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IQB-Studie zu Deutsch und MatheViert­kläss­le­r deutlich schlechter

Im Vergleich zu 2016 sind die Leistungen von Grundschülern abgestürzt. Der Lehrerverband fordert „eine schonungslose Bestandsaufnahme“.

In allen geprüften Kompetenzen – Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen – sind die Leistungen deutlich abgefallen Foto: Marcel Kusch/dpa

Berlin taz | Im Vergleich zu 2016 haben sich Viert­kläss­le­r:in­nen in Deutschland in den Kernfächern Deutsch und Mathe deutlich verschlechtert. Das ist das Ergebnis des IQB-Bildungstrends, der am Montag in Berlin vorgestellt worden ist.

In allen geprüften Kompetenzen – Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen – sind die Leistungen deutlich abgefallen. Vor allem hat sich der Anteil der Schüler:innen, die die Mindeststandards verfehlen, nochmal deutlich erhöht: je nach Kompetenz ist die Gruppe der Leistungsschwachen zwischen acht und knapp zehn Prozent gewachsen. Nur in drei Bundesländern sind die Leistungen im Großen und Ganzen stabil geblieben: Hamburg, Bremen und Rheinland-Pfalz.

„Das ist eine signifikant ungünstige Entwicklung“, sagte Petra Stanat vom Institut zur Qualitätsentwicklung in der Bildung (IQB) bei der Vorstellung des Berichts. Nicht besser fällt ihr Urteil aus, wenn man die Ergebnisse von 2021 isoliert betrachtet. So verfehlt etwa je­de:r fünfte Schü­le­r:in in Deutsch die Mindeststandards. In Rechtschreibung trifft das sogar auf je­de:n Dritten zu.

In Mathe hat fast je­de:r Vierte Probleme bei grundlegenden Aufgaben. Der negative Trend, den das IQB bereits zwischen 2011 und 2016 festgestellt hat, hat sich seit 2016 „deutlich verstärkt“, so Stanat. Selbst in Bayern und Sachsen, die insgesamt mit guten Ergebnissen herausstechen, sei dieser Trend sichtbar.

Soziale Ungleichheit wächst

Eindeutig ist der Bildungsbericht, für den im vergangenen Jahr mehr als 26.000 Viert­kläss­le­r:in­nen in rund 1.500 Schulen getestet worden sind, auch beim ungebrochenen Einfluss des Elternhauses auf die Bildungschancen. So schneiden Kinder aus sozioökonomisch besser gestellten Familien deutlich besser ab als Kinder aus ärmeren Familien. Das gleiche gilt für Kinder mit Migrationsgeschichte. Die Schere bei der Bildungsbenachteiligung geht also weiter auseinander.

Zu den Gründen der schlechten Ergebnisse äußert sich Bildungsforscherin Stanat zurückhaltend. Aus ihrer Sicht dürfte aber einerseits die gestiegene Heterogenität in den Klassenzimmern eine Rolle gespielt haben. So lag der Anteil der Kinder mit Migrationsgeschichte 2021 bei 38 Prozent und damit 5 Prozentpunkte höher als noch 2016. Zum anderen dürfe man die Nachwirkungen der Pandemie nicht vergessen, so Stanat.

„Natürlich hat die Pandemie eine Rolle gespielt“, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien. Die CDU-Politikerin will die „ernüchternden Ergebnisse“ aber nicht darauf schieben. „Wir dürfen uns als Gesellschaft nicht abfinden mit diesen Ergebnissen“, stellte Prien klar. Jedes Bundesland müsse sich nun im Detail mit den Ergebnissen des IQB-Bildungstrends befassen.

Die KMK wolle nun Vorschläge erarbeiten, wie sich die Qualität an den Grundschulen verbessern lasse, so Prien. Im Dezember stellt die Ständige Wissenschaftliche Kommission im Auftrag der KMK dazu ein Gutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen vor. Prien kündigte an, dass auch die Lehramtsausbildung auf den Prüfstand genommen werde.

Lehrerverband warnt

Insgesamt fielen die Reaktionen auf die IQB-Studie heftig aus. So bezeichnete Lehrerverbandschef Heinz-Peter Meidinger die Ergebnisse als einen „Beleg für einen ungebremsten dramatischen Bildungsabsturz“. Es sei jetzt höchste Zeit, die Phase der Schönfärberei zu beenden und „eine schonungslose Bestandsaufnahme“ vorzunehmen. Sollte die Politik nicht zusätzliche Personalressourcen bereit stellen, drohe in Folgestudien ein weiterer Absturz.

Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied der derBiderldungsgewerkschaft GEW bezeichnete die Ergebnisse des Bildungstrends als „ernüchternd und skandalös“. Jetzt räche sich, dass der Primarbereich in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden sein, so Bensinger-Stolze: „der immer größer werdende Lehrkräftemangel, die ungleiche Bezahlung in den Bundesländern, große Klassen, fehlende Unterstützungssysteme, eine unzureichende Ausbildung – so legt man nicht die notwendigen Grundlagen für das zukünftige Leben der Kinder.“

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5 Kommentare

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  • 1. Große Klassen, die "mal eben!" immer wieder mal zusätzlich neue nicht deutschsprachige Kinder aufnehmen müssen. All diese Kinder müssten erstmal einige Zeit in einen Deutschkurs.



    2. Mangelnde Deutschförderung in den Kitas oder gar kein Kitabesuch



    3. Smartphonenutzung.. betrifft alle Schichten



    4. Zu viel Verschwendung auf andere Sachen als auf Deutsch und Mathe: Englischunterricht macht keinen Sinn, wenn das Kind nicht mal richtig Deutsch spricht- sollte frühestens wieder ab Klasse 5 gelehrt werden



    5. Angeblich moderne Konzepte, keine einheitlichen Pläne für die ganze Klasse, sondern für jedes Kind individuell: Lehrer überfordert, Familien haben keine Orientierung, wo ihr Kind steht- keine Diktate für die ganze Klasse o.ä. mehr üblich...aus Fehlern lernt man doch.



    6. Lesen muss absolute Priorität haben. Wer lesen kann und den Inhalt versteht, kann sich andere Bildung selbst aneignen.

  • Das sind die, seit Jahrzehnten bekannten, Probleme des deutschen Schulsystems, die von allen Parteien ignoriert werden.



    Es setzt voraus, dass Kinder bei Schuleintritt die deutsche Sprache vollständig beherrschen und bei guten soziokomischen Bedingungsengen, in allen Bereichen dort gefördert werden.

    "Je günstiger die sozioökonomische Lage der Eltern ist und je mehr bildungsbezogene Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen, desto besser gelingt es



    Familien, ihre Kindern beim schulischen Erwerb von Wissen und Fertigkeiten zu



    unterstützen. Darüber hinaus gilt die in der Familie gesprochene Sprache als Indikator für außerschulische Lerngelegenheiten zum Erwerb der Instruktionssprache, deren Beherrschung für den schulischen Erfolg eine zentrale Rolle spielt." (S202, IQB Bericht)

    Die Schulen können aber etwaige Mängel, auch in den nicht Coronazeiten, nicht beheben, weil ihnen die Mittel. Und das ist politisch gewollt, wenn die Kommunen zu arm sind, um Mittel für Schulen aufzubringen, fließen dank Drittmittelregel, auch keine Mittel von Land und Bund.

    Die Schulen sollen die Probleme, wie Integration, Inklusion und technischen Paradigmenwechsel, lösen, die die Gesellschaft als solches nicht lösen will. Sie können es nicht und sollte niemanden wundern.

    Das Problem ist die Politik, ist das Bildung, ihre Finanzierung, Organisation und Inhalte, Sache der Politik ist. Bildung ist aber zu wichtig, um sie der Politik zu überlassen.

  • Ich habe neulich auf einer langen Autofahrt einen Abstecher in ein Schnellrestaurant gemacht. Dort saßen sprachlose Familien mit kleinen Kindern beieinander und glotzten unablässig auf Bildschirme. Da wundert es mich nicht, dass da einiges an grundlegenden Fähigkeiten verkümmert.

  • Es ist an der Zeit, den Föderalismus im Bildungsbereich endlich aufzuheben und die Bildung als gesamtstaatliche Verpflichtung wahrzunehmen. Die KMK hat das Ganze lange genug gegen die Wand gefahren und wird der Sache nicht mehr Herr.

  • Es ist ja nicht so, dass Corona die Mängel im Schulsysterm verursacht hat.

    Es hat die vorhandenen Mängel sicher verstärkt, aber vor allen Dingen reibt Corona uns die Mängel brühwarm unter die Nase.

    Weil das System nämlich seit Jahrzehnten "am Stock" geht und mindestens so marode ist wie viele unserer Brücken.