, sich vor Ort zu mobilisieren, auch nach mehreren Onlinesemestern. Spannend zu sehen, was aus dieser Form des Protests in Zukunft noch alles entsteht.

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4 Kommentare

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  • Den Menschen denen es wirtschaftlich sehr gut ging, geht es weiterhin sehr gut.

    Die Mittelschicht spürt auch Nachteile.

    Wo es bisher schon knapp oder zu wenig war, ist es jetzt viel schlechter.

    Bei Studenten ist das nicht anders.

  • Ich finde diese Form des Protests völlig in Ordnung, würde aber die Sinnhaftigkeit aus eigener Erfahrung gerne etwas relativieren. Ich habe als Lehramtsstudent damals an meiner Uni ebenfalls gegen die Studiengebühren gestreikt und Hörsäle besetzt, ich kann mich noch gut an die dazugehörige Abstimmung erinnern: 90% der Anwesenden waren, tippe ich, aus den Geisteswissenschaften, die einzige Gegenrede kam von einem RCDS-Studenten, der natürlich ab Sekunde 1 niedergebuht wurde. 😉 Der Antrag auf Hörsaalbesetzung wurde natürlich mit Martin-Schulz-Mehrheit angenommen und die Folge war, dass die kompletten Geisteswissenschaften gestreikt und besetzt haben, und (zumindest gefühlt und aus persönlichen Gesprächen) der Rest einfach weitergemacht hat wie immer. Die Mediziner wollten fertigwerden und mussten lernen, die Juristen wollten endlich anfangen Geld zu verdienen und die Naturwissenschaftler sind ja sogar noch an Weihnachten in den Labors. Ich hab also Häuser besetzt, viel getrunken, gekifft und ne Menge Spaß gehabt. Hab ich viele Leute kennengelernt? Ja, hab ich aber auch ohne Hausbesetzung. Gab es regen Austausch über politische Inhalte? Nein, wir hatten einfach Spaß und ne Ausrede, warum man ein komplettes Semester nicht so richtig lernen konnte. Ich möchte niemandem absprechen, dass man sich bei so etwas auch ganz ernsthaft während solchen Aktionen mit inhaltlich sinnvollen Dingen beschäftigt, neue Netzwerke knüpft und um politische und gesellschaftliche Veränderungen ringt. Zu glauben, dass dies aber auf die Mehrheit der Studierenden zutrifft, würde ich aber zumindest mal in Frage stellen…

  • Kann man machen, muss man nicht. Angesichts der Energiekrise sollten jedoch in den betroffenen Räumen Strom und Heizung abgestellt und für willige Studenten Onlineveranstaltungen angeboten werden.

  • Wenn ich an die Studentenproteste zu meiner Jugendzeit denke, dann kommen mir die Studenten heute eher wie "politische Schlaftabletten" vor. Dabei finde ich es elementar wichtig, dass auch von diesen jungen Menschen die Impulse für die Zukunft gesetzt werden.



    Seid mir ob meiner Meinung nicht böse, ich habe nicht jeden gemeint und es ist nur eine subjektive Beobachtung.