Demokraten gewinnen US-Senat: Der Trumpismus wankt

Donald Trump gilt vielen Republikanern als Grund für den verpassten Wahlsieg. Und doch ist nicht ausgemacht, dass er mit seiner Bewegung am Ende ist.

Ein Demonstrant steht auf dem Parliament Square neben einer Nachbildung des Kopfs von US-Präsident Trump

Der Trumpismus liegt nach der Niederlage der Republikaner am Boden Foto: Jonathan Brady/dpa

Wer nach einem Beispiel für eine gänzlich unerwartete, peinliche, geradezu desaströse Klatsche sucht, der wird seit heute in den USA fündig. Dass die Republikaner nach monatelangem Gefasel von einem Erdrutschsieg bei den Halbzeitwahlen inklusive vorauseilendem Triumphgeheul den US-Senat nun nicht nur einfach nicht gewinnen konnten, sondern im schlimmsten Fall nun auch noch mit einer geschrumpften Fraktion in die kommenden zwei Jahre gehen, ist ein Desaster historischen Ausmaßes.

Erfahrungsgemäß muss der amtierende Präsident ab den Halbzeitwahlen gegen eine Senatsmehrheit der Oppositionspartei regieren – eine Spielart des angelsächsischen Checks and Balances-Tradition. Unter Ronald Reagan verloren die Republikaner die Senatsmehrheit 1987 in der Mitte der zweiten Legislaturperiode ihrer Parteiikone an die Demokraten.

George H.W. Bush regierte komplett gegen eine oppositionelle Mehrheit, Bill Clinton verlor den Senat 1995 nach zwei Jahren an die Republikaner und konnte ihn auch 1999 nicht zurückgewinnen. George W. Bush verlor die Mehrheit im Senat wie Reagan in der Mitte seiner zweiten Amtszeit 2007 an die Demokraten, Barack Obama nach zwei Jahren im Amt 2011 an die Republikaner.

Der erste Präsident seit Jimmy Carter, dem glücklosen und nach nur einer Amtszeit abgewählten Demokraten, der die Mehrheit der eigenen Partei im Senat halten konnte, war mit Donald Trump im Jahr 2019 ausgerechnet der erste Mann im Weißen Haus seit Carter, der ebenfalls nach nur vier Jahren aus dem Amt gewählt wurde. Genau dieser Donald Trump gilt vielen als verantwortlich dafür, dass mit Joe Biden nun auch sein Nachfolger wohl die Senatsmehrheit seiner Partei verteidigt.

Die „Rote Welle“ bleibt aus

Schließlich hatte sich Trump nach seiner Abwahl in einer Mischung aus Furor und Hybris nicht mit der Rolle des Besiegten abgefunden, sondern mischte sich seither auf unverschämte Weise in die Bestellung des republikanischen Kandidatenfeldes ein. Und drückte per Empfehlung gemeinsam mit seiner fanatischen Anhängerschaft an der Parteibasis Dutzende Kandidatinnen und Kandidaten durch, die seine Lüge vom Wahlbetrug nachbeten und ließ jene abstrafen, die den Mut zur Wahrheit hatten.

Liz Cheney, Lisa Murkowski und Mitt Romney seien stellvertretend genannt. Die Midterms wollte Trump als eine triumphale Krönungsmesse für seine erneute Präsidentschaftskandidatur nutzen und kündigte im direkten Dunstkreis des landesweiten Urnengangs selbstherrlich eine Bekanntmachung an, die seine Basis „glücklich machen“ werde. Ausgemacht war: Trump gibt seinen Einstieg ins Rennen 2024 bekannt.

Surfen wollte er dabei auf einer „Roten Welle“, einem Durchmarsch seiner Republikaner bei den Halbzeitwahlen also, bei denen er beide Parlamentskammern erobern und damit Joe Bidens Regierung faktisch lahmlegen wollte. Stattdessen liegen die Pläne der Republikaner nun in Trümmern, die Demokraten konnten ihre Senatsmehrheit verteidigen und haben es gar in der Hand, ihre Mehrheit am 6. Dezember auf 51 von 100 Sitzen (bisher oblag es Vizepräsidentin Harris, als Senatspräsidentin das 50/50-Patt zugunsten der Demokraten zu brechen) auszubauen.

Sollte Georgia dann auch an die Demokraten gehen, könnte zudem der als verkappter Republikaner geltende demokratische Senator Joe Manchin ausgebremst werden, der mit seiner Stimme so ziemlich jedes sinnvolle Gesetzesvorhaben behinderte.

