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Kleber als Form der Kommunikation„Immerhin bleibt was hängen“

Welche Chancen und Risiken birgt der Einsatz von Kleber im täglichen Miteinander? Ein fiktives Gespräch unter Anzugträgern am Glühweinstand.

Zäher Stoff: Ein Polizist löst den Kleber an der Hand eines Aktivisten im Mai 2022 in Dresden Foto: dpa | Robert Michael

Was ist das eigentlich für ein ultimativer Superkleber, mit dem sich die jungen Irren da überall festkleben!?“, fragt der eine graumeliert gelackte Anzugmann die anderen am Glühweinstand am Rathausmarkt.

„Na, ein Prittstift wird’s nicht sein!“

„Den zähen Stoff hätt’ ich gern im Bestand meiner nigelnagelneuen Heimwerkstatt.“

„Muss was hart Widerstandsfähiges sein, quasi die Antithese zum Sensitiv-Pflaster!“

„Das Nonplusultra auf dem freien Markt!“

„Wahrscheinlich was Verbotenes aus dem Ostblock!“

„Vielleicht könnt man die Störer darüber einbuchten!“

„Ach, eigentlich fast rührend, die jungen Läuse, zu glauben, es könnt was bewirken, wenn man sie irgendwo nicht gleich wieder abkriegt!“

„Ich kleb’ mich künftig auch an den Konferenztisch, wenn ich meine Interessen nicht sofort durchgesetzt krieg, haha!“

„Die ahnen doch selber, dass die Show nix bringt, die kommen doch aus Bildungshaushalten, so wie alle Polit-Remmidemmis!“

„Eben. Zum Protest musst du in guten Verhältnissen geboren sein, sonst haste schon genug Probleme!“

„Wer über die Runden kommen muss, klebt sich nirgendwo fest, der muss ständig in Bewegung bleiben, um zu überleben!“

„Der schnüffelt eher Klebstoff!“

„Arme Schweine lassen sich leichter wegsperren.“

„Die gehen sich selber auf den Leim.“

„Sie sind die Fliegen am Klebestreifen der Gesellschaft.“

„Es ist ökonomisch eben gesünder, wenn das Gros des Volkes situativ im unteren ­Distrikt verbleibt, dann eiert es nicht idealistisch rum und wir können in Ruhe machen!“

„Aber die Lätzchen-Generation will uns eine kleben, eine nach der anderen, bis wir weich werden!“

„Eigentlich wollen die doch nur Liebe in Form von Aufmerksamkeit, der Kleber als Brücke zur eigenen Wertigkeit!“

„Und Klebe gendert naturell, das mag die Jugend! Der Kleber, die Klebe.“

„Das Klebeband!“

„Beidseitiges Klebeband als Metapher für verschiedene Perspektiven.“

„Mit gleicher Wirkung.“

„Am Ende bappt’s bloß an allen Enden.“

„Darum geht es ja, dass was hängen bleibt, das wollen die.“

„Immerhin reden wir drüber.“

„Papperlapapp! Ich würd’ mich effizient ­direkt an die Politiker kleben!“

„Keiner von denen will die Nacht mit Merz verbringen!“

„Ich würd’ Baerbock nehmen, Zuckerpuppe mit Grips, politisch klares Nein, aber hot as Hell!“

„Ich würd’ mich an Claudia Roth kleben, die schillert, da ist noch Power mit Passione, wählen würd’ ich die nie, aber fürs Bett wär’s mal spannend!“

„So spricht man nicht mehr über Frauen, Männers. Da hat sich das Klima auch verändert!“

„Klima mein Arsch, wir kriegen den Schaden ja nicht mehr ab.“

„Was ist mit Wiedergeburt?“

„Humbug!“

„Können wir nicht wissen!“

„Was, wenn wir zu guter Letzt den größten Schaden haben!? Weil wir in zirka zwanzig Jahren wiedergeboren werden?!“

„Wirste jetzt Buddhister auf den letzten Metern, Hartmut?

„Weiß man nicht, was kommt!“

„Irgendwas nimmt immer Schaden!“

„Und wenn es nur der Smalltalk ist.“

„Der Smalltalk?“

„Übers Wetter.“

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Jasmin Ramadan
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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