Die Vorstädte senken den Daumen über Trump

Was ist da passiert? Die Antwort liegt auf der Hand: Zwar gelang es Trump, die traditionsreiche republikanische Partei mit der Hilfe seiner fanatischen Koalition aus Rechtsextremisten, Verschwörungsgläubigen und Rassisten an der Basis zu unterjochen. Was er dabei übersah: Die Wählerschaft der Republikaner tickt nicht landesweit so dermaßen widerlich, wie es seine Anhängerschaft zelebriert.

In den gutbürgerlichen Trabanten-, Vor- und Schlafstädten rund um die urbanen Zentren wandten sich traditionell den Republikanern zugewandte weiße Mittelschichten angewidert vom Getöse Trumps und dessen schriller Gefolgschaft ab. Auffällig oft verloren die Republikaner dort enge Rennen, wo besonders trumphörige Kandidatinnen und Kandidaten das Lied ihres Gurus sangen, von Wahlbetrug palaverten und in ihrem Wahlkampf das Gespenst des Kommunismus heraufbeschworen.

Der parteiinterne Rückhalt bröckelt

Schon reden Republikaner offen und hinter vorgehaltener Hand davon, dass Trump die eigentlich sichere Mehrheit in beiden Häusern vermasselt habe. Landauf und landab tönt die Forderung immer lauter, die republikanische Partei müsse sich nun erneuern, um 2024 kampagnen- und siegfähig zu sein. Dabei schwingt eine gewisse Ironie mit, hat sich diese Partei doch erst mit Trumps Aufstieg während der republikanischen Vorwahlen 2016 und schließlich mit dessen Wahlsieg im November desselben Jahres demaskiert.

Aus einer zuvor zumindest nach außen hin staatstragenden, rechts-konservativen Partei wurde eine an der Basis zu großen Teilen rechtsextreme Politsekte. Die meisten Würdenträger in Senat und Repräsentantenhaus ordneten sich widerstrebend, oft zähneknirschend unter, immer mit dem Blick auf eigene Pfründe und Wiederwahlchancen.

Jetzt scheint diese Zweckgemeinschaft zu bröckeln. Bereits zum zweiten Mal ist Trump ein Verlierer und der Mann, der seine Partei in die Niederlage poltert. Wieder ist er es, der die Schuld auf andere schiebt und sich selbst als Opfer darstellt. Und wieder ist es Trump, der sich seiner Sache darin sicher ist, dass seine ihm blind folgenden Fans diese Masche schlucken werden.

Ob das funktioniert? Ron DeSantis, der mit eindrucksvoller Zustimmung wiedergewählte Gouverneur von Florida, wetzt bereits die Messer. Er will Trump dem Vernehmen nach lieber früher als später als starken Mann der Republikaner ablösen und 2024 selbst ins Rennen um die Präsidentschaft gehen. Für ihn spricht, dass seine Ansichten nicht weniger rechts, abwegig und widerlich sind als die seines Gegenspielers, er selbst aktuell aber als Gewinner dasteht. Damit könnte er Trumps Basis zum Überlaufen bewegen.

Trump ist noch nicht am Ende

Dennoch soll niemand glauben, dass sich Trump seine Fußtruppen kampflos abjagen lässt. Er wird alles daran setzen, auch diese erneute Schmach auszuradieren und nun erst recht Gift versprühen, beleidigen, mit seinen Schlägen zielsicher unter die Gürtellinie seiner Gegner zielen. Nicht zufällig signalisierte er bereits, dass niemand so viel Schmutz über DeSantis auskippen könne wie er selbst und dass er dies zu tun gedenke, sollte es der Volkstribun aus dem Sunshine State tatsächlich wagen, gegen ihn ins parteiinterne Rennen zu gehen.

Über Donald Trump lässt sich verlässlich zu Recht so viel Schlechtes sagen. Der Immobilienmogul ist ein Frauenfeind, ein Rassist, ein Egoist, dem nichts näher steht als er selbst. Trump ist skrupellos, hinterlistig, vulgär und bösartig. Aber eines kann dieser Mann aus New York wie kaum ein anderer: in Bedrängnis zur Gegenoffensive übergehen.

Die Chancen stehen tatsächlich nicht schlecht, dass er den Trumpismus am Leben halten und mit seinen Fans die Regentschaft über die Partei retten kann. Den Demokraten wäre das fast zu wünschen. Denn die Menschen in den USA haben Trump und sein Großmaul satt. Sie wollen einen Neuanfang.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Chef vom Dienst und Autor. Arbeitet seit 2022 für die taz. Mag Meinung und kommentiert politische Themen mit Hang zum Ausland (vor allem USA). Schrieb vor der taz für die Frankfurter Rundschau. Hat davor Onlinejournalismus an der Hochschule Darmstadt studiert.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.